Kaum beachtet oder erkannt – die Sucht gebraucht zu werden. Hauptsächlich Frauen leiden unter dieser Form von Sucht. Ständige Verlustängste und oft auch körperliche Beschwerden sind an der Tagesordnung.
Jeder Mensch sehnt sich nach Liebe und Zuneigung. Deshalb wird diese Form der Sucht meist nicht als Krankheit angesehen. Es ist doch schön, geliebt zu werden. Oder umgekehrt, jemanden lieben zu können ist ein Glück. Das ist es normalerweise auch. Aber in diesen speziellen Fällen geht das „Lieben“ mit einem kompletten Mangel an Eigenliebe und Selbstwertgefühl einher. Ständige Zweifel an sich und seinem Verhalten und ununterbrochenes Spüren von Schuldgefühlen machen das Leben zur Hölle.
Viele der Leidtragenden erkennen ihr Suchtverhalten in Beziehungen nicht. Erst wenn der Leidensdruck extrem stark ist und sich körperliche Beschwerden manifestieren, suchen die betroffenen Frauen und Männer einen Therapeuten auf.
Definition und Symptome
Alles dreht sich nur um diese eine Person, die man liebt. Um ihre Probleme, um ihre schlimme Kindheit und um ihre Bedürfnisse. Eigene Bedürfnisse werden erst gar nicht erkannt und wenn, dann verdrängt oder verschoben. Die furchtbare Angst verlassen zu werden und alleine zu sein, hält die Betroffenen davon ab, nein zu sagen oder selbst zu gehen. Als Ausrede vor sich selbst und anderen heißt es dann: „Aber ich werde doch gebraucht.“
Oft sind die Betroffenen jahrelang in einer unbefriedigenden Beziehung, oder haben ständig wechselnde Partner. Wobei meist sie diejenigen sind, die verlassen werden. Die Schuld dafür geben sie sich immer selbst. Sie werfen sich vor, den Partner nicht genügend geliebt zu haben, zu wenig für ihn getan zu haben, obwohl er sie doch offensichtlich so sehr gebraucht hat. Meist suchen sich die Betroffenen Partner, die selbst in einer Abhängigkeit leben. Sei es Alkohol, Drogen oder Krankheit. Folgende Verhaltensweisen haben fast alle Betroffenen gemeinsam:
- Ihnen liegt nur das Wohl des anderen am Herzen. Ihr eigenes Wohl ist nachrangig.
- Ihr Denken geht nur darum, zu erreichen, dass er sie noch mehr braucht.
- Sie setzen Sex als Mittel ein, den Partner zu manipulieren, ihn an sich zu binden oder zu ändern.
- Angst, Sorge, Leiden und Erregung wird als „Liebe“ empfunden.
- Sie fühlen sich nur zu Partnern hingezogen, um die sie ständig kämpfen müssen.
Wenn Liebe mit Schmerz verwechselt wird
Was sind die Auslöser für solch ein Verhalten? Normalerweise wird der Betroffene vom Therapeuten zu seiner Herkunftsfamilie befragt. In den meisten Fällen kommen die Betroffenen aus sogenannten dysfunktionalen Familien. Ist ein Elternteil z. B. die Mutter alkoholabhängig, übernimmt das Kind die Verantwortung für den Erwachsenen. Es umsorgt den Elternteil und tut alles, damit es der Mutter gut geht. Das Gefühl von der Mutter gebraucht zu werden, ersetzt somit die emotionale Armut, in der das Kind aufwächst. Gebraucht werden heißt fortan für das Kind geliebt werden. Seine eigenen Bedürfnisse werden von der Mutter nicht bedient. Geht es der Mutter schlecht, gibt sich das Kind die Schuld. Das Kind erlebt Liebe nicht als schönes Gefühl, sondern als Schmerz.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie es zu Verhaltensweisen dieser Art kommen kann.
Therapie und Erfolgsaussichten
Der erste Schritt zu einer Therapie ist getan, wenn die Betroffenen ihr Verhalten erkennen und sich ernsthaft Hilfe suchen, um dies zu ändern. In der Therapie werden Denk- und Verhaltensweisen des Patienten analysiert, aufgezeigt und sollen zu einem Ziel führen: Dem Aufbau von Selbstliebe und Selbstachtung. Sich selbst zu akzeptieren und sein Selbstwertgefühl nicht mehr aus einer Beziehung, bzw. aus dem „gebraucht werden“ zu holen. Dies ist sicher ein langer, aber lohnender Weg zu einem neuen, freien und selbstbestimmten Leben.
Aber auch die Angehörigen suchtkranker Menschen brauchen Hilfe. Je früher sie Hilfe suchen, für sich und für ihre Kinder, umso geringer ist die Gefahr, selbst in Abhängigkeiten zu rutschen.
Zahlreiche Hilfsorganisationen für Sucht und Familienprobleme in ganz Deutschland stehen Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite und sind oft der erste Weg zu einem besseren Leben.