Chronobiologie – Analyse des Schlafrhythmus. Fast alle Vorgänge im menschlichen Körper laufen innerhalb bestimmter Rhythmen ab. Verantwortlich hierfür ist unsere so genannte innere Uhr. Die Chronobiologie beschäftigt sich mit der Analyse unseres Schlafrhythmus und den Folgen, die es hat, diesen zu ignorieren. Sie liefert nun neueste Ergebnisse über den Einfluss auf die innere Uhr und könnte in naher Zukunft zur Entwicklung und Etablierung einer so genannten Chronomedizin führen.
Was ist unsere innere Uhr?
In einem kleinen Areal des Hypothalamus in der Nähe des Sehnervs befindet sich der suprachiasmatische Kern (SCN) des Gehirns, welcher das Koordinationszentrum der inneren Uhren des Körpers darstellt und auch als ‚circadian‘ (ungefähr ein Tag) bezeichnet wird. Unser Tagesablauf orientiert sich aber hauptsächlich an sozialen Zeitvorgaben. Die innere Uhr des Menschen richtet sich erstaunlich exakt nach der Sonnenzeit. Da jede einzelne Zelle über ihre eigene innere Uhr verfügt, sendet sie über Hormone ihren Takt an das Nervensystem, damit dieses auf Veränderungen im Stoffwechsel reagieren kann. Eine weitere Zellgruppe, die über eine innere Uhr verfügt, befindet sich in der Peripherie des Körpers und wird nicht vom SCN sondern durch Essenszeiten beeinflusst.
Weil diese Zeiten den Takt für die peripheren Uhren vorgeben, lässt sich die SCN-Uhr über die Nahrungsaufnahme einstellen. Forschungsarbeiten ergaben, dass die SCN-Uhr sich an die restlichen Körperfunktionen anpasst und damit dynamisch ist. In engem Zusammenhang mit dem SCN steht der ebenfalls im Hypothalamus gelegene Nucleus arcuatus, welcher den Ernährungszustand des Menschen feststellen und diese Informationen an das Zentralnervensystem weiterleiten kann. Hier wirken Hormone, die Hunger und Sättigung regulieren, wie das für das Sättigungsgefühl verantwortliche Leptin.
Wie tickt die innere Uhr?
Die innere Uhr reguliert Prozesse von der Genaktiviät bis hin zum Verhalten. Zu ihren Eigenschaften und Funktionen zählen unter anderem die Regulation des Schlaf-Wach-Rhythmus, des Stoffwechsels und des Appetits. Weiterhin hat sie Einfluss auf die Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit sowie die Reaktionsgeschwindigkeit, die Muskelkraft, die Sensitivität der Sinnessysteme und Pupillenweite oder das subjektive Empfinden der Zeit selbst, die Körpertemperatur, das Schmerzempfinden oder auch die Tätigkeit von Nieren, Magen und Darm. Das Regelzentrum im SCN kontrolliert darüber hinaus über eine Nervenverbindung zum Beispiel die Ausschüttung des Hormons Melatonin durch die Zirbeldrüse.
Melatonin ist ein körpereigenes Signal für Dunkelheit. Verschiedene Zeitgeber wie die Essenszeit, Temperatur, Licht, Trinken, aber auch der Rhythmus des Partners beeinflussen die innere Uhr. Um sich dem Tag- und Nacht- oder Sommer- und Winterwechsel anzupassen, wird die innere Uhr täglich synchronisiert, was besonders wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden ist. Die innere Uhr macht sich in unserem Alltag allerdings erst bemerkbar, wenn wir gegen sie anleben. Unterschiedliche Uhrengeschwindigkeiten führen so zu verschiedenen „Chronotypen“, mit ebenso differierenden Schlafzeiten.
