Zwar ist die gesellschaftliche Akzeptanz für die Betreuung von Kindern unter drei gestiegen, doch Eltern verbinden mit der Fremdbetreuung immer noch Ängste.
Es gibt zahlreiche und unterschiedliche Gründe, weshalb sich Eltern für Kinder unter drei Jahren eine institutionelle Betreuung wünschen. Allen jedoch ist wichtig, dass es ihren Kindern in der Einrichtung gut gehen soll. Gemeinsam haben sie sicher auch, dass ihre Sprösslinge dort etwas lernen. Aber Eltern haben auch Ängste, wie Anna Spindler in ihrem Aufsatz „Bildung für Kinder unter drei Jahren – was bedeutet das?“, erschienen in dem Buch „Frühkindliche Bildung“ schreibt. Vor allem fürchten sie eine Verschlechterung der Beziehung zu ihren Kindern. Der Sammelband, von Anna Spindler und Gunter Geiger herausgegeben, ist übrigens 2016 als Zusammenfassung einer Reihe von Fachtagungen im Bonifatiushaus in Fulda erschienen. Die wichtigste Erkenntnis: Eine qualitativ hochwertige frühe Betreuung von Kindern unter drei Jahren schadet ihnen nicht.
Die Beziehung zwischen Erzieherinnen und Kindern und von Kindern untereinander
Kinder können und wollen neben den Beziehungen zu ihren Eltern weitere Bindungen aufbauen. Das jedenfalls ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt. Seien es nun Großeltern und andere Verwandte oder eben Erzieher und Erzieherinnen. Davon profitieren Kinder, die dabei gemachten Erfahrungen stärken ihre Identität, in besonderer Weise übrigens dann, wenn die Bindung zur eigenen Familie eher unsicher ist. Damit gerade das nicht passiert, sollten Eltern vor allem darauf achten, dass trotz Haushalt und anderer notwendiger Arbeiten immer noch genügend Zeit fürs Spielen, Vorlesen oder andere kindgemäße Aktivitäten bleibt. Denn dies, so die Experten, ist für den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Kindern und Erzieherinnen unumgänglich. Allerdings sollte sie von feinfühliger und liebevoller Kommunikation gekennzeichnet sein. Außerdem müssten Kinder ermutigt werden, ihre Umgebung zu erkunden, mit anderen Kindern zu spielen oder die Altersgenossen kennenzulernen. Explorationsunterstützung nennen die Fachleute das. Vor allem vom Umgang mit Gleichaltrigen profitieren die Einzelkinder von heute auch schon unter drei Jahren und fühlen sich gerade dann richtig wohl.
Erzieher müssen sich auf das jeweilige Alter des Kindes einstellen
Babys und Kleinkinder sind Lernweltmeister. Sie legen bei entsprechender Förderung und Umgebung ein unglaubliches Entwicklungstempo vor. Erzieherinnen müssen nur wissen, wie die bedeutsamen Entwicklungsschritte in dieser Altersphase aussehen und sich auf das jeweilige Alter einstellen. So ist für Säuglinge vor allem die unmittelbare Umgebung wichtig, sie nehmen ihre Umwelt sinnlich wahr, haben eine angeborene Vorliebe für menschliche Gesichter und genießen Berührungen. Zudem explodieren ihre motorischen Fähigkeiten, sie lernen zu robben, frei zu sitzen und zu krabbeln. Nicht selten gelingen ihnen am Ende des ersten Lebensjahres bereits die ersten Schritte. Dann geht‘s erst richtig los. Einjährige können und wollen alles erkunden. Davon lassen sie sich höchst ungern abhalten, doch wenn sie sich erschrecken, kehren sie schnell wieder in die Nähe der Bezugsperson zurück. Für Eltern oder andere Bezugspersonen heißt dies ständig in Hab-Acht-Stellung zu sein. Im zweiten Lebensjahr wartet eine weitere Herausforderung, von Eltern gerne Trotzalter genannt. Denn manch harmloser Einkauf kann sich schnell in einen Horrortrip verwandeln, weil die lieben Kleinen ausgerechnet an der Kasse wegen eines bunten Lutschers einen Aufstand machen. Entwicklungspsychologen reden statt vom Trotzalter lieber von der Entdeckung des eigenen Ich. Kinder, so sagen sie, fangen nun an, sich als autonome Person mit eigenem Willen zu begreifen.
Wie lernen Kinder?
Sie lernen vor allen Dingen viel und bedienen sich dabei unterschiedlicher Methoden. Die früheste Form des Lernens besteht aus Gewöhnung. Das Baby erschreckt sich beim ersten lauten Niesen des Vaters, wird sich jedoch nach und nach daran gewöhnen und auf die Explosionen nicht weiter reagieren. Zudem beobachten Kinder ungeheuer viel und experimentieren. Davon können viele Eltern ein Lied singen. Viele der Sprösslinge lieben vor allem das „Ich schmeiß runter, du hebst auf“-Spiel. In ihren Hochstühlen thronend, werfen sie ihr Kuscheltier gerne auf den Boden, um es sich von den Eltern wieder zurückgeben zu lassen. Und das gerne mehrfach hintereinander. Aber auch das Lernen durch Belohnung kann vorkommen. So können schon zwei Monate alte Kinder den Zusammenhang zwischen der Bewegung ihrer Hand und der Bewegung eines Mobiles erkennen, weil, zufällig entdeckt, ihnen die Bewegung der bunten kleinen Aufhängsel gefallen hat und für sie wie eine Belohnung wirkt.
Bildungsprozesse und Bildungschancen
Worauf müssen Erzieherinnen bei der Gestaltung frühkindlicher Lernprozesse achten? Vor allem auf die Befriedigung der physischen Grundbedürfnisse. Die lieben Kleinen dürfen nicht hungrig, durstig oder müde sein. Außerdem brauchen sie den Austausch mit Bezugspersonen. Bildung braucht Bindung. Wenn Kinder wissen, dass ihre Eltern oder Erzieherinnen für sie ansprechbar sind, dann lassen sie sich gerne auf die Erkundung von Unbekanntem ein. Planen kann man das nicht, das meiste entwickelt sich spontan, im Alltag, während des Spielens. Spielen und lernen im Kleinkindalter sind eins, gerade deshalb gilt es hier Anregungen zu geben. Naturmaterialien sind schon für Säuglinge interessant. Auch Alltagsgegenstände, wie Telefone oder Küchengeräte oder Verkleidungsmaterialien, kurz alles was Spaß macht und die Fantasie belebt. Weniger das industriell gefertigte Spielzeug. Sogar Routinen können zur Bildungsanregung genutzt werden, sei es das Windeln wechseln, das Baden oder andere Pflegetätigkeiten. Sie sind geeignet, dem Kind Kompetenzen und Zuwendung zu vermitteln. Auch Alltagstätigkeiten wie Putzen oder Backen ermöglichen Lernerfahrungen. Kinder können zählen, etwas berühren oder tragen helfen. Alles, was das Selbstbewusstsein stärkt und Kompetenzen fördert, ist sinnvoll. Vor allem ist es wichtig zu reden. Nicht nur, wenn Kinder sich bereits des gesprochenen Wortes bedienen können, sondern schon im Säuglingsalter. Kommunikation ist das Treibmittel aller Bildungsprozesse.