Senioren brauchen eine vollwertige und abwechslungsreiche Kost. Rund 1,5 Mio. Menschen in Deutschland sind mangelernährt. Verändertes Geschmacksempfinden, aber auch Schmerzen oder Depressionen sind Gründe für Appetitlosigkeit. Mindestens 1,5 Millionen Menschen in Deutschland sind mangelernährt, berichtete das Deutsche Ärzteblatt am 22. Juni 2007, und bezifferte die Folgekosten von Mangelernährung für die Kranken- und Pflegeversicherung auf rund 8,9 Milliarden Euro.
Egal ob jung oder alt – jeder Mensch braucht ein Mindestmaß an Nährstoffen, um seine körperliche und geistige Leistungskraft zu erhalten. Wird dem Körper nicht genügend Energie zugeführt, reagiert er auf Dauer mit Schwächezuständen, Störungen im Stoffwechsel und mit ernsthaften Erkrankungen.
Mangelernährung im Alter ist gar nicht so selten. Erkrankungen, Trauer, Einsamkeit sind die häufigsten Auslöser für eine unzureichende Ernährung.
Durch den natürlichen Alterungsprozess und diverse Spielchen im Hormonhaushalt kommt es häufig vor, dass die Geschmacksknospen auf der Zunge sich verändern und damit verändert sich auch das Geschmacksempfinden. Die Folge ist ein verändertes Ernährungsverhalten. Auch wenn lebenslang eine ausgewogene Ernährung erfolgte, im Alter kommt es nicht selten vor, dass ein Mensch sich nur noch von „Süßkram“ ernährt: Marmelade, Pudding, Joghurt, Schokolade. Das veränderte Geschmacksempfinden muss nicht der Fall sein – kommt aber häufig vor. Weitere Faktoren für veränderte Ernährungsgewohnheiten können auch schlecht sitzende, dritte Zähne sein. Wer hier Beschwerden hat, schlecht kauen kann oder gar krankheitsbedingt Schmerzen beim Schlucken hat, wird wenig Lust auf leckere Speisen verspüren. Auch mangelnde Bewegung, vor allem fehlende Bewegung an der frischen Luft, können eine Ursache für einen reduzierten Appetit sein. Mangelernährung bei Senioren bedeutet jedoch meist nicht, dass die Menschen zu wenig Nahrung aufnehmen – obwohl auch das vorkommt. Mangelernährung bedeutet in der Regel, dass die Ernährung zu einseitig ist, dass es an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen fehlt und es dadurch zu Mangelerscheinungen kommt.
Zwei Formen der Mangelernährung: Fehl- und Unterernährung
Der Experte unterscheidet zwei Formen der Mangelernährung: die Fehl- und Unterernährung. Ist ein Mensch unterernährt, nimmt er zu wenig Nahrung zu sich und verliert an Gewicht. Bei der Fehlernährung wird der Bedarf an bestimmten Nährstoffen wie Vitaminen, Eiweiß oder Mineralstoffen nicht gedeckt wird. Diese Form der Mangelernährung ist weniger leicht zu erkennen.
Auch beim Verzehr kleiner Mengen muss ausgewogene Ernährung sichergestellt sein
Auch bei mangelernährten alten Menschen muss auf eine ausgewogene Ernährung geachtet werden. Mangelernährte Senioren nehmen oft nur kleine Mengen zu sich. Deshalb ist es bei ihnen besonders schwierig, eine ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr zu gewährleisten. „Eine warme Mahlzeit am Tag, je eine Portion Obst und Gemüse oder Salat sowie ein Glas Milch und Joghurt, Quark oder Käse, eine Scheibe Vollkorn- oder Vollkornschrotbrot und ein Stück Fleisch, Fisch oder Eier sind die Mindestmengen, die ein mangelernährter Senior täglich essen sollte“, informiert Ricarda Holtorf, Diplom Oecotrophologin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. in Bonn. „Dazu sollte mindestens ein Liter Flüssigkeit in Form von Säften, Mineralwasser, Suppe, Tee oder Kaffee getrunken werden.“
Vielfältige Gründe für Mangeernährung
Die Ursachen für Mangelernährung sind sehr unterschiedlich. Im Alter verändert sich die geschmackliche Wahrnehmung von Lebensmitteln und auch der Appetit nimmt ab. Viele Senioren bevorzugen süße Speisen, da sie die Geschmacksrichtung süß besonders intensiv und nachhaltig wahrnehmen. Auch Medikamente können das Geschmacksempfinden beeinträchtigen und somit den Appetit reduzieren. Ebenso ist es möglich, dass sich Schmerzen, Trauer oder Depressionen auf den Appetit auswirken.
