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Wie wir besser kommunizieren können

Die vier Seiten einer Nachricht nach Friedemann Schulz von Thun. Jede Aussage enthält eine Sachebene, eine selbstoffenbarende Ebene, eine Beziehungsebene und eine Appellebene. Wenn wir das wissen, ist Streit leichter zu vermeiden.

Jeder erlebt es hundertfach im Alltag: Wir machen eine Aussage, aber an der Reaktion merken wir, dass die Nachricht vom Empfänger völlig anders verstanden wird, als intendiert war. Häufig resultiert aus solchen Missverständnissen ein Streit. Wer hat nun Schuld an dieser Misere? Und wie kann man solche Situationen verändern?

Die vier Seiten einer Nachricht

Zunächst einmal ist es hilfreich sich klarzumachen, dass jede Nachricht, die wir dem Gegenüber übermitteln, verschiedene Botschaften enthält. Je nach dem, wie der Empfänger tickt, wird er für verschiedene Facetten einer Nachricht empfänglicher oder empfindlicher sein. Friedemann Schulz von Thun, Psychologe und Kommunikationswissenschaftler, unterscheidet in seinem mittlerweile zum Klassiker gewordenen Kommunikationsratgeber sehr hilfreich die vier Seiten einer jeden Nachricht: Jede Aussage enthält demnach eine Sachebene, eine selbstoffenbarende Ebene, eine Beziehungsebene und eine Appellebene.

Die Sachebene

In der Sachebene ist die reine Information enthalten, die in einer Aussage steckt. Wenn in Loriots Sketch der Mann seiner Frau, während sie beim gemeinsamen Frühstück sitzen, mitteilt: „Das Ei ist hart“, so will er sie möglicherweise nur über den Zustand seines Frühstückseies informieren.

Die Selbstoffenbarung

Natürlich sagt der Mann in diesem Beispiel aber auch etwas über sich selbst aus. Ohne dasses unbedingt in seiner Absicht liegt, erfährt der Zuhörer unter anderem, dass dieser Mann frühstückt, dass er deutsch spricht, dass er den Zustand seines Frühstückseies wahrgenommen hat und so weiter. Er präsentiert sich also als ganze Person und hinterlässt in Sekunden einen bestimmten Eindruck.

Die Beziehungsebene

In Loriots Sketch reagiert die Frau auf den Kommentar des Mannes unwirsch. Sie fühlt sich offenbar in ihrer Hausfrauenrolle herabgewürdigt, weil sie die Bemerkung: „Das Ei ist hart“ mit Erklärungsversuchen kontert, die den vermeintlichen Vorwurf zurückschmettern. Sie sagt so etwas wie: „Aber du willst es doch immer vier Minuten gekocht haben!“ Auf der Beziehungsebene hört die Frau aus der Bemerkung des Mannes heraus, er halte sie für eine schlechte Ehefrau oder Köchin. Ihr „Beziehungsohr“ filtert aus dem Gespräch heraus, was ihr Ehemann über die als Mensch denkt. Für diese Seite einer Nachricht sind die meisten Menschen sehr sensibel. Sie wollen heraushören: Was hält der andere von mir? Hier gibt es besonders häufig Konflikte.

Die Appellebene

Der Kommentar des Mannes über sein Frühstücksei hat auch eine Appellseite. Wie bei fast jede Nachricht wollen wir auf unser Gegenüber Einfluss nehmen. In unserer Beispielsituation würde die Appellseite etwa Folgendes ausdrücken: „Achte das nächste Mal darauf, dass das Ei kürzer kocht“. Möglicherweise findet die Ehefrau die Aussage auf der Appellseite völlig in Ordnung, reagiert aber auf der Beziehungsebene gegen einen (vermeintlichen) Vorwurf.

Die vier Ohren des Empfängers

Wie dieses Beispiel deutlich zu machen versuchte, kann der Empfänger einer Nachricht eine oder mehrere Botschaften innerhalb einer Aussage wahrnehmen, weil der Empfänger unbewusst oder ungewollt immer auf verschiedenen Ebenen spricht. Neben der Sachinformation, der er zustimmend oder ablehnend gegenüber steht, nimmt er auch wahr, wie der andere mit ihm auf einer Beziehungsebene redet, wozu ihn der Gesprächspartner animieren oder zwingen möchte und was der andere über seine eigene Person preisgibt. In der Macht des Empfängers liegt es nun, auf welche Seite der Nachricht er reagiert. Wenn die Frau auf der Sachebene reagiert, würde sie so etwas sagen wie: „Tatsächlich?“ oder „Wirklich? Mein Ei ist weich.“ Wenn sie mit dem Selbstoffenbarungsohr hinhört, wird sie vielleicht bemerken, dass ihr Mann sehr genau überprüft, was er isst und ihn vielleicht fragen, wie seine sonstigen Gewohnheiten sind. Ihre Beziehungsohr hört jedoch, dass er ihre Fähigkeiten in Frage stellt. Daher antwortet sie: „Man kann es dir einfach nicht Recht machen!“ Würde sie auf die Appellebene reagieren, würde sie wahrscheinlich schlicht sagen: „Morgen früh werde ich es weniger lang kochen lassen.“

Kommunikationsfallen

Der Sender einer Nachricht muss sich über die vier Seiten seiner Nachricht im Klaren sein. Wenn er zum Beispiel die Sachebene „missbraucht“, um eine Beziehungsnachricht zu senden oder einen indirekten Appell an den Empfänger zu übermitteln, kann es Schwierigkeiten geben. Häufig genug wird auch die Sachebene akzeptiert, jedoch die Art und Weise der Kommunikation abgelehnt. Man denkt sich dann vielleicht: „Wie kann mein Gegenüber nur so mit mir sprechen? Hält er mich für blöd/langweilig/unfähig?“ und reagiert entsprechend abweisend. In „Miteinander reden“ stellt der Psychologe Friedmann Schulz von Thun verschiedene problematische Kommunikationssituationen dar und erklärt und entschärft sie mit Hilfe seines Kommunikationsmodells. Von „Miteinander reden“ sind drei Bände erschienen.

Erste Hilfe bei missverständlicher Kommunikation

Als Hilfe für alle, die einen schnellen Rat bei eskalierende Gesprächssituationen benötigen, hat sich das Nachfragen bewährt. Wenn die Botschaft des Gesprächspartner verletzt, sollte man gezielt nachfragen: „Wie hast du das gemeint: Das ist schon das dritte Stück Torte? Willst du mir damit sagen, dass ich zu dick bin?“ Oder: „Wie hast du das gemeint, du müsstest heute arbeiten? Ich glaube jetzt, du hast keine Lust, Zeit mit mir zu verbringen.“ Solche Fragen entschärfen eine Situation. Der Sender kann seine Botschaft verdeutlichen, korrigieren oder erklären, wodurch Verletzungen vermieden werden.