Trotz einiger Gemeinsamkeiten gehört die Ohrakupunktur im herkömmlichen Sinn nicht zur TCM. Die Ohrakupunktur ist als französische Akupunktur bekannt, die von Dr. P. Nogier aus Lyon vor über 30 Jahren auf einem Kongress in Marseille vorgestellt wurde. Er berichtete erstmals über seine Erfahrungen mit Reflexpunkten und -zonen am Ohr, die er einige Jahre zuvor entdeckt hatte. In welchem Land die eigentlichen Ursprünge dieser Therapie liegen, lässt sich schwer sagen. In China beschäftigte man sich schon vor unserer Zeitrechnung mit dem Ohr und seinen Zusammenhängen mit dem übrigen Körper. Aber auch in der Volksmedizin von Südfrankreich und Nordafrika gab es Behandlungen am Ohr. So wurde die relativ unempfindliche Ohrmuschel mit einer glühenden Nadel durchstochen, um die Schmerzen bei Ischiasbeschwerden zu beseitigen. Dr. Nogier ging seinen Beobachtungen nach, dass sich bei einigen seiner Patienten Narben am Ohr befanden, die immer an der gleichen Stelle lokalisiert und durch Brennbehandlung gegen Ischiasleiden entstanden waren und entwickelte diese Therapierichtung.
So funktioniert Ohrakupunktur?
Das Ohr ist ein Reflexort für Körpergeschehen und stellt einen Reflexbogen zum Gehirn dar. Ähnliches kennt man von den Fußreflexzonen und der daraus resultierenden Fußreflexzonenmassage. Der ganze Körper bildet sich in der Ohrmuschel ab und jeder Körperteil hat eine Projektionsstelle am Ohr. Einen grober Wegweiser für die zu behandelten Punkte bietet die Muschelform des Ohres. Sie erinnert an einen Embryo. Das Köpfchen zeigt nach unten, der Rücken ist gekrümmt. Hier, an der Innenkante der Ohrmuschel, verläuft die Wirbelsäule mit den entsprechenden Reflexpunkten. Wenn bestimmte Stellen am Ohr bei Berührung schmerzen, stimmt etwas nicht mit dem zugeordneten Körperteil. Diese Punkte werden mit Nadeln entsprechend der Körperakupunktur behandelt. Da der Weg vom Ohr zu den Schmerzzentren im Gehirn äußerst kurz ist, zeigt jede Stimulation der Ohrpunkte eine prompte Wirkung und die Beschwerden bessern sich sofort.
Diagnose aus dem Ohr – Aurikulodiagnostik
Beim gesunden Menschen ist die Haut der Ohrmuschel normalerweise schmerzlos. Bei einer Erkrankung findet man auf ihr schmerzhafte Punkte. Im Gegensatz zu den Körperpunkten, die immer nachweisbar sind, entsteht ein Ohrakupunkturpunkt nur, wenn ein Körperteil in seiner Funktion gestört ist. Schmerzen also bestimmte Reflexpunkte am Ohr bei Kontakt, ist das Organ, das sie „vertreten“ in seiner Arbeit beeinträchtigt. Deshalb ist die Ohrakupunktur nicht nur ein therapeutisches System, sondern kann zur Diagnose von Krankheiten verwendet werden.
Was kann durch die Akupunktur am Ohr behandelt werden?
Mit Ohrakupunktur lassen sich vor allem Schmerzzustände aller Art, wie Neuralgien oder Kopfschmerz hervorragend behandeln. Außerdem wird sie bei psychischen Störungen so etwa bei Ess- und Konzentrationsstörungen oder bei Stottern eingesetzt. Ein besonders dankbares Gebiet ist die Suchtbehandlung (Rauchen, Trinken, Essen, Drogen). Allerdings sollte dies bei Alkohol- und Drogensucht nur begleitend zu einer Psychotherapie geschehen, da sonst die Rückfallgefahr zu hoch ist. Weiterhin wird Ohrakupunktur bei Krampfzuständen, Allergien, vor allem Heuschnupfen und allergischem Asthma sowie bei den Beschwerden nach einem Schlaganfall und bei anderen neurologischen Störungen eingesetzt.
Was darf nicht mit Ohrakupunktur behandelt werden?
Kontraindikationen bestehen bei Schmerzen, die eine Operation nötig machen, wie Blinddarmentzündung oder Gallenblasenempyem. Auch in der Schwangerschaft sollte man von der Behandlung Abstand nehmen genauso während der Menstruation, da ansonsten Zyklusstörungen auftreten könnten. Unmittelbar nach großen physischen oder psychischen Anstrengungen ist ebenfalls davon abzuraten. Weitere Kontraindikationen sind degenerative Leiden mit vorwiegendem Befall des Rückenmarks und Karzinome, wobei der Karzinomschmerz wiederum gut auf eine Behandlung anspricht.
Wie werden die Akupunkturpunkte gesucht und behandelt?
Da die Ohrpunkte nur die Größe einer Nadelspitze haben, wird ein elektronisches Punktsuchgerät verwendet. Das Gerät kann den Widerstand des Punktes im Verhältnis zu seiner unmittelbar umgebenden Haut bewerten und gibt auf dem Punkt ein Ton- oder Lichtsignal ab. Spontan schmerzhafte Punkte können auch durch Abtasten gefunden werden, was bei der Punktgröße allerdings Übung erfordert. Chronische Erkrankungen können Veränderungen an der Haut der Ohrmuschel hervorrufen. Diese Punkte müssen in den Behandlungsplan mit einbezogen werden.
Zur Therapie werden meist Gold-, Silber- oder Stahlnadeln verwendet. Die Stichtechnik ist sehr einfach, es wird senkrecht zur Hautoberfläche eingestochen und vorsichtig bis zum Knorpel geführt. Zur Reizverstärkung wird dann die Nadel einige Male um die eigene Achse gedreht. Die Verweildauer beträgt 15 bis 20 Minuten. Häufig werden auch Dauernadeln gesetzt, die wesentlich kürzer sind, mit einem Klebeband fixiert werden und nach ein paar Tagen wieder entfernt werden. Alternativ zu diesen Nadeln können auch bestimmte Samenkörner verwendet werden. Außerdem kann jeder Ohrpunkt auch durch Massage, Wärme- und Kälteanwendung, Farben oder Laserstrahlen beeinflusst werden, was sich teilweise zur unterstützenden Selbstbehandlung anbietet.