Ob Lehnwörter oder Berufsbezeichnungen, viele Elemente unserer heutigen Standardsprache haben ihren Ursprung in den großen Städten des Mittelalters.
Durch den Handel, die neuen Zünfte und der immer größeren Verwaltung entstanden in den größeren Städten wie Nürnberg, Augsburg, Köln und den Hansestädten immer mehr Fachwörter oder Lehnwörter, die sich aus den Fachsprachen, dem Lateinischen, Griechischen, Italienischen oder Französischen in die Alltagssprache einbürgerten. „Nachdem die Stadt Lübeck 1143 auf wendischem Gebiet gegründet worden war, entstand dort aus den verschiedenen deutschen Mundarten der Neubürger eine koloniale Ausgleichsprache.“[1]
Lehnwörter und Fachwörter
Die süddeutschen Handelsstädte bildeten einen kaufmännischen Sonderwortschatz, besonders in der Buchführung und im Rechnungswesen wie abziehen; bestellen; vorstrecken; Schuld/Schuldner; abschreiben; verfallen; Pfandbrief; Unterpfand
Durch den Handel mit den oberitalienischen Städten und dem italienischen Bank- und Kreditwesen kamen italienische Wörter in den deutsch Wortschatz wie netto; brutto; Giro; Firma; Bank. Die Amtssprache brachte viele lateinische Wörter mit. Da sich die Ämter untereinander austauschten, passierte diese Entlehnung im ganzen deutschsprachigen Raum relativ gleichmäßig. Beispiele sind: Quitt; Summe; Fazit; Kopie; Privileg
Durch die Kreuzzüge und durch den dadurch entstandenen Handel kamen romanische und orientalische Wörter in das Frühneuhochdeutsche wie Damast; Konfekt; Zucker; Zitrone. Auch der Mystik wurden viele Wörter entlehnt vor allem für die Philosophie wie Eindruck; wesentlich; einleuchten; Verständnis; Erleuchtung. Weitere Entlehnungen und neue Fachwörter kommen aus dem Bergbau Schicht; Schacht; Ausbeute; Fundgrube sowie im Buchdruck Buchbinder; Setzer; Verleger. Aus Bildung, Rechtswesen, Staatswesen, Künsten und Medizin kamen auch neue Wörter in die deutsche Sprache.
Durch die Verbindung von Zünften, Gilden und ganzen Städten zu den Fachbereichen entstanden so verschiedene Sprachen, die neben einander geschrieben und auch gesprochen wurden, wie die Sprache der Hanse. Sie hat viele Elemente aus der Schifffahrt ins Deutsche entlehnt wie Kai; Kapitän; Flotte; Kurs; entern; Kompass.
Zur Hanse gehörten nicht nur deutsche Städte wie Lübeck, sondern auch Städte aus dem Baltischen wie Riga oder Reval sowie Städte aus Skandinavien, England und den Niederlanden. Durch diesen Sprachwandel kamen neue Wörter in den deutschen Wortschatz und alte wurden ganz verdrängt oder ausgewechselt.
Rotwelsch und Jiddisch
Es gab in den Handelsmetropolen nicht nur reiche Bürger. Schon damals wurden zum Beispiel Juden verfolgt und in Ghettos gesperrt. Diese entwickelten ihre eigene Sprache, das Jiddische. Es entstand um 1300 aus dem Mittelhochdeutschen, dem Hebräischen und teilweise Slawischen und diente den Juden vor allem beim Handel, um sich vor den andren Käufern oder Verkäufern unterhalten zu können, ohne von diesen verstanden zu werden. Diese Sprache ist bei den israelischen und amerikanischen Juden noch verbreitet.
Einige Wörter aus dieser Sprache sind heute noch in der deutschen Sprache vorhanden, etwa Schofel – erbärmlich, Pleite – Bankrott, Schmiere stehen – Wache halten, Schlamassel – Missgeschick, blechen – zahlen, Kittchen – Gefängnis, schachern – feilschen.
Aus dem Jiddischen und der Zigeunersprache bildete sich unter den Bettlern, Betrügern, Räubern und Gaunern eine eigene Sprache, das Rotwelsch. Hauptmerkmal dieser Sprache ist ein eigener Wortschatz, vor allem bei den Substantiven. Mit diesem Volk reisende Studenten und Scholaren übernahmen einige ihrer Begriffe. Man findet Elemente dieser Sprache in Texten aus jener Zeit wieder, wie in Sebastian Brants Narrenschiff. [3]/[4]
Einige Beispiele: Stabüler – Brotsammler, Stabüll – Krüppel, Brediger – Bettler, Rübeling – Würfel, jenen – spielen, Breifuß – Gans
Entstehung der Familiennamen und Berufsbezeichnungen
In den Städten traten nicht nur neue Sprachen und Wörter auf, es entstanden auch die Nach- und Zweitnamen. Wenn Menschen in derselben Stadt denselben Vornamen hatten, gab man ihnen einen Beinamen, entsprechend dem Charakter oder dem Aussehen wie: Kleiner, Lang, Klug oder Rosskopf. Aber auch Berufe wurden oft verwendet wie: Müller, Maurer, Schneider und Bäcker. Diese Beinamen wurden in der Familie weitergegeben und vererbt. So bildeten sich die heutigen Familiennamen.
Durch die regionalen Unterschiede konnten Berufe verschieden bezeichnet werden, etwa der Beruf des Pfarrer: Leutprister. Vom Norden und Osten wird der Begriff Pfarrer immer mehr verbreitet und verdrängt immer mehr Richtung Süden und Westen den Begriff des Leutpristers. Während dieses Prozesses werden aber beide Begriffe parallel im Norden und Süden benutzt.
Ähnlich ist es mit der Berufsbezeichnung des Töpfers/Hafners/Pötters; Klempner/Spengler/Blecher; Schreiner/Tischler. Hier sieht man auch die Abstammungen einiger heute bekannten Familiennamen.
Eine der größten Gruppen unter diesen Berufsbezeichnungen war die des Metzgers, Fleischers, Fleischhauers, Schlachters, Fleischhackers, Fleischackers, Knochenhauers, Lästerers, Küters, Metzlers, Geislers, Metzingers, Fleischhäckels oder Fleischmanns. Die Berufs- und damit Namensbezeichnungen variierten Regional sehr stark.[5]
Siehe zu diesem Thema auch den Beitrag über den Einfluss der Städtebildung auf unsere Sprache.
[1] Stedje, Astrid: Deutsche Sprache gestern und heute. Einführung in Sprachgeschichte und Sprachkunde. 5. unveränderte Auflage, München 2001. S. 109.
[2] Vgl. Hartweg, Frédéric; Wegera, Klaus-Peter: Frühneuhochdeutsch. Eine Einführung in die deutsche Sprache des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. 2., neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2005. S. 196.
[3] Stedje, Astrid: Deutsche Sprache gestern und heute. Einführung in Sprachgeschichte und Sprachkunde. 5. unveränderte Auflage, München 2001. S. 106.
[4] Vgl. Hartweg, Frédéric; Wegera, Klaus-Peter: Frühneuhochdeutsch. Eine Einführung in die deutsche Sprache des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. 2., neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2005. S. 197.
[5] Hartweg, Frédéric; Wegera, Klaus-Peter: Frühneuhochdeutsch. Eine Einführung in die deutsche Sprache des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. 2., neu bearbeitete Auflage, Tübingen 2005. S. 185-192.