Verwirrte Menschen vergessen zu essen. Wer allein lebt, dem fehlt vielleicht der Austausch während des Essens und die Nahrungsaufnahme wird uninteressant. Auch die aufwändige Zubereitung schreckt im Alter ab. Ein Brot ist schnell geschmiert, aber es braucht Zeit, ein Gericht frisch zu kochen. Auch wer unter Kau- und Schluckbeschwerden leidet, meidet Lebensmittel wie etwa Fleisch, Obst oder Vollkornprodukte.
Mit kleinen Hilfen zum Essen motivieren
Kleine Tricks wie das Zerdrücken oder Pürieren von weichem Obst und Gemüse, die Verwendung von Broten aus fein ausgemahlenem Vollkornmehl sowie der Einsatz von Schmelzflocken helfen, eine ausgewogene Ernährung weitestgehend zu gewährleisten.
Stellen Pflegepersonen eine plötzliche Gewichtabnahme fest, ist dies ein Alarmzeichen. „Verlieren alte Menschen durch zu geringe Nahrungszufuhr oder auch aufgrund von Erkrankungen Gewicht, kann dies in vielen Fällen später nur schwer wieder ausgeglichen werden“, so Ricarda Holtorf. In dem Fall sollte das Lieblingsessen öfter auf den Tisch kommen und auch die Essenszeit flexibel auf die Bedürfnisse des Seniors angepasst werden. Viele kleine und appetitliche, frisch zubereitete Mahlzeiten motivieren außerdem zum Essen.
Appetitmangel im Alter – häufig liegen seelische Gründe vor
Die seelische Situation, die allgemeine Lebenssituation von Senioren, sollte ebenso als auslösender Faktor für Appetitmangel beachtet werden. Wie wichtig eine ausgewogene Ernährung ist, wissen alte Menschen selbstverständlich. Und die meisten haben ihr Leben lang großen Wert darauf gelegt, sich ausgewogen zu ernähren – sich und ihre Familie. Das ist der Punkt. Wenn ein alter Mensch verwitwet ist oder aus anderen Gründen alleine lebt, nicht mehr arbeitet, selten mit anderen Menschen zu tun hat, sich um niemanden mehr kümmern muss, verkümmert die Seele. Für sich alleine zu kochen in dem Wissen, dass man danach auch alleine am Tisch sitzen wird, empfinden viele alte Menschen als so deprimierend, dass sie sich lieber ein Stück Schokolade gönnen oder ein Marmeladenbrötchen, statt einem Salat oder einer warmen Mahlzeit. Ein Phänomen, das ja nicht nur im Alter auftritt – Einsamkeit ist hart. Niemand isst gerne alleine. Ein Punkt, an dem liebende Angehörige helfend eingreifen können!
Mangelernährung erkennen
Die Mangelernährung zu erkennen, kann unter Umständen eine Kunst sein. Mit dem Begriff Mangelernährung verbinden die meisten Menschen eine deutliche Abmagerung – allerdings kann auch das Gegenteil der Fall sein. Mangelernährung geht nicht zwangsläufig mit drastischem Gewichtsverlust einher. Wenn vernünftige, gehaltvolle Nahrung nicht mehr verzehrt wird, sondern durch Süßigkeiten, Pudding und Kekse ersetzt wird, kann das Gewicht erhalten bleiben, aber trotzdem liegt eine Mangelernährung vor. Allerdings ist es immer ein Alarmsignal, wenn ein alter Mensch drastisch an Gewicht verliert. Anzeichen für eine Mangelernährung können körperliche Schwäche sein, Veränderungen der Haut, Depressionen, Verwirrtheitszustände, Mundtrockenheit.
