Zigarettenstummel geben tausende von toxischen Substanzen an die Umwelt ab. Vor allem Gewässer und Wasserlebewesen werden immer stärker belastet.
Wer hat es nicht schon beobachtet oder es selbst getan: ist der Glimmstängel ausgeraucht, wird die Kippe einfach zu Boden geworfen, ausgetreten oder erlischt von selbst. Die kleinen Filter, die einen Teil der bei der Tabakverbrennung entstehenden Schad- und Giftstoffe von des Rauchers Lungen fern halten sollen, gehören zu den am häufigsten in die Umwelt entsorgten Gegenständen. Auf Grund ihres geringen Gewichts und ihrer zylindrischen Form werden sie vom Wind leicht transportiert und gelangen zu einem nicht geringen Teil in die Kanalisation oder direkt in offene Gewässer. Da die Mundstücke aus einem extrem langlebigen Material hergestellt werden, können sie ihre Giftfracht mit der Zeit nahezu vollständig freisetzen. Mit dramatischen Konsequenzen für die Umwelt, wie eine aktuelle US-amerikanische Studie belegt.
Giftstoffe aus Zigarettenfiltern bedrohen Wasserlebewesen
Die Arbeitsgruppe um Professor Thomas Novotny von der San Diego State University, Kalifornien, beschäftigt sich bereits seit Jahren mit der Erforschung der Umweltbeeinträchtigungen durch Zigarettenstummel. Dass die aus den Zigarettenfiltern stammenden toxischen Substanzen für Wasserinsekten, Krebstiere und andere niedere Wasserlebewesen eine tödliche Gefahr darstellen, war bereits in älteren Studien aufgedeckt worden. Wasserflöhe der Gattung Daphnia beispielsweise sterben bereits ab, wenn sich in einem Volumen von acht Litern Wasser ein einziger Zigarettenstummel befindet. Novotny und seine Mitarbeiter nahmen diese Ergebnisse zum Anlass, ihre Untersuchungen auch auf höher entwickelte Lebewesen auszudehnen. Experimentell gelang der Arbeitsgruppe nun der Nachweis, dass Zigarettenkippen im Wasser auch für Fische giftig sind.
Zigarettenkippen vergiften selbst größere Fische
Als Versuchstiere wählten die Wissenschaftler einen Meeresfisch aus der Gruppe der Ährenfische und einen Süßwasserfisch aus der Familie der Karpfenartigen. Diese Fische setzten sie in Behälter mit unterschiedlich belastetem Wasser:
- pro Liter Wasser einen Zigarettenfilter mit Tabakresten einer gerauchten Zigarette
- pro Liter Wasser einen Filter einer gerauchten Zigarette ohne Tabakreste
- pro Liter Wasser einen unbenutzten Filter ohne Tabak
Das Ergebnis war überraschend und erschreckend zugleich: die Fische starben nicht nur in den beiden ersten Versuchsansätzen. Sie verendeten auch, wenn sich im Wasser nur unbenutzte Zigarettenfilter befanden. Zwar wirkte sich in diesem Fall erst eine höhere Dosis tödlich aus, doch zeigt der Versuch, dass selbst das reine Filtermaterial für die Tiere giftig ist. Mit anderen Worten: auch wenn die benutzten Filter ihr Gift bereits vollständig an das Wasser abgegeben haben, bleiben sie für die Tierwelt gefährlich.
Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Welche der in den Filtern steckenden Substanzen letztlich für die Toxizität verantwortlich sind, wollen die Forscher um Thomas Novotny als Nächstes untersuchen. Sie herauszufinden dürfte trotz hochgezüchteter chemischer Analysemethoden nicht einfach sein. Nach vorsichtigen Schätzungen enthält der Rauch von Zigaretten mindestens viertausend Substanzen, darunter solche wie Blausäure, Teer und Schwermetalle, aber auch Spuren von Insektiziden und Pflanzenschutzmitteln. Ungefähr fünfzig dieser Chemikalien werden zu den Krebs erregenden Verbindungen gezählt.
Durch die geschilderten, natürlichen Transportwege reißt der Nachschub an Zigarettenfiltern, die in den Gewässern landen, nicht ab. Die Frage, welche Organismen besonders stark belastet sind und ob die Giftstoffe sich bereits in der Nahrungskette nachweisen lassen, ist im Zusammenhang mit der menschlichen Gesundheit daher von außerordentlichem Interesse. Als langfristiges Ziel geben die Wissenschaftler an, die toxischen Chemikalien aus Zigarettenfiltern mittels geeigneter Indikatoren im Wasser direkt nachzuweisen. Damit ließe sich der Grad der Belastung der Gewässer vor Ort ermitteln.
Auch Umweltschützer schlagen Alarm
Wie kann es sein, dass verhältnismäßig kleine Gegenstände wie Zigarettenkippen einen so großen Schaden anrichten? Eine Ursache liegt unbestreitbar in der giftigen Fracht, die vom Wasser ausgeschwemmt wird. Hinzu kommt, dass die aus dem Kunststoff Celluloseacetat hergestellten Zigarettenfilter praktisch nicht verrotten. Sie zerfallen unter dem Einfluss der Witterung lediglich zu Fasern und im Lauf der Jahre zu kleinen und kleinsten Partikeln, die von Wasserlebewesen mit dem Atemwasser aufgenommen werden können. Wie im Experiment nachgewiesen wurde, übt jedoch selbst reines Celluloseacetat in genügend hoher Dosierung eine toxische Wirkung aus. Wie die Studie von Novotny zeigt, werden von größeren Tieren auch vollständige Zigarettenmundstücke verschluckt.
Doch es gibt noch einen anderen Grund, weshalb Zigarettenkippen eine enorme Umweltbelastung darstellen: ihre schiere Menge. Thomas Novotny: „Bei Reinigungsaktionen in Städten und an Stränden machen sie ein Drittel des gesamten Mülls aus, den freiwillige Helfer einsammeln.“ Untermauert wird diese Aussage durch drastische Zahlen im Ocean Conservancy Jahresbericht 2011. Laut dieser Organisation, die sich seit fünfundzwanzig Jahren der Reinhaltung von Meeren und Stränden widmet, werden bei jedem International Coastal Cleanup an einem einzigen Tag weltweit über zwei Millionen Zigarettenkippen allein von den Strandbereichen der Meere gesammelt. Die Zahl der bisher im Rahmen der Cleanups aufgesammelten Kippen beläuft sich auf insgesamt rund dreiundfünfzig Millionen.
Eine ökologische Zeitbombe
Somit stellt die Hinterlassenschaft der Raucher neben den ebenfalls allgegenwärtigen Plastiktüten und Kunststoffflaschen eine der gewaltigsten Umweltbelastungen dar. Nach des Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden werden allein in Deutschland Jahr für Jahr über zweihundert Milliarden Zigaretten produziert (aneinander gelegt ergäben die Glimmstängel eine Strecke von 17.360.000 Kilometer; das entspricht der fünfundvierzigfachen Entfernung des Mondes von der Erde). Die wahre Zahl der jährlich auf der ganzen Welt wild entsorgten Zigarettenkippen muss demnach im wahrsten Sinne des Wortes von „astronomischer“ Dimension sein. Angesichts der vermutlich unvorstellbar hohen Zahl weggeworfener Zigarettenfilter plädiert Ocean Conservancy deshalb dafür, die Strandbereiche weltweit zu rauchfreien Zonen zu erklären.