Schneetreiben… Zur Physik der Schneeflocken. In diesem Winter haben wir ihn in Hülle und Fülle, selbst bei uns im Flachland: Schnee! Zeit also, sich physikalische mit der weißen Pracht zu beschäftigen.
Schneeflocken – die kleinen Schneesterne
Bereits vor mehr als 400 Jahren interessierte sich Johannes Kepler, uns eher bekannt durch seine astronomischen Erkundungen, für Schneeflocken. Er beobachtete, dass sie als Grundelement einen sechs-zackigen, gefiederten Stern haben, einige Exemplare hat er in seinem Diskurs über den Schnee sogar aufgezeichnet. Er vermutete, dass sich die sechszählige Symmetrie aus dem Aufbau der Materie aus kleinen Kugeln, die sich in dichter Packung zueinander finden, ergeben sollte.
William Bentley, ein Farmer aus dem Vermont, war dann im Jahr 1902 der erste Schneefotograf: Winter für Winter machte er mit seiner Kamera und mit Hilfe von dunklem Stoff unzählige Aufnahmen und archivierte auf diese Weise die Formenvielfalt tausender Schneesterne. Um die Struktur der Flocken zu erkunden, braucht man tatsächlich neben der entsprechenden winterlichen Witterung nichts weiter als ein dunkles Tuch oder Papier, das zuvor im Eisschrank gekühlt wurde, und eine Lupe zum Betrachten. Schnell erkennt man eine große Anzahl verschiedener Formen, die Variationsbreite ist so groß, dass es Bildbände mit fotografierten Schneeflocken gibt: Keine Schneeflocke gleicht der anderen. Und jede von ihnen erzählt ihre eigene Geschichte, ihre Entwicklungsgeschichte.
Geburt im Eiskristall
Schneeflocken bilden sich aus Eiskristallen, die entstehen, wenn Wasserdampfmoleküle zu einem winzigen Kristall gefrieren. Dies geschieht bei Temperaturen unter Null bevorzugt an kleinen Schwebeteilchen in der Luft. Tatsächlich kann man solche Teilchen in der Mitte vieler Kristalle ausfindig machen; der Eiskristall „keimt“ auf einem Staubkörnchen. Und bei diesem Prozess spiegelt sich eine besondere Eigenschaft des Wassers wieder, nämlich seiner Fähigkeit, Brücken zu schlagen: Die Wassermoleküle bilden die Eckpunkte eines Sechsecks. Wenn dieses mikroskopisch kleine Teilchen durch eine Wolke treibt, nimmt es immer mehr Wassermoleküle aus der feuchten Luft in seiner Umgebung auf, die sich an die Ecken oder Spitzen anlagern, auch, weil der Keim dort der umgebenden Luft am stärksten ausgesetzt ist. Kurz: Aus dem winzigen, nur aus wenigen Molekülen bestehenden Keim wird ein einige Millimeter großer Schneestern. Es entstehen Sprossen, Seitenarme, Verzweigungen und Verästlungen, manchmal aber auch größere Plättchen oder Säulen, die man unter dem Elektronenmikroskop erkennen kann.
Jede Schneeflocke ist einzigartig
Welche Form entsteht und wie das im Einzelnen geschieht, hängt von der „Reise“ des kleinen Keims in seiner Wolke ab, von seiner Umgebung: Bei tiefen Temperaturen werden andere Formen bevorzugt als bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt. Und die Luftfeuchte bestimmt ganz entscheidend, wie sich die Wassermoleküle anlagern. Allerdings haben reale Schneekristalle, im Gegensatz zu Grafiken, nie ganz genau gleiche Seitenarme, denn schon in ganz kleinen Bereichen können die Entstehungsbedingungen des Kristalls variieren.
Es gibt Wissenschaftler wie Kenneth Libbrecht, die erforschen, wie Eiskristalle unter kontrollierten Bedingungen wachsen, um so den Entstehungsbedingungen für einzelne Formen auf die Schliche zu kommen. Schneeflocken entstehen dann letztendlich, indem einzelne Kristalle sich dann locker in recht unterschiedlicher Art zu größeren Gebilden verhaken; viele fallen als ineinander verfilzte, gefiederte Bruchstücke zu Boden (Abb. 2). Die größten Schneeflocken fallen übrigens bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, bei großer Kälte schneit es kleine Flocken, denn es befindet sich dann nur wenig Wasserdampf in der Luft.
Schnee ist weiß – aber warum?
Das ist doch merkwürdig, denn Wasser und Eis sind ja durchsichtig, und Schnee besteht ja aus kleinen Eiskristallen. Die Farben unseres Alltags entstehen, wenn Licht mit Materie wechselwirkt: Licht kann von den Teilchen reflektiert, absorbiert (also verschluckt), in alle Richtungen gestreut oder fast ungehindert durchgelassen werden, solche Körper sind durchsichtig. Gegenstände erscheinen schwarz, wenn sie nahezu das gesamte einfallende Sonnenlicht absorbieren (und sich dabei ganz schön aufheizen können). Frischer Schnee besteht vor allem aus Luft. Die feinen sternförmigen Eiskristalle hängen nur locker, oft sogar nur an ihren Spitzen zusammen und schließen dabei viel Luft ein. So besteht Neuschnee nur etwa zu 10 % aus Wasser, der Rest ist Luft. Bekanntlich schützt eine dünne Schneedecke – ähnlich wie eine Daunendecke – den Boden unter sich vor dem Frost.
An der Grenzfläche zwischen Eiskristall und Luftbläschen wird das einfallende Licht nun wie an einem kleinen Spiegel reflektiert. Diese winzigen Spiegel sind jedoch völlig unregelmäßig verteilt, so dass das auftreffende Licht in alle möglichen Richtungen reflektiert wird. Solche Gegenstände nehmen wir als „weiß“ war, manchmal glitzert der Neuschnee durch diese vielfältigen Reflexionen sogar. Tatsächlich absorbieren die kleinen Eiskristalle, genauso wie Wasser, einen geringfügigen Rotanteil unseres Sonnenlichtes; das Licht erhält also einen leichten Blauton. Diese Färbung ist aber zu schwach, wir nehmen sie nicht wahr.
Gleißend – und man ist dann geblendet – wird eine Schneedecke übrigens erst dann, wenn sich auf der Oberfläche durch einen Tau-Gefrier-Zyklus eine ganz dünne Eisschicht gebildet hat, die wie ein großflächiger Spiegel das Licht der (tief stehenden) Sonne reflektiert.
Frisch gefallener Schnee knirscht!
Zunächst könnte man annehmen, dass beim Darüberlaufen mit den Schuhen die Luftbläschen aus dem Schnee heraus gepresst werden. Dies scheint man auch tatsächlich zu hören, das Geräusch ist jedoch „dumpf“, eher ein Knatschen oder Drücken. Man hört es bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Gemeint ist jedoch das trockene Knistern, wenn es richtig kalt ist und man durch frischen Pulverschnee läuft. Wahrscheinlich entsteht dieses Knistern, wenn bei jedem Schritt unzählige kleine Eiskristalle auseinander brechen. Bei Temperaturen unter -10 °C sind die Kristalle nämlich hart und spröde, so dass durch den Druck der Schuhsohlen Verbindungen aufbrechen. Auch ein geräuschvolles Verschieben einzelner, verketteter Schneekristalle, ja ganzer Schichten, ist möglich.
Lust auf mehr Winterliches? Auch in diesem Artikel geht es um Schneeflocken und hier werden winterliche Eispfützen näher untersucht. Und wenn man auf Schnee und Eis Salz streut, entsteht eine Kältemischung. Aber warum?