Zu den Kontexten des Demokratielernens gehören nach Edelstein Gelegenheiten zum Erwerb von Kompetenzen für demokratisches Handeln.
Die Gestaltung des Schullebens, durch Kooperation mit dessen Akteuren, aber auch mit außerschulischen Partnern, die Gelegenheit zur Partizipation, zur Übernahme von Verantwortung und zur Mitarbeit im Gemeinwesen trägt zu einer schulischen Lernkultur bei. Eine demokratieförderliche schulische Lernkultur wird durch Aushandlungs-, Feedback- und Konfliktlösungsprozesse gekennzeichnet, vor allem durch die Verständigung über Erfahrungen von Schülern und Lehrpersonen im Unterricht oder in Situationen der Leistungsbewertung. Eigenständig Konflikte lösen und Verantwortung übernehmen.
Selbstvertrauen in just communities
Für die angestrebte Entwicklung von Selbstvertrauen („Überzeugung eigener Wirksamkeit“) und sozialer Verantwortungsbereitschaft sind insbesondere Projekte wichtig, da sie autonomes Handeln, die Nutzung moderner Medien und Informationsquellen sowie die Interaktion in heterogenen Gruppen trainieren, wobei es sich um zentrale Schlüsselqualifikationen für das zeitgenössische Berufsleben handelt. „Zu einer demokratischen Schulkultur gehören die Organisation von Mitbestimmungsprozessen und die Mitwirkung an Selbstverwaltungsgremien und -institutionen, insbesondere der Klassenrat als basisdemokratische Form kollektiver Aushandlungs- und Entscheidungsprozesse“ (Edelstein).
Die Jugendlichen lernen, selbstbestimmt zu handeln und ihre Gemeinschaft in just communities zu organisieren. Jahrgangsversammlungen, Schulparlament oder Schülervertretung spielen gesellschaftlich demokratische Mitbestimmung im Kleinen nach und vermitteln soziale, moralische und demokratische Kompetenzen und Werte. Auf diesem Wege erwerben die Schülerinnen und Schüler Orientierungen und Einstellung und lernen sich für selbige effektiv und gewaltfrei einzusetzen. Die Schule soll einen überschaubaren Erfahrungsraum darstellen, der Gelegenheit bietet, im Kleinen durchaus als Ernstfall einzuüben, was hernach im Großen die zivilgesellschaftliche Praxis bestimmen soll.
Grenzen der Mediation
Das Konzept der Mediation ist in ihrer grundsätzlichen Philosophie abhängig von der Konfliktfähigkeit der einzelnen Personen (Mikroebene). Schülerinnen und Schüler, die aufgrund einer psychosozialen Schwäche nicht in der Lage sind, diese zu erwerben, fallen aus dem Raster des Konzepts heraus. Ähnliches gilt für die Mesoebene der Klasse beziehungsweise der Schule und ihrem Umfeld: Sind die Bedingungen zu stark von Konfliktpotentialen beeinträchtigt, können diese die Gruppe dauerhaft spalten und die Demokratiepädagogik greift nicht mehr, da sie nicht länger auf den Willen und den Einsatz der Jugendlichen bauen kann (Konfliktfestigkeit, Konfliktkultur). Schließlich spielen auch die übergeordneten, landesweiten Einrichtungen und deren Entscheidungen eine wesentliche Rolle für die Chancen der Mediation. Nur wenn auf der Makroebene Räume geschaffen werden, in denen die Schülerinnen und Schüler auch außerhalb des Schullalltags demokratische Partizipation erfahren können, gelingt es ihnen, die Relevanz des in der Schule gelebten Konzepts auf ihre private Lebenswelt zu übertragen.
Abgesehen von der Tatsache, dass bestimmte Charaktere für die Mediation nicht (mehr) zugänglich sind, muss als Konsequenz aus dieser Erkenntnis auch offen gestanden werden, dass das Konzept auf bestimmte Schularten begrenzt ist (höheres Bildungsniveau außerhalb sozialer Brennpunkte). Des Weiteren stellen große Klassen, die Rolle des Lehrers, der zum Coach wird, und der erhebliche Zeitfaktor Einschränkungen dar. Die Mediation ist, wie viele Konzepte der Demokratiepädagogik, doch eher ein Idealtypus, indem nur die ohnehin “weniger hoffnungslosen Problemfälle“ Konfliktsysteme und -schemata erkennen und ihre Empathie trainieren, wenn man diese Philosophie rechtzeitig und kontinuierlich, zum Beispiel in Projektwochen vermittelt. Für Probleme fortgeschrittenen Konfliktpotentials, beispielsweise in einer negativere Konfliktkultur, sind Maßnahmen notwendig, die weniger Eigeninitiative erfordern, was nun allerdings keiner nachträglichen Rehabilitation der harten Erziehung des cool in school-Projekts gleichkommen soll, sondern vielmehr den schwer zu findenden aber goldenen Mittelweg fordert.
