Wo liegen die Stärken des Tieres „Mensch“? Ein Exkurs in die Kommunikationsanthropologie.
Es gibt kein direkteres und unverfälschteres Medium zwischen unserem inneren Selbst (unseren Gedanken) und der Außenwelt, als unsere physische Präsenz. Der Körperbau des Homo sapiens sapiens hat nun in seiner langen Entwicklungsgeschichte eine Ausprägung erreicht, die maximales Kommunizieren ermöglicht. Wir empfangen, sofern wir nicht körperlich eingeschränkt sind über 5 Sinne unsere Informationen und können selbige über das einzigartige Medium Körper auch wieder an unsere Umwelt weiter leiten. Der Körper ist Sender-Empfänger-Station und Medium gleichzeitig. Er kann Mittler und Sender zugleich sein. Denn der eigentliche Kommunikationsprozess beginnt im Kopf. Unsere Nervenbahnen übermitteln die Information an unsere Lippen, Hände und sämtliche zur Kommunikation beitragenden Körperteile, die diese Informationen dann veräußern und darstellen.
Forschungsfeld: Kommunikationsanthropologie
Die Kommunikationsanthropologie beschäftigt sich mit der menschlichen Sprachfähigkeit. Das Forschungsfeld der Medien- und Kommunikationsanthropologie steckt jedoch noch in den Kinderschuhen und wartet auf intensivere Beleuchtung. Es existieren jedoch zahlreiche interdisziplinäre Arbeiten von renommierten Wissenschaftlern aus vielen Disziplinen, die sich des Themas Ur-Kommunikation des Menschen und Grundmedium Körper bereits angenommen haben.
Freud’s Prothesengott
Der Psychoanalytiker Sigmund Freud war schon früh der Ansicht, dass der Mensch ein schlecht ausgebildetes Tier war. Ein Individuum, geboren ohne besondere Spezifikationen und ohne besonders herausragende Fähigkeiten. Schwach und ungeschützt fehlen dem Menschen zum Überleben die essentiellen Körperteile, wie sie alle anderen Lebewesen auf der Erde besitzen. Doch der Mensch hat eines: Sein überaus hoch entwickeltes Gehirn ist in der Lage Laute zu bilden die uns die Verständigung wesentlich erleichtern und somit auch die Erfassung und Verarbeitung unserer Umwelt. Der große deutsche naturforscher Wilhelm von Humboldt hat erkannt, dass man erst dann sein Denken in nutzbare Bahnen lenken kann, wenn man die Sprache als Medium benutzt. Humboldt nennt die Sprache auch das bildende Organ der Gedanken. Der Mensch hat keine andere Möglichkeit etwas zu kopieren, und somit zu speichern, als es mittels Sprache in seinem Gehirn zu festigen und somit Gegenstände, Situationen und Orte nach zu bilden.
Freud hingegen nennt den Mensch einen Prothesengott, da er seine körperlichen Defizite mittels Intelligenz, und in weiterer Folge mit der Konstruktion technischer Hilfsmittel ausgleicht. Kultur sei alles, womit sich der Mensch gegen die Natur schützt und all jenes was das Zusammenleben der Menschen regelt. Zudem verlangt der Mensch von seiner Kultur ein System. Dieses muss das kulturelle Empfinden ordnen, Reinlichkeit und Schönheit ausstrahlen und die Pflege höherer psychischer Wünsche ermöglichen. Diese dienen aber nur dem reinen Selbstzweck, so Freud.
Sind wir kulturschaffend?
Kulturen existieren, weil sie existieren wollen. Unabdingbar ist dabei die Einzigartigkeit, die eine Kultur ausmacht. Nun erfordert die Entwicklung einer individuellen unabhängigen Kulturellen Entfaltung natürlich Autonomie. Doch ist Autonomie nicht eine Frage der Anerkennung?
Anerkennung wird laut Duden mit einer Erlaubnis eines Subjekts (einer Person oder einer Gruppe), das sich mit seinen derzeitigen spezifischen Eigenschaften an einem Kommunikationsvorgang mit anderen Subjekten, oder Subjektgruppen zu beteiligen, definiert. Dies setzt wiederum die Akzeptanz des Kommunikationssystems des einen Subjekts durch das andere Subjekt voraus. Oder mit anderen Worten: Wenn eine Person aufgrund ihrer Eigenständigkeit nicht Akzeptiert wird, besitzt sie keine Eigenständigkeit und kann somit an der Kommunikation nicht teilnehmen.
Kultur und Anerkennung
Anerkennung ist zur Bildung des Selbstbewusstseins notwendig. Das soll bedeuten, dass niemand für sich selbst diese Entwicklungsstufe erreichen kann. Erst wenn mehrere „Bewusstseins“ aufeinander treffen, ereignet sich das Phänomen „Anerkennung durch Andere“.
Der Begriff der Anerkennung findet in Vielen Bereichen des Lebens Eingang. Zumeist jedoch in Sozial- und rechtsphilosophischen Kontexten. Primär, und so sieht es auch der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel, ist der „Kampf um Anerkennung“ immer ein Heraustreten aus dem Naturzustand. Der Kulturforscher Alexander García Düttmann sieht in jeder Kultur ein System dass andere Systeme beeinflusst und von anderen Systemen beeinflusst wird. Seiner Auffassung nach findet Anerkennung in der Kultur oder der Multikultur statt, Dieser Vorgang setzt aber wiederum Kultur aufs Spiel. Und egal ob Kultur oder Multikultur. Handelt es sich um eine zahlenmäßige oder einflussschwache Kultur so ist es eine Minderheit. Und Minderheiten deuten im Allgemeinen ihre Identität als eine kulturelle. Somit fordern sie Anerkennung von anderen Kulturen gegenüber ihrer eigenen ein.
Anerkennung durch Kommunikations-Codes
Düttmann sieht bei diesem Anerkennungsprozess ein zentrales Problem: Nämlich, dass je mehr eine Kultur ihre Einzigartigkeit von anderen einfordert, sprich auf ihre Einzigartigkeit beharrt um sich von anderen noch stärker ab zu heben, desto unvermittelter setzt sie sich in ihrer ganzen Singularität einer anderen Kultur aus. Düttmann spricht sogar davon, dass diese eine Kultur in eine andere übergeht. Obgleich nun eine Kultur an Dominanz gewinnt, oder ob sie sich Rezessiv in eine Dominanten Kultur unterordnet, oder ob sie versucht ihre Eigenständigkeit zu bewahren, obwohl ihre Anerkennung zu Gering ist um an die absoluter Bedeutungsspitze zu gelangen, sie Benötigt ein Mittel um ihre Annerkennungsgelüste durch zu setzen. Einen Motor, der das Wechselseitige Spiel um anerkennen und anerkannt werden voran treibt und die Netzwerke der Multikulturellen Identität miteinander verknüpft. Dieser Motor ist die Kommunikation, ohne die es einen Indikator wie Identität gar nicht geben könnte. Denn wie Soll man Identität schaffen, wenn niemand das schaffende erkennen kann, weil er die Codes nicht „lesen“ bzw. sich daran erinnern kann?