Noch ist die ernsthafte Besiedlung des Weltraums reine Utopie, aber bereits jetzt denken Designer und Architekten über Weltraumklos und Space-Architektur nach.
Wer auch nur ein wenig Wert auf Ästhetik, Stil und Bequemlichkeit legt, ist mit dem Arbeitsplatz oder gar Urlaubsort Weltraum in unserer Zeit äußerst schlecht beraten. Selbst die Krönung der derzeitigen Space-Technologie, die Internationale Raumstation ISS, die in 400 Kilometern Höhe Ihre Bahnen um die Erde zieht, unterbietet jede Billigferienanlage der Dritten Welt um etliche Parsek. Fans des Weltraumtourismus sprechen selbst der seit langem nicht mehr fliegenden russischen Bruchbude MIR mehr Charme zu, besaß ihr von Reparaturen und von wild durch die Station verlegten Leitungen überquellendes Innere wenigstens den Charme einer Wohngemeinschaft aus durchgeknallten Düsentriebs.
Möbel für die Schwerelosigkeit
Doch wenn es nach Designern und Architekten geht, könnte das All doch noch eine echte Spielwiese der Avantgarde werden. Die Herausforderung, für eine völlige neue Umgebung phantasievolle Bauten und der Unendlichkeit des Raumes angemessene Strukturierung zu ersinnen, wird dabei durch die besonderen Anforderungen an Architektur in einer unwirtlichen Gegend gesteigert. Die fehlende Schwerkraft sorgt beispielsweise dafür, dass lediglich relative Bezüge zwischen den Gegenständen des Raumes existieren, jedoch kein oben und unten. „Das Mobiliar selbst spielt dabei keine stützende Rolle, sondern dient dazu, eine Beziehung zwischen dem Gegenstand und seinem Nutzer festzulegen“, behauptet etwa Ted Krueger, Architekturprofessor an der University of Arkansas. Deutsche Space-Planer machen sich da erheblich pragmatischere Gedanken. Preisgekrönt ist der Entwurf „Pneo“ der Designerin und Physikerin Aleksandra Konopek, die eine faltbare und damit leicht zu transportierende Kugel ersonnen hat, die im All pneumatisch zu voller Größe erwachsen soll, so dass sie entweder als Forschungsstation oder Tourismusgimmick genutzt werden könnte. Ein Weltraumfertigbau, der Maßstäbe setzen könnte.
10.000 Menschen im All
Raumstationen als Spielwiese der Weltraumarchitekten waren nicht die erste Wahl für extraterrestrische Baumaßnahmen. In der Frühphase der zunächst mentalen Expeditionen ging man noch davon aus, fremde Planeten oder wenigstens den Mond zu besiedeln. Der Vorteil der Schwerelosigkeit und rund um die Uhr verfügbarer Sonnenenergie brachte dann die autonomen Weltrauminseln ins Spiel. Die Visionen waren dabei vor dreißig Jahren sogar kühner als heute: Mehr als 10.000 Menschen sollten Platz finden – so die Vorgabe eine NASA-Workshops im Jahr 1975. Herausgekommen sind Visionen von Halbkugeln mit einem Durchmesser von einem Kilometer, wie der sogenannten „Bernal Sphere“, in der Gewächshäuser Nahrung, Wasser und Atemluft liefern sollten.
Science Fiction Fans aller Couleur warten seit Jahren sehnsüchtig auf die Realisation wenigstens etwas spektakulärerer Raumarchitektur. Schließlich stammt die erste Vision einer bemannten Raumstation bereits aus dem Jahr 1869 und schon 1923 ersann Hermann Oberth eine der typischen radförmigen Konstruktionen, wie sie manches Science Fiction Cover zierten. Realitätsferne Utopien, wie sich herausstellte. Denn vor MIR und ISS schaffte es nur wenig sinnlicher Weltraumschrott wie das Skylab ins Orbit, das bei seinem Absturz 1979 zwar eine australische Kuh tötete, aber selbst dabei optisch eine Katastrophe blieb.
Auftragsvolumen und Testläufe
Ein Dilemma der Space Architekten, abgesehen davon, dass kaum jemand ihre Schöpfungen von außen betrachten kann, ist das derzeit geringe Auftragsvolumen, das kaum Raum zum Experimentieren lässt. Anstatt auf eine Zukunft grassierender Space Migration im Stile Timothy Learys zu warten, testen die engagiertesten unter den Visionären ihre Ideen daher lieber ganz irdisch. So simulierte das künstliche Ökosystem Biosphere II in der Wüste von Arizona zwei Jahre lang Autonomie. Da aber momentan immer noch wohnungslose Roboter gen Mars düsen, könnte der reale Einsatz einer Biosphärenkuppel noch ziemlich lange reines Wunschdenken bleiben.