Alle sprechen von Schlüsselqualifikationen. Doch woher stammt dieser Begriff und wer hat ihn erfunden?
In jedem Stellenangebot findet man sie. Sie stehen gleich nach den beruflichen Qualifikationen und nennen sich gern Teamfähigkeit, Flexibilität oder Zuverlässigkeit. Die Rede ist von den sogenannten Schlüsselqualifikationen. Vor vierzig Jahren noch völlig unbekannt, werden sie nun von jedem Arbeitgeber gefordert. Doch woher stammt die Idee, nunmehr explizit nach Tugenden und persönlichen Fähigkeiten wie Kreativität und Zielstrebigkeit zu fragen?
Bildungsexpansion und Wirtschaftswachstum
In den 1970er erlebte Westdeutschland ein stetiges Wirtschaftswachstum. Bahnbrechende Erfindungen wurden gemacht, Neuerung folgte auf Neuerung. Immer mehr Wissen wurde nötig, um in der Arbeitswelt bestehen zu können. Und die Halbwertzeit dieses Wissens wurde immer geringer. Die Rahmenbedingungen veränderten sich teilweise schneller als neues Fachpersonal heranwachsen konnte. War ein Ingenieur endlich mit seinem Studium fertig, war vieles von seinem Fachwissen bereits veraltet, ohne dass er überhaupt praktische Erfahrungen gesammelt hatte. Nun musste der frischstudierte Akademiker ganz schnell neues (theoretisches) Fachwissen erwerben.
Aber nicht nur auf die akademischen Berufe traf das zu. Auch in Ausbildungsberufen entwickelten sich die Umstände meist so schnell, dass der Azubi und sein Lernplan nicht mehr mithalten konnten. Vielmehr musste der Auszubildende sich nach bestandener Prüfung dann selbst weiter bilden.
Schlüsselqualifikationen als Hilfsmittel
Der Volkswirt Dieter Mertens war in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts der Meinung, dass sich die berufliche Bildung mehr an den Erfordernissen des Arbeitsmarktes orientieren müsse, statt nur Faktenwissen zu vermitteln. Ein Arbeitnehmer müsse arbeitsmarktfähig bleiben und dies könne er nicht durch das teilweise veraltete Schul- und Ausbildungswissen.
Es wurde also nötig, dass Arbeitnehmer sich auf die veränderten Gegebenheiten einstellten. Dazu brauchten sie bestimmte Fähigkeiten, die Mertens erstmals als Schlüsselqualifikationen bezeichnete. Unter diesen Begriff fasste er Kenntnisse und Fähigkeiten zusammen, die sich nicht auf den Beruf bezogen, jedoch bei der Bewältigung (auch unvorhergesehener) Situationen helfen konnten. „“Schlüssel“ nannte er diese Qualifikationen, weil sie den Schlüssel zum Schloss der Bewältigung der Situationen darstellen.
Die vier Kategorien der Schlüsselqualifikationen nach Mertens
Dieter Mertens veröffentlichte 1974 seine Kategorisierung der Schlüsselqualifikationen. Hierbei beschränkte er sich auf vier Hauptgruppen:
- Basisqualifikationen: Hierunter fallen alle Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben, einzelne seiner Fähigkeiten miteinander zu verbinden. Deshalb sind logisches Denken und Kreativität dieser Kategorie zuzuordnen.
- Breitenelemente: Diese beinhalten Kenntnisse und Fähigkeiten, die für wiederkehrende Arbeiten benötigt werden, wie beispielsweise Lese- und Sprachverständnis, Arbeitstechniken oder EDV-Kenntnisse.
- Vintagefaktoren: Hierunter verstand Mertens alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die das Wissengefälle der Generationen verringern sollten. Die nächste Generation sollte (mindestens) so viel wissen, wie die Elterngeneration. Als Lernort benannte Mertens die Schulen.
Horizontalqualifikationen: Hierzu gehört alles, was dazu dient, auf Informationen zugreifen und diese möglichst effizient nutzen zu können. In der heutigen Zeit könnte man darunter Internetkompetenz oder ähnliches verstehen.
Die damalige Aufgliederung unterscheidet sich also stark vom heutigen Gebrauch der Wortes Schlüsselqualifikationen. Mertens Kategorisierung wurde viele Jahre kaum beachtet und er später von der Berufspädagogik wieder aufgenommen und weiter entwickelt. Mittlerweile gibt es fast unzählige Theorien und Gliederungssysteme zu dem Begriff der Schlüsselqualifikation, der häufig auch synonym für Schlüsselkompetenz oder soft sklills gebraucht wird. Alle haben aber eines gemeinsam: Schlüsselqualifikationen sollen dem Individuum die Anpassung an die sich ständig verändernden Berufsgegebenheiten erleichtern.