Ob Nanotechnik unsere Gesundheit und die Umwelt gefährdet, kann noch nicht ausreichend abgeschätzt werden. Große Hoffnung wird in die Nanomedizin gesetzt. In der Medizin steckt die Nanotechnik noch in den Kinderschuhen, sie wird aber immer wichtiger, um Wirkstoffe besser verträglich zu machen beziehungsweise Krankheiten früher zu erkennen. Meist wird die Nanomedizin bislang genutzt, um bestehende Produkte zu verbessern: Winzige Polymerpartikel in Medikamenten sorgen zum Beispiel dafür, dass Wirkstoffe besser an die gewünschte Destination im Körper transportiert werden. Implantate werden mit Titanpartikeln umhüllt, damit sie weniger leicht abgestoßen werden. DNA-Chips im Nanomaßstab helfen bei der Diagnose von Krankheiten. Auch Methoden zur gezielten Krebsbehandlung mit Nanopartikeln sind bereits in wissenschaftlicher Erprobung.
Was ist Nanotechnik?
Es werden mit dem Begriff Nanotechnik verschiedenste Wissenschaftsgebiete, die sich mit Strukturen im Bereich von unter 100 Nanometern befassen, zusammengefasst. Ein Nanometer ist der Millionste Teil eines Millimeters. Bisher sind über 300 deklarierte Nanoprodukte auf dem Markt, wobei für die nächsten Jahre exorbitante Steigerungen vorhergesagt werden. Das Marktpotenzial für Nanoprodukte für die kommenden zehn Jahre wird auf bis zu 100 Milliarden Euro geschätzt! Das Spannende dabei: Nanopartikel beziehungsweise -strukturen verhalten sich physikalisch und chemisch teilweise völlig anders als größere Gebilde aus dem gleichen Material. So können etwa Stoffe schmutzabweisend gemacht werden oder Lackierungen kratzfest.
Gefährdet Nanotechnik die Gesundheit?
Gefahren durch die Nanotechnik mögen teilweise übertrieben sein, haben aber einen realen Hintergrund. So liegen bereits Studien vor, welche gesundheitsbedrohende Wirkungen von Nanopartikeln in Zellkulturen oder Tieren nachweisen. Dabei spielen verschiedene Faktoren zusammen: der Chemismus – also der chemische Aufbau der Nanoteilchen – ebenso, wie die Größe der Partikel oder ihre Wasserlöslichkeit. Vor allem die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch Nanoteilchen, die bereits in Reinigern, Lacken, Kosmetika und Textilien enthalten sind, kann nicht ausreichend abgeschätzt werden. Denn während im medizinischen Bereich langjährige klinische Studien erforderlich sind, bevor ein neues Medikament auf den Markt kommt, gibt es zum Beispiel bei Kosmetika viel weniger Tests. Derzeit läuft im Rahmen der Österreichischen NANO Initiative – unter der Koordination von Diplomingenieur Dr. Frank Sinner – das Verbundprojekt „Nano-Health“. Es werden toxikologische Studien mit nanostrukturierten Materialien durchgeführt und neue Generationen von Nanopartikeln für Diagnose, Bildgebung und Wirkstofftransport, also die Nanomedizin, entwickelt.
Nanomedizin: Hoffnungsträger bei chronischen Erkrankungen
Zu den großen Herausforderungen der Nanomedizin zählen schwere chronische Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Entzündungs- und Infektionskrankheiten. Dass die Anwendung der Nanotechnologie hier in Zukunft einen wichtigen Beitrag leisten kann, steht außer Zweifel. Geradezu revolutionär in der Nanomedizin ist beispielsweise die molekulare Bildgebung für die „in vivo“-Diagnostik zur Frühdiagnose. Bei Verdacht auf Krebs injiziert der Arzt dem Patienten spezielle Nanopartikel, die sich im kranken Gewebe ansammeln. Mit Licht einer bestimmten Wellenlänge bestrahlt, wird ein etwaiger Tumor klar erkennbar.
Nanomedizin als tödliche Waffe gegen Krebs
Die beschriebene Technik in der Nanomedizin kann auch als tödliche Waffe gegen Krebs wirken. Forscher der Charité Universitätsmedizin in Berlin etwa entwickelten eisenoxidhaltige Nanopartikel: Diese spritzen sie in den Tumor ein, erwärmen dann die Körperstelle mit einem magnetischen Wechselfeld und töten so die Tumorzellen mit hoher Präzision. In klinischen Studien zeigte die Therapie mit Nanoteilchen bereits bei Gehirntumoren und Prostata-Krebs Erfolge.
Implantate & Knochen-Ersatzmaterial in Nanomedizin
Großes Potenzial hat die Nanotechnik auch im Bereich Implantate und Biomaterialien. Mit der steigenden Lebenserwartung nehmen degenerative Erkrankungen zu. Benötigt werden Implantate, die langfristig im Körper verbleiben können. Heute versagen aber rund zehn Prozent der Knie- und Hüft-Implantate nach etwa fünfzehn Jahren ihren Dienst. Grund dafür ist die mangelnde Integration des „Fremdkörpers“ im Gewebe. Indem man nun in der Nanomedizin Implantate mit einer nanostruktuierten Oberfläche versieht, lagern sich Proteine an ihr an. Die Wechselwirkung mit den Knochenzellen verbessert sich. Die Lebensdauer der Implantate steigt signifikant. Von Interesse werden in Zukunft auch kristalline Nanomaterialien für knochenähnliche Zemente sein. Sie können als Knochen-Ersatzmaterial oder als Komponenten für Zahnfüllstoffe – mit hervorragenden mechanischen Eigenschaften – eingesetzt werden.
Nanomedizin setzt auf Wirkstoff-Transportsysteme
Die allergrößte wissenschaftliche Aufmerksamkeit vereinnahmt in der Nanomedizin jedoch momentan der Wirkstofftransport, die so genannte „Drug Delivery“: An ihr arbeiten weltweit über 50 Prozent der in der Nanomedizin tätigen Unternehmen. In speziell konzipierten Nanopartikeln lassen sich Wirkstoffe einpacken. Diese können im Körper – durch Anhaften an Proteinstrukturen – ihre wertvolle Fracht ganz genau an der gewünschten Stelle abgeben. Dies bedeutet einen gewaltigen Technologiesprung in der Arzneimitteltherapie. Denn bis dato verursachen Medikamente oft unangenehme bis gefährliche Nebenwirkungen, da sie völlig unspezifisch im Organismus des Patienten verteilt werden. In diesem Sinne steckt in der Nanomedizin ganz gewiss das Potenzial, in Zukunft eine gezieltere und nebenwirkungsärmere medikamentöse Versorgung zu garantieren.