Schiffsbetrieb und Tankerunfälle kosten Flora und Fauna das Leben. In den Meeren dümpelt der Müll der Nationen. Wo Achtlosigkeit am Ruder sitzt oder Abkommen und Strafen versagen, verenden schnell Pflanzen und Tiere an tückischen Giften.
Weder Mülldienste noch selbstreinigende Abflüsse sorgen auf See für gesunden Lebensraum. Wer im Haushalt schon einmal auf frisches Wasser verzichten oder wochenlang seinen Abfall vor der Tür stapeln musste, weisß bestimmt die Perle aller Lebensmittel oder ein sauberes Heim sehr zu schätzen. Springkrebse, Heringe oder Krill, Seetang, Korallen oder Muscheln halten das ebenso. Doch im Gegensatz zum Menschen bleibt ihnen meist kein Ausweg mehr, wenn Unrat, Öle und Gifte ihre Heimat verseuchen. Denn das Wasser ist ihr Zuhause.
Schon im Normalbetrieb verunreinigen Schiffe oder Bohrinseln die Weltmeere
Nicht nur große Ölkatastrophen bedrohen die empfindlichen Ökosysteme der Meere und Ozeane. Auch zig-tausende andere Verschmutzungen kommen täglich hinzu, von denen niemand spricht. Keine Plastiktüte, keine Styroporflocke, keine Dieselgallone, die die Weltmeere schlucken, verlässt von selbst wieder ihren Bauch. Denn Fremdstoffe sind in diesem Lebensraum naturgemäß nicht vorgesehen. Das Ökosystem baut sie deshalb gar nicht oder nur sehr langsam ab. So bleiben sie eine stete Gefahr für alle Meeresorganismen: Teile des über Bord geworfenen Schiffsmülls geraten zum Beispiel leicht in den Schlund oder zwischen die Kiemen der Fische. Während sie versuchen, sich davon zu befreien, verletzen sie sich oder ersticken daran.
Noch gefährlicher für das Ökosystem sind giftige Flüssigkeiten. Denn die Wellen mischen sie unaufhörlich ins Wasser ein, so dass sie sich rasch über große Flächen verteilen. So dringt die lebensbedrohende Fracht ungehindert auch zu weiter entfernten Lebensräumen vor. Schon der normale Schiffs- und Bohrinselbetrieb verunreinigt täglich weltweit kostbares Meerwasser. Dabei sammeln sich flüssige Verunreinigungen naturgemäß leichter an längs stark befahrener Schifffahrtsrouten oder in flachen Gewässern, wie der Nord- und Ostsee, als zum Beispiel im Atlantik.
Ölverklebte Fische ersticken, flugunfähige Seevögel ertrinken
Kommen in diesen Zonen sauerstoffärmeren Wassers noch illegale Öleinleitungen hinzu, bricht das bereits geschwächte Ökosystem dort schnell zusammen. Der schmierige Ölfilm blockiert jetzt nicht nur den lebenswichtigen Gasaustausch zwischen Luft und Wasser, sondern verklebt auch die Kiemen der Fische, die daran allmählich ersticken. Schwärme ölbenetzter Seevögel stranden flugunfähig zum Sterben am Ufer oder ertrinken erschöpft fernab der Küste. Während der übelriechende Belag schon ihren wasserabweisenden Gefiederschutz zerstört, schnäbeln sie noch hektisch, aber vergeblich durch die Federn, um ihn wieder herauszuputzen. Allein in der Nordsee werden jährlich 260.000 Tonnen Öl illegal eingeleitet. Für die Ostsee beziffert der World Wildlife Fund diese Menge auf 60.000 Tonnen.
Wenn Heringe, Lachse oder Muscheln in der Nahrungskette fehlen
Ob ein Schiffer seinen Maschinenraum reinigt und das Gemisch (Bilgenöl) aus Schmieröl, Putzmitteln, Treibstoffresten und Kühlwasser ins Wasser ablässt, oder ob Erdöl aus einer rostenden Leitung am Meeresgrund austritt, immer gelangen hochgiftige und krebserregende Verbindungen in die Nahrungsketten. Diese nehmen ungehindert ihren Weg zum Beispiel vom pflanzlichen Plankton über den Hering, Dorsch oder Lachs zum Seeotter, zur Robbe oder zum Seeadler bis hin zum Menschen. Dabei reichern sich die Stoffe teilweise so stark an, dass einzelne Glieder der Nahrungskette ganz ausfallen und ökologische Gleichgewichte dadurch kippen.
Wasserlösliche Kohlenwasserstoffe machen Meerestiere zu Krüppeln
Bis sich belastende Stoffe über die gesamte Nahrungskette anreichern, vergehen oft Monate oder Jahre. Erst dann zeigen sich die ökologischen Folgen mit allen Konsequenzen, also nicht nur bei einer unfallbedingten Ölpest. Spülwassereinleitungen (Slops) nach der Öltankreinigung auf See oder das Ablassen von Restölmengen ins Meer (Verklappung) greifen ebenso nachhaltig in die Nahrungsketten oder ins Ökosystem ein.
Noch ein Jahr nach der Havarie des Öltankers „Prestige“ im Jahr 2002 stellte die Umweltschutzorganisation Greenpeace bei Meerestieren schwere körperliche Schäden und Veränderungen des Erbguts fest. Besonders litten Muscheln, Seeigel, Krabben und verschiedene Fischarten darunter. Ihre eingeschränkte Beweglichkeit hinderte sie daran, rechtzeitig aus der Gefahrenzone zu entkommen. Hochgiftige wasserlösliche Kohlenwasserstoffe rufen nachweislich die lebensbedrohlichen Missbildungen, Verformungen und Geschwüre hervor. Die leicht flüchtigen Stoffe sind in Roh- und Schwerölen enthalten, die in Tankern mit zig-tausend Tonnen Ladevolumen transportiert werden.
Schwermetalle, Pestizide oder Dioxine belasten Organismen zusätzlich
Oft sind die Meeresbewohner jedoch bereits geschädigt, bevor das Öl ihren Lebenraum verseucht. Denn aus Industrieanlagen oder der Landwirtschaft kommen Schwermetalle, Pestizide oder Dioxine hinzu, die das Wasser der Flüsse pausenlos in Meere und Ozeane einschwemmt. Viele Meeresorganismen nehmen die hochbelastenden Stoffe schließlich ebenfalls über den Nahrungskreislauf auf. So tragen sie häufig nicht nur Quecksilber und gelöste Reste von Pflanzenschutzmitteln erheblicher Konzentrationen in sich, sondern ebenso wasserlösliche Kohlenwasserstoffe aus Ölverschmutzungen.
Schon eine Einfachbelastung gefährdet zum Beispiel eine Heringspopulation erheblich, ein Giftcocktail dieser Stärke jedoch löscht früher oder später die ganze Art aus. In der Folge verschieben sich damit in den Ozeanen und Meeren allmählich wichtige Gleichgewichte, die dort auf natürliche Weise vielfältiges Leben sichern. Darüberhinaus überlagert sich der durch Ölverunreinigungen angekurbelte ökologische Schaden mit den Folgen der erhöhten Kohlenstoffaufnahme der Weltmeere.
Während internationale Abkommen (zum Beispiel MARPOL Übereinkommen) die Meere schützen und Küstenwachen den Schiffsbetrieb kontrollieren, befördern Tanker aller Länder Jahr für Jahr über zwei Milliarden Tonnen Rohöl oder Ölprodukte über die Weltmeere. Zwar regeln dabei genaue Vorschriften die Seemannsarbeit, der ökologische Gedanke jedoch kommt oft zu kurz.