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Wenn die Bäume schlafen gehen – Herbstlaub und fallende Blätter – die biologischen Hintergründe

Jeder weiß, dass sich bei den meisten Laubgehölzen im Herbst die Blätter erst verfärben und dann abfallen. Doch warum tun Bäume und Sträucher das?

Herbstlaub ist eine prächtige Sache, auch wenn sich der Wald bei uns nicht so bunt verfärbt wie in Nordamerika. Das liegt daran, dass in unserem Wald die Buche vorherrscht, deren Blätter weder rot noch gelb, sondern lediglich braun werden und allenfalls, wenn die Sonne darauf scheint, einen leichten goldenen Schimmer bekommen. Im Norden der USA und in Kanada hingegen gehören zur Waldgesellschaft viele Bäume, die sich bunt verfärben. Allerdings gibt es auch bei uns ein paar Arten, die ein prächtiges Herbstgewand anlegen. Sie sorgen wenigstens für ein paar Farbtupfen im herbstlichen Braunerlei der Buchen und lassen wenigstens manche Hecken und Feldgehölze, wo sie öfter vorkommen, dann doch recht bunt werden. Auch Parks und Gärten können im Herbst ordentlich farbig werden, weil dort manche Exoten und Ziergehölze stehen, die man teilweise nicht zuletzt des Herbstlaubes wegen gepflanzt hat.

Biologische und Physikalische Hintergründe des Laubfalls

Wer es poetisch betrachtet, könnte zu der Aussage neigen, dass es der erste Herbstnebel ist, der die Blätter bunt macht, denn oft sieht es in der Tat so aus. Der tatsächliche Grund für den Laubfalls ist aber ein wesentlich profanerer: Er hat mit dem Wassertransport im Baum zu tun.

Wenn ein Baum grüne Blätter hat und seinem sommerlichen Tagesgeschäft nachgeht, zieht er mit den Wurzeln Wasser aus dem Boden, welches im Splintholz nach oben steigt, in die Blätter gelangt und dort zum Teil für die Vorgänge der Photosynthese benötigt wird, zum Teil aber auch verdunstet. Dass das Wasser nach oben steigt, liegt an der Kapillarwirkung der engen Leitungsbahnen im Holz.

Sie wirken wie ein Lampendocht, in dem das Öl nach oben steigt, da es aufgrund der Adhäsion bestrebt ist, die Flächen der Fasern im Docht zu benetzen. Die Zwischenräume zwischen den Fasern eines Dochtes und die Leitungsbahnen im Splintholz eines Baumes sind so eng, dass das Lampenöl und das Wasser im Baum auf diese Art ziemlich weit hochgezogen werden können. Weil die Flüssigkeit – beim Lampendocht durch Verbrennen, beim Baum durch Verdunstung und Verarbeitung in den Blättern – aber oben ständig entnommen wird, zieht die Adhäsion, hier auch als Kapillarkraft bezeichnet – ständig neues Lampenöl beziehungsweise Wasser nach.

Dieser Vorgang funktioniert umso besser, je wärmer es ist. Wird es nun im Herbst kälter, klappt der Wassertransport im Baum irgendwann nicht mehr. Da aber auch bei niedrigen Temperaturen Wasser aus den Blättern verdunstet, würde der Baum austrocknen. Also muss er sich seiner Blätter entledigen. Dafür, wie lange der Wassertransport im Baum funktioniert, spielt neben der Temperatur auch das Wasserangebot ein Rolle. Deswegen setzen Verfärbung und Laubfall an trockenen Standorten und in einem trockenen Spätsommer und Herbst früher ein als unter feuchteren Bedingungen.

Und die Nadelbäume?

Warum aber behalten Nadelbäume wie die Fichte im Winter ihre Nadeln? Die Antwort auf diese Frage liefert die Konstruktion dieser besonderen Form von Blättern: Die Nadeln der Nadelgehölze können die Verdunstung über die Spaltöffnungen an der Unterseite besser steuern als die Blätter der Laubgehölze. Sie sperren bei den sinkenden Temperaturen im Herbst einfach die Verdunstung und bannen auch mit dieser Maßnahme die Gefahr des Austrocknens durch Kälte.

Ganz offensichtlich kann ein Nadelbaum mit dieser „Technologie“ die Phase des Jahres besser ausnutzen, in der die Temperaturen den Transport von Wasser per Kapillarwirkung erlauben. Der Laubfall und das Ausschlagen der Laubgehölze sind aufwendige Aktionen, mit denen sich die Bäume für längere Zeit auf Wärme oder Kälte einrichten. Mit ihren Nadeln können die Nadelgehölze flexibel reagieren und so praktisch bereits die ersten warmen Tage im Frühjahr und auch die letzten im Herbst nutzen.

Dass als Nadeln ausgebildete Blätter hilfreich in Gegenden mit kaltem Klima sind, sieht man daran, dass der Anteil der Koniferen an den Gehölzen zunimmt, wenn man im Gebirge höher steigt und/oder weiter nach Norden geht. Aber auch für trocken-heißes Klima eignet sich das Prinzip: Auch in südlichen Ländern gibt es typische Nadelbäume, wie etwa die Pinie.

Nun stellt sich aber die Frage, warum jetzt die Europäische Lärche, die doch ganz klar ein Nadelbaum ist, ihre Nadeln im Herbst abwirft wie ein Laubbaum seine Blätter? Auch sie hat dafür einen triftigen Grund, der aber nichts mit der Verdunstung zu tun hat: Die Lärche ist ein typischer Gebirgsbaum und hat daher oft Probleme mit der Schneelast. Dadurch, dass im Winter keine Nadeln an den Zweigen sind, bleibt weniger Schnee darauf liegen und die Gefahr des Schneebruchs wird vermindert.

Warum sich die Blätter verfärben

Warum machen sich nun aber viele Bäume die Mühe, ihre Blätter erst noch hübsch bunt zu färben, bevor sie weggeworfen werden? Nun, das Färben der Blätter ist keine Mühe für den Baum, sondern ergibt sich aus den Vorgängen, die in den Blättern ablaufen, bevor der Baum sie abwirft.

Die Blätter enthalten eine ganze Menge Stoffe, die für den Baum wertvoll sind und die er mit hohem Aufwand produziert hat. Um die wäre es ja schade und so zieht er sie in der Regel heraus und speichert sie auf, bevor er ein Blatt abstößt. Einer der ersten Stoffe im Blatt, der verschwindet, ist meist das Chlorophyll, das Blattgrün. Wenn es weg ist, sieht man ganz einfach die anderen Stoffe, die noch im Blatt sind, das gelbe Xanthophyll und/oder das rote Karotin, deren Farbe vorher durch das Blattgrün überlagert wurde. Offenbar sind aber nicht alle Bäume bei diesem Vorgang gleich effizient: Die Esche etwa wirft ihre Blätter ab, ohne dass diese sich vorher verfärben.