Demokratiepädagogik im Vergleich zur konfrontativen Pädagogik
Konzepte der konfrontativen Pädagogik wie das cool in school-Training können zu keinem langfristigen Erfolg führen, denn das Problem ist es ja eben gerade, dass viele gewalttätige Jugendliche Unterwerfungsvorstellungen durch Provokation begegnen, weil sie die Unterwerfung, die im Wesentlichen auf willenlosen Gehorsam setzt, mit Recht verweigern. Die Erniedrigung eskaliert entweder in erneuter Gewalt, dann eventuell auch selbstverletzend, aufgrund des eingetrichterten Schuld- und Schamgefühls und der fehlenden anschließenden Begleitung zur Verarbeitung oder sie hat nur eine vorübergehende, da extrinsisch motivierte, Erfolgschance, die aus purem auf Angst aufgebauten Gehorsam besteht und keine persönliche Weiterentwicklung beinhaltet. Aber auch die Demokratiepädagogik mit dem Weg der Mediation hat in der Anwendbarkeit ihre Grenzen: Wenn die Entwicklung des delinquenten Jugendlichen bereits zu weit fortgeschritten ist, da ihm dann auf diesem auf Mitarbeit beruhendem Wege nicht mehr beizukommen ist.
Für Schulen in sozialen Brennpunkten ist dieses Vorgehen also lediglich dann empfehlenswert, wenn man bereits bei den Kleinsten beginnt und die pädagogischen Maßnahmen regelmäßig zur Auffrischung und Erweiterung des Verständnisses wiederholt. Auch die “weichere“ Demokratiepädagogik setzt Regeln und zeigt Grenzen auf, aber sie verurteilt nicht rigoros, sondern veranschaulicht und begleitet. Ein deutlich menschlicherer und somit pädagogisch wertvollerer Weg! Verständnis und Konsequenz schließen einander schließlich keineswegs kategorisch aus, sondern ergänzen sich zum vermutlich einzig effektiven Weg gegen jugendliche Gewalt an Schulen oder im privaten Bereich. Sind die Schülerinnen und Schüler jedoch nicht in der Lage oder willens, ihr Fehlverhalten selbst zu erkennen und Wege der Verbesserung zu finden, dann muss über eine andere pädagogische Maßnahme, diese Erkenntnis und Entwicklung erzwungen werden, auch wenn das zunächst eine Isolation und/oder Bestrafung erfordert. Jedoch soll diese nicht Selbstzweck sein, sondern lediglich den Konflikt entschärfen und die Grenze verdeutlichen, indem die Konsequenz ihrer Überschreitung anschaulich wird.
Im Anschluss müssen jedoch zwingend eine Analyse des Konflikts und eine erläuternde Vermittlung durch einen objektiven Dritten erfolgen, damit der Delinquent nicht lediglich seine Strafe “absitzt“, sondern auch für die Zukunft lernt. Allein eine emphatische Zuwendung kann Jugendliche hierbei dazu bringen, ihre Verfehlungen auch selbst zu erkennen und damit den inneren Wunsch, sich zu ändern, entstehen zu lassen, ohne den niemand sich langfristig verändern kann. Man vergleiche zum Beispiel auch Raucherentwöhnung, Alkoholiker-Selbsthilfegruppen oder Essstörungs-Therapiezentren, die allesamt den freien Willen des “Patienten“ voraussetzen. Das entspricht im Groben dem Konzept des bereits erwähnten Mittelwegs, der die Härte der Konsequenz mit der Prävention der Konfliktanalyse verbindet. Für das, was vom alten Männlichkeitsbild noch übrig ist und die zahlreichen, modernen Konflikträume, die sich hier heutzutage auftun, brauchen junge, heranwachsende Männer des weiteren eine flankierende Begleitung, ein Rollenmodell, aber keine starren Vorgaben, denn das passt schon längst nicht mehr in unsere Zeit und das Gleiche muss auch auf die jungen Mädchen und das Bild der modernen Frau übertragen werden.