Von Eulen und Lerchen
In unseren Genen ist festgelegt, in welchem Rhythmus die innere Uhr tickt und damit ist auch vorgegeben, ob jemand Frühaufsteher (Lerche) oder Nachtmensch (Eule) ist. Doch Eule wie Lerche passen nach der Geburt ihren Rhythmus dem Licht, also der Sonnenzeit an. Dieser Rhythmus entsteht vermutlich durch bestimmte Eiweiße in den Zellen der Uhr, deren Konzentration in regelmäßigen Abständen zu- oder abnimmt. Diese Änderung der Konzentrationen wird vom Licht beeinflusst. Für die innere Uhr sind Detailinformationen des Auges unwichtig – sie braucht nur die allgemeine Lichtintensität als Zeitgeber-Information zu messen und verwendet hierfür den so genannten „nicht-visuellen“ Lichtsinn. Das hierfür benötigte Rezeptorprotein Melanopsin projiziert direkt in den SCN und in andere Gebiete des Gehirns.
Unser Gehirn kann also die Zeit „sehen“. Theoretisch hängt der Chronotyp (persönlicher Test) auch von der Länge des Tages ab. Gibt man Versuchspersonen in zeitlicher Isolation einen 23-Stunden Tag vor, so werden Frühtypen zu Spättypen. Ebenso werden Spättypen zu Frühtypen, wenn man sie unter einem experimentellen 25-Stunden Tag leben lässt. Dies liegt ganz einfach daran, dass – je nach vorgegebener Tageslänge – die Uhr mehr oder weniger stark vor- oder nachgestellt werden muss, um mit dem jeweiligen Tag synchron zu laufen.
Welche Auswirkungen hat die innere Uhr auf den Menschen?
Eine unzureichende Synchronisation der inneren Uhr kann ihre Ursache in einer gestörten Weiterleitung der Lichtinformationen zum SCN haben, oder in einer gestörten Weiterleitung der Signale des SCN an andere Organe und Gewebe. Auch ein Leben unter sehr schwachen Zeitgebern kann dazu führen, dass eine Synchronisation der circadianen Uhr mit der Umwelt nicht mehr gewährleistet wird. Nur genau synchronisierte circadiane Uhren ermöglichen es Organismen, sich vor Feinden zu schützen, die richtige Himmelsrichtung zur Futterquelle einzuschlagen oder den Körper auf das Aufstehen oder Einschlafen vorzubereiten.
Negative Einflüsse auf die innere Uhr
Störungen, ein Leben gegen die innere Uhr oder längerfristige Veränderungen der oben genannten Zeitgeber wie zum Beispiel durchwachte Nächte haben erhebliche Auswirkungen auf die innere Uhr und damit auf die Entstehung von Stoffwechselstörungen wie
- Bluthochdruck,
- Insulinresistenz und
- starkes Übergewicht.
Bei gleichzeitigem Auftreten dieser Erkrankungen spricht man vom metabolischen Syndrom, welches wiederum die Risiken für Schlaganfall und Herzerkrankungen erhöht. Ebenso können
- Schlafstörungen,
- Tagesschläfrigkeit und
- verminderte Leistungsfähigkeit auftreten.
Ursachen für Störungen der Inneren Uhr
Zu den klassischen Ursachen solcher Störungen zählen beispielsweise:
- körperliche Beschwerden bei Schichtarbeit,
- der so genannte Jetlag nach einem Langstreckenflug,
- die Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit und umgekehrt oder
- die Winterdepression.
Die biologische und die gesellschaftliche Uhr befinden sich in einem Dauerkonflikt. Ist die Differenz zwischen Schlafzeiten an Arbeits- und an freien Tagen besonders groß, spricht man vom „sozialen Jetlag“, welcher weit reichende Folgen für die Gesundheit haben kann – und das ein Leben lang. Je stärker der soziale Jetlag, desto eher greifen Individuen nach Stimulanzien.
Neuere Erkenntnisse aus der Chronobiologie lassen Schlussfolgerungen und erste Therapieansätze zum Einfluss auf die innere Uhr zu.