Die Folgen einer Mangelernährung
Die Atmung, der Stoffwechsel, der Kreislauf und sogar die Temperaturregelung im Körper hängen mit der Ernährung zusammen. Im Alter haben Menschen einen weniger aktiven Stoffwechsel und sind auch selbst nicht mehr ganz so aktiv – dadurch sinkt der Bedarf an Energie. Durch Krankheiten jedoch kann der Energiebedarf wieder ansteigen und grundsätzlich entsteht eine körperliche Schwäche, wenn dem Körper nicht ausreichend Energie zugeführt wird. Kohlehydrate können am einfachsten als Energiequelle dienen und wirken sich auch auf den Blutzucker aus. Auch Fette sind wichtige Energielieferanten sowie Eiweiße. Ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen wirkt sich durch vielfache Symptome aus und gleiches gilt für Vitamine. Typische Symptome einer Mangelernährung sind eine hohe Anfälligkeit für Infektionen, Muskelschwäche, Appetitlosigkeit und Müdigkeit trotz Schlaflosigkeit, Depressionen, gestörte Wundheilungsvorgänge, körperliche Schwäche, Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme, Konzentrationsschwierigkeiten und sogar Sehstörungen.
Meist auch zu wenig Flüssigkeit
Mangelernährung dauert oft sehr lange, bis sie bemerkt wird und meist geschieht das durch aufmerksame Angehörige. Sie geht aber häufig einher mit einem zweiten Problem, das gerne im Alter auftaucht: Viele alte Menschen „vergessen“ zu trinken. Offenbar verspüren alte Menschen weniger Durst, obwohl sie nicht weniger Flüssigkeit brauchen, sondern sogar wesentlich mehr als ein jüngerer Mensch. Und letztlich steht ein alter Mensch, der traurig und deprimiert in seinem Sessel sitzt, nur selten auf, um sich etwas zu trinken zu holen. Flüssigkeitsmangel macht sich durch sehr deutliche Symptome bemerkbar: Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Kreislaufprobleme. Grundsätzlich aber sieht man Flüssigkeitsmangel auch auf der Haut – ist sie trocken und schuppig, kann man davon ausgehen, dass der alte Mensch zu wenig trinkt. Zwei Liter Flüssigkeit pro Tag sind auch für einen alten Menschen das absolute Minimum.
Was Angehörige tun können
Es ist nicht immer einfach, einen alten Menschen, der keinen Appetit hat, sich vielleicht auch einsam fühlt und daran gewöhnt ist, traurig in einem Sessel vor dem Fernseher zu sitzen, aus seinem gesundheitlichen und seelischen Loch zu holen. Grundsätzlich ist es sogar eine große Herausforderung. Hier ist nämlich aktives Eingreifen erforderlich, allerdings ohne Bevormundung. Wenn es sich um einen alten Menschen handelt, der an sich recht aktiv ist und intensiv am Leben teilnimmt, könnten seelische Ursachen wahrscheinlich ausgeschlossen werden. Dann müsste eine ärztliche Untersuchung erfolgen, um organische Ursachen auszuschließen oder ihnen zumindest entgegen zu wirken. Liegen die Ursachen im seelischen Bereich, bedarf es einem großen Maß an Motivation. Das ist allerdings nicht einfach, denn alte Menschen fühlen sich schnell bevormundet. Irgendwie muss lieben Angehörigen der Spagat gelingen und allgemeingültige Tipps gibt es hier nicht, denn die Tipps sind selbst so individuell wie die alten Menschen und ihre Angehörigen. Wichtig ist, einen Weg aus der Einsamkeit zu finden und den alten Menschen möglichst nicht zu allen Mahlzeiten alleine zu lassen – in Gesellschaft isst es sich besser, weil es einfach schöner ist. Alte Menschen müssen auch oft dazu animiert werden, etwas zu trinken. In eine zwanglose Plauderei verwickelt funktioniert das häufig am besten. Grundsätzlich bieten inzwischen Hilfsorganisationen wie die Johanniter oder das Rote Kreuz, aber auch die Nachbarschaftshilfe, die auch fast in allen Orten zu finden ist, stundenweise Betreuung bzw. Beschäftigung und Unterstützung an – Hilfe, die nicht viel kostet und ungeheuer wertvoll sein kann, um einen alten Menschen aus einem seelischen Loch zu holen und zu etwas mehr Aktivität zu animieren.