700 Millionen Facebook-Nutzer oder zumindest ein großer Teil davon hat die vergangenen Jahre ein Netzwerk aufgebaut, das den Jugendlichen und auch vielen Erwachsenen zum Standard geworden ist. Lokale Betreiber wurden verdrängt, Kontakte, Fotos, Nachrichten zurückgelassen, um sich auf einem gemeinsamen Planeten wieder zu finden. Auf Facebook sind nicht nur ganze Freundschaften zuhause, es werden auch Partys und berufliche Treffen organisiert. Medien, Firmen, Politiker, Stars und NGOs profitieren davon. Facebook ist zur Anlaufstelle im Netz geworden. Doch dem soll nun ein Ende gesetzt werden, denn die neue Plattform Google+ könnte eine Völkerwanderung der 700 Millionen Facebook-Nutzer auslösen und somit der größte Facebook-Konkurrent werden.
Google-Dienste im Internet
Das Angebot an Google-Diensten im Internet ist überwältigend. Web-Nutzern wird mit Suche, Email-Client, Kalender oder Online-Foto-Album die Informationsgewinnung erleichtert. Doch zunehmend scheinen Anwender mit der Vielzahl der Google-Innovationen wenig anfangen zu können. Dazu gehört der zunächst revolutionär wirkende, aber recht bald fallengelassene „Email-Killer“ Google Wave oder der dahinsiechende Twitter-Rivale Google Buzz.
Die Lösung: Eine gemeinsame Plattform
Googles Welt ist eine reichhaltige Ansammlung interessanter Orte, die jedoch überall im Netz zerstreut sind. So sucht man über Google, verschickt Emails über Gmail, teilt Fotos über Picasa und bezieht die neuesten Videos und Songs von Youtube. Was fehlt, ist eine Plattform, die all diese nützlichen Innovationen vereint. Eine Plattform wie Facebook, StudiVZ oder MySpace. Denn obwohl Google-Kunden all die Angebote des Internetriesen zu schätzen gelernt haben und darauf nicht mehr verzichten wollen, verbringen sie ihre Zeit nun vorrangig auf Facebook. Das soll sich künftig mit Google+ ändern. Es ist als Fundament für die Zukunft angesetzt, in der Online-Zeit immer knapper und kostbarer wird, denn man kann noch so viele gute Dienste anbieten, wenn die Menschen die meiste Zeit auf anderen Seiten verbringen.
Der Unterschied zu Facebook
Google+ verspricht grundlegende Verbesserungen bei Facebooks Kernkompetenz: Beim sozialen Netzwerken. Eine transparentere Trennung zwischen Freunden, Familie und anderen Bekanntschaften soll das Kontaktechaos und die Bedenken zur Privatsphäre vieler Facebooker in Luft auflösen. Das geschieht mithilfe der Circle-Funktion, bei der Online-Freunde von vornherein in Circles sortiert werden. Es macht schon einen Unterschied, seine Partyfotos mit Freunden oder Arbeitskollegen zu teilen. Deshalb ist die Circle-Funktion so praktisch. Die Kontakte selber holt Google aus „Google Contacts“, dem Adressverzeichnis, das jeder Nutzer von Googles E-Mail-Dienst automatisch füttert – ein ungeheurer Startvorteil. Zunächst landen die Kontakte bei Google+ in der oberen Hälfte des Bildschirms, von wo aus sie in die darunterliegenden Circles sortiert werden müssen. Außerdem sollen sich Kontakte später per E-Mail zu Google+ einladen oder aus Nutzerkonten von Yahoo! und Hotmail hinzufügen lassen.
Google+ hat keine neue Nachrichten-Funktion, die sich neben das bereits bestehende E-Mail-Postfach drängt. Ganz ohne Nachrichten geht es dann aber doch nicht: „Huddle“ heißt eine Gruppenchat-Funktion, mit der Circles von Online-Kontakten zum virtuellen Plausch geladen werden.
Bislang beschränkt sich Google+ auf den Austausch von Links, Bildern und Statusnachrichten – und es ist kein in sich geschlossenes Netzwerk, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Dafür werden aber bislang auch keine Firmen und Entwickler hereingelassen. Es besteht also noch nicht wie bei Facebook die Möglichkeit für Firmen, sich zu präsentieren.
Koexistenz ausgeschlossen?
Die Frage, ob künftig auch beide Netzwerke koexistieren können, wurde in der Vergangenheit schon mehrmals gezeigt. Zuletzt musste MySpace daran glauben. Bei sozialen Netzwerken scheint die Regel zu besagen: Entweder ganz oder gar nicht. Offenbar wollen die User eine zentrale Plattform zur Kommunikation mit all ihren Bekannten haben. Daher dürfte mit Facebook und Google+ ein massiver Verdrängungswettbewerb in Gang gesetzt werden – ein Rennen, bei dem Facebook weit vorne liegt, Google+ aber keine schlechten Karten hat.
Bislang nur als Testversion
Bislang ist Google+ allerdings nicht mehr als ein Testlauf, ein Projekt. Daher darf man sich bis auf weiteres in Ruhe zurücklehnen und die Entwicklung beobachten. Googles später, jedoch lautstarker Neueinstieg in den Markt für soziale Netzwerke schafft jedoch schon jetzt die beruhigende Gewissheit, dass es bald eine attraktive Alternative zu Facebook gibt.