Ähnlich wie bei Fahrzeugen, die bei schlechter Pflege durchrosten, können auch Zinngegenstände durch entsprechende chemische Prozesse zerstört werden.
Gegenstände aus Zinn sind stabil und fast ewig haltbar, sollte man meinen. Dem ist aber nicht so. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden in einem Lager einer Stadt Armeeuniformen aufbewahrt. Bei einer spontanen Kontrolle wurde festgestellt, dass sämtliche Zinn-Knöpfe an den Uniformen verschwunden waren. Es war statt der Knöpfe nur noch ein pulveriger Dreck vorhanden. Nun dauerte es eine Weile, bis entsprechende Sachverständige die Zinnpest als Ursache fest stellten. Es gibt also neben den normalen Zerstörungen durch Gewalt noch zwei andere, für Zinn schädigende chemische Prozesse.
Der sogenannte Zinnfraß kann Zinngegenstände vernichten
Beim Zinnfraß handelt es sich um einen elektrochemischen Korrossionsvorgang. Er wird vom ungleichmäßigen Einwirken aggressiver Stoffe ausgelöst. Dies können auch fremde Metalle sein. Es entstehen schwarze, raue und poröse Flecken auf der Zinnoberfläche. Dieses gut sichtbare Merkmal wird bei den Zinn-Restauratoren auch „ausblühen“ genannt. Durch mechanische Beseitigung oder mit irgendwelchen Putzmitteln ist der Zinnfraß nicht aufzuhalten. Eine Bekämpfung dieser Korrosion ist nur durch eine elektrolytische Spezialbehandlung bedingt möglich.
Ebenso kann die Zinnpest wertvolles Zinn zunichte machen
Bedeutend häufiger als der Zinnfraß kommt die Zinnpest vor. Diese Zinnpest ist durch dunkel gefärbte Aufblähungen erkennbar. Bei Berührung solcher Stellen mit einem harten Gegenstand zerfallen diese Stellen zu schwarz grauem Pulver. Es handelt sich um Allotropie. Es ist die Eigenschaft eines chemischen Stoffes, in verschiedenen festen Zustandsformen vorzukommen, wie zum Beispiel Kohlenstoff als Graphit und Diamant. Diese chemische Reaktion wird durch Kälteeinwirkung begünstigt. Der Umwandlungsprozess in eine graue, pulverige, nichtmetallische Modifikation ist auf die Umwandlung von der tetragonalen in die kubische Kristallform zurück zu führen. Es ist die Erscheinungsform eines Stoffes mit gleichen chemischen, aber unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften. Das Atomgitter ändert sich sofort, wenn reines Zinn mit Blei, Antimon, Wismut oder anderen Elementen legiert wird. Dadurch lässt sich mancher Widerspruch in der Beurteilung der Ursachen erklären. Es wird oft bestritten, dass die Kälte schädigenden Einfluss auf Zinngeräte hat. Haben doch Zinngeräte in ungeheizten Kirchen viele Jahrzehnte unbeschädigt überdauert. Deshalb ist bei den Beurteilungen immer die Zinnlegierung zu berücksichtigen.
Kann die Zinnpest auf andere Gegenstände übertragen werden?
Inzwischen konnte mit großer Sicherheit festgestellt werden, dass die Zinnpest von einem befallenen Zinngegenstand auf einen gesunden Zinngegenstand nicht übertragen wird. Mehrere Sachverständige äußerten sich übereinstimmend, dass keine Übertragung statt findet. Selbst bei Versuchen, bei denen gesunde und befallene Teller jahrelang zusammen gepresst wurden, zeigte sich keinerlei Übertragung. Die Zinnpest befällt das Feinzinn mit dem höchsten Reinheitsgrad am stärksten. Reinzinn hat den hellsten Farbton. Je mehr Blei das Zinn enthält, umso dunkler wird es. Das so genannte Probezinn mit zehn Prozent und mehr Bleigehalt bleibt völlig frei von der Zinnpest. Oft wird von den Zinngießern wegen der besseren Gießfähigkeit Wismut beigemischt. Zinnfiguren, welche mit Wismutlegierung gegossen sind, bleiben stets völlig frei von der Zinnpest. Dadurch sind viele historische Zinnfiguren über die Jahrhunderte bis heute einwandfrei erhalten geblieben.