Kampo: Traditionelle japanische Pflanzenheilkunde. Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist in unseren Breiten bereits ein Begriff. Weniger bekannt ist das japanische Kampo, das auf der TCM fußt.
Kampo*, die japanische Pflanzenheilkunde oder Phytotherapie, ist Teil der traditionellen japanischen Heilkunde, zu der noch shinkyû (Akupunktur und Moxibustion) und shiatsu (Akupressur) zählen. Kampo entwickelte sich etwa ab dem 8. Jahrhundert, als die chinesische Medizin von Gelehrten aus China nach Japan gebracht wurde. In Japan machte dieses Wissen über die Jahrhunderte eine eigenständige Entwicklung, sodass Kampo als eigene japanische Tradition gesehen werden kann. Jedoch gibt es viele Gemeinsamkeiten mit TCM, die sich auf die zugrunde liegenden Prinzipien beziehen und auf die Rezepturen, für die größten Teils die gleichen Texte als Quelle dienen.
Funktionsweise von Kampo
Ein Kampo-Arzt verschreibt Rezepturen, die sich aus verschiedenen pflanzlichen Wirkstoffen zusammensetzen. Das Japanische Arzneimittelbuch listet derzeit 165 Kräuter auf, die in Kampo-Arzneien Anwendung finden. Einige der dafür verwendeten Pflanzen sind auch bei uns bekannt, wie Süßholz, Fenchel, Pfefferminze, Flohsamen oder Rhababer – um nur einige zu nennen. Die Rezepturen setzen sich aus festgelegten Anteilen der Arzneien zusammen, die ein Kräutergemisch ergeben. Mit diesem Gemisch, das der Patient in der Apotheke erhält, wird durch Aufkochen ein Absud erzeugt, der in der Regel einer Tagesdosis für drei Einnahmen entspricht. Die Zusammensetzungen der Rezepturen gehen noch heute auf Vorgaben in jahrhundertealten Klassikern der chinesischen Medizin zurück.
Diagnose und Therapie sind in der Kampo-Medizin eng miteinander verbunden. Ziel der Diagnose ist die Bestimmung des shô und nicht das Finden der Ursache und Benennen der Krankheit, wie es in der westlichen Medizin üblich ist. Bei der Shô-Bestimmung wird der augenblickliche, individuelle Zustand des Patienten mit Hilfe der Untersuchungstechniken der Befragung, der Betrachtung und tastender Untersuchungen festgestellt. Bei letzteren handelt es sich einerseits um die Untersuchung des Pulses und vor allem des Bauches. Die Bauchuntersuchung ist in der Kampo-Medizin die wichtigste Maßnahme zur Bestimmung des shô.
Die Ergebnisse der Untersuchung werden anhand von Konzepten der chinesischen Philosophie, angewandt auf die Funktionsweise des Körpers (Qi, Yin und Yang), interpretiert und differenziert und davon die Behandlungsmethode mit den passenden Rezepturen abgeleitet.
Vorteile von Kampo
Lange Zeit stand im Mittelpunkt des medizinischen Interesses die Behandlung von akuten Beschwerden. Chronische Erkrankungen, die von verschiedenen Faktoren hervorgerufen werden, wurden vernachlässigt, weil sie zwar die Lebensqualität einschränken, aber nicht unmittelbar lebensbedrohend sind. Diese Behandlungen akuter Erkrankungen sind oft radikal und haben entsprechende Nebenwirkungen. Darüber hinaus werden sie nicht dem erhöhten Bedarf an Behandlungsmethoden für chronische Krankheiten oder Leiden mit rezidivierendem Verlauf gerecht.
Bei der Suche nach Methoden zur Verbesserung der Lebensqualität und Krankheitsvorbeugung wird der Blick häufig auf traditionelle östliche Heilsysteme gerichtet, vor allem auf den Ayurweda aus Indien oder die traditionelle chinesische Medizin (TCM). Kampo hat aber gegenüber der TCM einige wesentliche Vorteile, die Dr. Ulrich Eberhard in seinem Kampo-Leitfaden erläutert: Kampo ist leichter übertragbar auf unsere gesellschaftliche und politische Situation bzw. auf unser Gesundheitssystem aufgrund der ähnlichen Bedingungen, die in Japan vorherrschen.
Japan muss einen großen Teil der Pflanzen für die Herstellung der Arzneimittel aus China importieren. Nur etwa 20% der Pflanzen können in Japan angebaut werden. Aus diesem Zwang entwickelte sich eine äußerst effektive Aufbereitung, um die Wirkstoffe zu gewinnen, sodass in japanischen Produkten oft eine wesentlich höhere Wirkstoff-Konzentration vorhanden ist als in chinesischen. Außerdem sind auf dem chinesischen Markt Heilpflanzen verschiedenster Qualität verfügbar und es wird großes Wissen und Erfahrung benötigt, um hier die besten Produkte auszuwählen. Aufgrund der strengen gesetzlichen Vorschriften und Kontrollen in Japan sind die japanischen Produzenten von Kampo-Arzneien gezwungen, nur die höchste Qualität zu importieren und beschäftigen deshalb Experten, die vor Ort eine Auswahl treffen. Die Kontrollen und die Kennzeichnungspflichten in Japan schließen verunreinigte Bestandteile (mit Düngemittel-, Insektizid- oder Herbizidrückständen) oder Verwechslungen der Arzneien aus. Deshalb werden alle in Japan von den großen Kampo-Arzneien-Herstellern erzeugten Produkte den höchsten Ansprüchen gerecht. Das heißt Kampo-Mittel bieten einen sehr hohen Sicherheitsgrad.
Einsatzbereiche für Kampo
Laut einer Studie von Nikkei Medical, einer japanische Zeitschrift für Medizin, greifen 74% von japanischen Fachärzten auf Kampo-Mittel zurück, für 60% sind diese sogar die erste Behandlungsmethode für bestimmte Erkrankungen. Auffällig ist auch, dass von den befragten Gynäkologen alle Kampo-Arzneien verschreiben oder schon einmal verschrieben haben. Die Frauenheilkunde ist eines der häufigsten Anwendungsgebiete, aber auch in der Psychosomatik und in der Geriatrie kommen die Mittel zum Einsatz.
Darüber hinaus haben Kampo-Arzneien eine nachweisbare Wirkung bei psychovegetativen und durch Stress verursachten Störungen, bei Allergien, bei Entzündungen innerer Organe und Infektionen sowie bei Schmerzen verschiedener Art und Ursache. Des Weiteren dienen Kampo-Rezepturen der Prävention und Prophylaxe, verbessern die Wundheilung und helfen, schädigende Nebenwirkungen von radikalen Behandlungsmethoden, etwa der Chemotherapie, bedeutend zu lindern.
Ulrich Eberhard schreibt in seinem Leitfaden für Kampo-Medizin: „Die Kampo-Medizin kann dort gute Dienste erweisen, wo die Verbesserung der Lebensqualität des Patienten eine größere Bedeutung gewinnt, als die ausschließlich kurativ orientierte medizinische Therapie.“