Neue Windkraftanlagen mit Nabenhöhen von 120 Meter und mehr. Über 120 Meter hoch werden neue Turmkonstruktionen für Windenergieanlagen. Höhere Energieausbeute ist der Lohn für den Höhenflug der Windturbine.
Die Windmüller möchten hoch hinaus. Denn jeder Meter, den sie höher in die Atmosphäre vordringen können, wird mit einer besseren Ausbeute belohnt. Das hat mit dem Aufbau der erdnahen Luftschichten zu tun. Der untere Luftraum wird Prandtl-Schicht genannt und reicht etwa 60 Meter hoch. In dieser Schicht nimmt die Windgeschwindigkeit mit der Höhe zunächst sehr schnell zu. Dann flaut der Zuwachs aber auch schnell ab. Außerdem sorgen die Hindernisse wie Wälder und Siedlungen für Störungen des Lufttransports. Darüber liegt die Ekman-Schicht. Hier bewegt sich die Luft schneller und mit wesentlich weniger Turbulenzen.
Windkraft aus sehr hohen Hybridtürmen
Zwei neue Windkraftanlagen stoßen in Deutschland in neue Höhen vor. Bei Grevenbroich erbaut die juwi-Gruppe einen Hybridturm mit einer Nabenhöhe von 133 Metern. Und nur wenig niedriger ist mit 120 Metern Nabenhöhe der Turm aus dem Hause Nordex bei Iven in Mecklenburg-Vorpommern. Beide Türme sind so genannte Hybridtürme. Sie haben ein Unterteil aus Beton, das sich etwa 60 Meter aus dem Untergrund erhebt. Auf diesen Sockel wird dann der übliche Stahlturm einer Windenergieanlage montiert. So wird dann eine Nabenhöhe von 120 Metern und mehr erreicht.
Die übliche Bauweise aus Stahlrohren ist bei diesen Höhen nicht möglich. Denn ein solch hoher Stahlturm müsste am Fuß einen Durchmesser von über 4 Metern haben. Technisch eigentlich kein Problem, aber logistisch. Solch große Teile lassen sich nicht auf der Straße transportieren.
Die juwi-Anlage auf dem Testfeld Grevenbroich
Bei Grevenbroich, vor den Toren Düsseldorfs und in Sichtweite der Braunkohlenkraftwerke bei Frimmersdorf und Neurath, wurde ein Testgelände für Windenergieanlagen eingerichtet. Hier werden neue Propeller, Türme und weitere Komponenten einer Windkraftanlage getestet. Auf diesem Gelände wird derzeit eine der größten Windenergieanlagen auf einem Hybridturm errichtet. Der Sockel des neuen Hybridturms wird aus Betonfertigteilen des niederländischen Turmbauspezialisten Advanced Tower Systems (ATS) zusammen gesetzt. Der obere Bereich des Turms wird aus serienmäßigen Stahlelementen errichtet. So erreicht die Anlage bei Grevenbroich eine Nabenhöhe von 133 Metern und eine Gesamthöhe von 180 Metern.
„Der innovative Turm erlaubt große Nabenhöhen und damit höhere Energieerträge bei vergleichsweise niedrigen Gesamtkosten und ist zudem leicht zu transportieren“, hebt ATS-Geschäftsführer Frans Brughuis die Vorzüge des Pilotprojektes hervor. Nach den Angaben des Erbauers bringt diese Anlage gegenüber der weit verbreiteten Nabenhöhe von 100 Metern einen um rund 20 Prozent höheren Energieertrag. So amortisieren sich die höheren Aufwendungen für die Errichtung des Turms sind bereits in etwa vier Jahren. Daraus ergeben sich im Vergleich zu den heute üblichen Systemen unter dem Strich deutlich geringere Stromerzeugungskosten. Das ist vor allem an Standorten im Binnenland von Bedeutung. So kann die Windenergie neue Potenziale erschließen. Der ATS-Sales-Manager Johannes Bietz: „Durch das innovative Konzept lässt sich noch wirtschaftlicher als bisher effektiver Klimaschutz betreiben.“
Den größten Vorteil ihres Bauprinzips sehen die Leute von ATS darin, dass die Elemente des Hybridturms ohne aufwändige Spezialtransporte auch an unwegsame Standorte zu bringen sind. Der Turm ist außerdem schnell aufgebaut und kann mit verschiedenen Turbinensystemen bestückt werden. Und Monika Krämer, Geschäftsführerin der Windtest Grevenbroich GmbH, fügt hinzu: „Wir sind stolz und freuen uns sehr, dass auf unserem Areal ein solch zukunftsweisendes Projekt realisiert wird.“
Die Anlagen von Nordex bei Iven in Mecklenburg-Vorpommern
Etwas weiter ist der Entwicklungsstand beim Windanlagenbauer Nordex aus Norderstedt. Hier wird allerdings ein etwas anderes Konzept verfolgt als in Grevenbroich. Der Betonsockel des Hybridturms erreicht eine Höhe von etwa 60 Metern. Dieser Turm wird direkt auf dem Fundament der Anlage vor Ort gegossen und vorgespannt. Darauf werden dann drei Stahlturmsektionen aus der modularen Turmbaureihe errichtet. So wird die Gesamthöhe von etwa 120 Metern erreicht.
Der Anlagenbauer sieht als großen Vorteil, dass durch die Herstellung des Betonsockels vor Ort der Transportaufwand von Fertigteilen entfällt. Und die Standard-Turmsektionen können mit herkömmlichen Fahrzeugen transportiert werden. Zudem wird eine ausreichende Eigenfrequenz der Gesamtanlage sichergestellt, da der Ortbetonteil im unteren Bereich des Hybridturmes im Durchmesser beliebig angepasst werden kann. Außerdem erlaubt der Durchmesser des Turmfußes von circa 8 Metern die Montage von Transformator, Hauptumrichter und Mittelspannungsschaltanlage auf einer Ebene. Das erleichtert die Montage dieser Komponenten und verbesserte die Zugänglichkeit für den Service.