Obwohl die Anzahl der Todesfälle bei Brustkrebs sinkt, steht die Früherkennung mittels Mammographie damit nicht in Zusammenhang. Eine Vergleichsstudie.
Das Mammographie-Screening als Maßnahme zur Früherkennung von Brustkrebs ist in vielen europäischen Ländern fest etabliert, auch wenn gar nicht so ganz klar ist, ob es eigentlich hilfreich ist oder nicht. Wissenschaftler aus Frankreich, Nordirland und Norwegen haben nun in einer ländervergleichenden Studie untersucht, ob die Mammographie einen Einfluss auf die Zahl der Brustkrebstoten hat und wenn ja welchen. Am 28. Juli 2011 veröffentlichten sie im British Medical Journal das verblüffende Ergebnis: die Zahl der Toten geht seit Jahrzehnten in allen untersuchten Ländern zurück, es gibt aber keinen direkten Zusammenhang mit der Früherkennung per Mammographie.
Krebsfrüherkennung in der Gynäkologie
Krebserkrankungen sind in der Medizin ein wohlbekanntes Thema, kaum ein Fachgebiet kommt ohne die entarteten Zellen aus und die Folgen, die diese haben können. Die Früherkennung von Krebs ist daher ein großes Thema, weil man ganz schlicht von einer logischen Überlegung ausgeht: Erkennt man eine Krebserkrankung frühzeitig, kann man auch schneller eingreifen, die Überlebensraten erhöhen sich.
In der Gynäkologie, wo die Anzahl der Früherkennungsuntersuchungen besonders hoch ist, werden diese den Frauen schon ab dem 20. Lebensjahr angeboten, gestaffelt nach Alter und Vorerkrankungen für verschiedene Organe. Die Zahl der Todesfälle wegen Gebärmutterhalskrebs hat seit der Einführung der Früherkennung deutlich abgenommen, dieser Trend ist auch in anderen europäischen Ländern zu verzeichnen, obwohl der dazu standardmäßig angewendete PAP-Test auch nicht unumstritten ist.
Zur Früherkennung von Brustkrebs werden Tastuntersuchungen angewendet, bei unklaren Befunden und in höherem Lebensalter kommen Mammographien hinzu, Röntgenuntersuchungen des Brustgewebes. Im Grunde kann man auf den dort entstandenen Bildern sehr früh Veränderungen der Brust gut erkennen, das Lesen und Interpretieren der entstandenen Bilder ist allerdings eine knifflige Angelegenheit und lässt viel Spielraum für falsch positive Befunde.
Das Mammographie-Screening in Europa
In Deutschland gibt es seit 2004 ein sogenanntes Mammographie-Screening für alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, sie werden systematisch alle zwei Jahre dazu eingeladen. Auch in anderen europäischen Ländern wurden diese Reihenuntersuchungen eingeführt, zu ganz verschiedenen Zeitpunkten. Und hier greift die Studie der Mediziner: Wenn das Mammographie-Screening wirklich Auswirkungen auf die Zahl der Brustkrebstoten hat, dann müsste ein Ländervergleich diesen zu Tage fördern. Aus sechs europäischen Ländern wurden drei Länderpaare gebildet, die vergleichbar sind in den Bereichen Risiken für Brustkrebssterblichkeit, Gesundheitswesen und sozioökonomischer Status, sich aber in einem Fakt unterscheiden, dem Zeitpunkt der Einführung eines Mammographie-Screenings. Zwischen 1989 und 2006 erstreckte sich der Beobachtungszeitraum, untersucht wurden die Länderpaare Niederlande-Belgien und Flandern, Nordirland-Republik Irland und Schweden-Norwegen. Im jeweils ersten Land eines Paares wurde das Screening zwischen zehn und 15 Jahren früher eingeführt als im zweiten.
Erfreulicherweise nehmen die Zahlen der Brustkrebstoten ab, auch ohne Mammographie-Screening
Anhand von Statistiken über die Sterblichkeitsraten bei Brustkrebs von der Weltgesundheitsorganisation WHO ermittelten die Forscher, dass in den untersuchten Ländern die Zahlen kontinuierlich sanken, und zwar in allen und das ganz unabhängig vom Beginn des Screenings. Zudem war die größte Abnahme von Brustkrebstoten in einer Altersspanne zu sehen, die in den meisten Reihenuntersuchungen gar nicht eingeschlossen ist, so auch in Deutschland – Frauen zwischen 40 und 49 Jahren starben am Ende des Untersuchungszeitraumes deutlich weniger oft an Brustkrebs als am Anfang.
Die Brustkrebssterblichkeit sank in den untersuchten Ländern insgesamt zwischen 16 und 29 Prozent. In den Niederlanden sank die Zahl der Todesfälle um 25 Prozent, in Belgien dagegen um 20, in Flandern ebenfalls um 25 Prozent. Nordirland verzeichnete einen Rückgang um 29 Prozent, die Republik Irland folgte dicht mit 26 Prozent. Im Länderpaar Schweden-Norwegen ergab sich das Verhältnis 16 zu 24 Prozent.
Wenn nicht das Mammographie-Screening die Brustkrebssterblichkeit senkt, was dann?
Da die Mammographie ganz offensichtlich nicht der Grund für den Rückgang der Brustkrebstoten ist, muss es andere Gründe geben. Die Forscher vermuten, dass es die insgesamt verbesserten Krebstherapiemöglichkeiten sind, die in den letzten Jahrzehnten das Leben der Betroffenen bei deutlich höherer Lebensqualität verlängert haben. Zudem sind die medizinischen Versorgungssysteme leistungsfähiger geworden und auch besser vernetzt, die effektivere Nutzung derer wird ebenfalls als plausibler Grund angenommen.