Wasserläufer können dank der Oberflächenspannung des Wassers und ausgeklügelter Ortung rasant nach Beute jagen – schwimmen können sie jedoch nicht.
Wasserläufer, die bekannten Oberflächenräuber unserer heimischen Gewässer, zu beobachten ist faszinierend: Mit großer Geschwindigkeit flitzen die wie glitzernde Punkte wirkenden Tiere auf der Wasseroberfläche dahin. Der nur 8 – 10 mm große Winzling besiedelt einen außergewöhnlichen Lebensraum, er lebt auf der Wasserhaut, die durch die Oberflächenspannung des Wassers entsteht.
Die Oberflächenspannung des Wassers
Die Oberflächenspannung ist ein Maß für die Schwierigkeit, die Oberfläche einer Flüssigkeit auszudehnen und im Extremfall zu zerstören. Während im Inneren einer Flüssigkeit jedes Molekül Nachbarmoleküle hat, von denen es angezogen wird, befindet sich an der Wasseroberfläche eine Schicht, die von den darunter liegenden Wassermolekülen nach innen gezogen wird. Wasser hat eine im Vergleich zu anderen Flüssigkeiten große Oberflächenspannung und bildet dadurch eine Art Oberflächenhaut aus. Die Wirkung dieser Oberflächenspannung zeigt sich, wenn man ein Trinkglas so weit füllt, dass sich das Wasser über den Rand wölbt.
Wieso gehen Wasserläufer nicht unter?
Für Menschen ist die Oberflächenspannung eine vergleichsweise schwache Naturkraft. Für Tiere auf der Wasserhaut dagegen ist sie von lebenswichtiger Bedeutung als tragfähige Membran. Man kann beobachten, dass die im Ruhezustand weit gespreizten, aufliegenden sechs Beine der Wasserläufer kleine Dellen in die Wasseroberfläche drücken ohne diese zu durchbrechen. Ein Fuß kann mehr als 4 mm tief in eine Wasseroberfläche einsinken, bevor er sie durchstößt. Wasser abstoßende Haare auf den langen Beinen, die immer wieder sorgfältig nachgefettet werden, sorgen dafür, dass die Insekten nicht untergehen. Zusätzlich haben die feinen Borsten an den Füßen der Wasserläufer kleine Grübchen, die mit Luft gefüllt sind und wie winzige Luftkissen wirken. Mit den langen mittleren Beinen eilen die Wasserläufer schnell und geschickt über die Wasseroberfläche. Die Hinterbeine, die während der Bewegung auf einer Art Schienen aufliegen, dienen der Steuerung und Stabilisierung der Bewegung.
Wasserläufer – die perfekten Ruderer
Wie Wasserläufer allerdings über die Wasseroberfläche eilen, lässt sich nur schwer beobachten. Das schnelle Hin und Her erinnert entfernt an ein Luftkissenboot oder an einen Schlittschuhläufer. Lange Zeit nahm man an, dass sie den für ihre Fortbewegung nötigen Rückstoß durch feine Oberflächenwellen erhalten, die sie erzeugen, wenn ihre langen Beine das Wasser berühren.
Aufnahmen mit Hochgeschwindigkeitskameras zeigten jedoch, dass Wasserläufer über die Wasseroberfläche „rudern“, die feinen Oberflächenwellen sind Folge und nicht Ursache dieses Antriebs. Beim Starten hebt das Insekt zuerst die kurzen Vorderbeine an und verlagert das mittlere Beinpaar so weit wie möglich nach vorne. Nun zieht der Wasserläufer mit einer raschen und kräftigen Bewegung das überlange Beinpaar nach hinten durch. Die Beine sind dabei wie Ruder so weit wie möglich ausgebreitet, die gelenkig verbundenen Borsten vergrößern die wirkende Fläche, ein perfekter Ruderschlag. Das Insekt schießt aus seinen Wasserdellen wie aus Startblöcken nach vorn, ein einziger Schlag kann das Tier bis zu 1 m nach vorne katapultieren.
Von Gehen oder Laufen kann man also nicht sprechen, sogar eine leichte Vertiefung und Verformung der Wasserdellen nach hinten lässt sich beim Start beobachten. Die Ruderbeine bewegen sich mit einer hohen Frequenz von mehr als 50mal in der Sekunde, der Läufer kann Spitzengeschwindigkeiten von 1 m/s erreichen. Beim Rückholen faltet das Insekt das Bein extrem zusammen. Bei jedem „Ruderschlag“ entstehen unter der Wasseroberfläche kleine Strudelmuster. In der anschließenden Gleitphase, die dem Schlittschuhlaufen ähnelt, ruht das gesamte Körpergewicht auf dem mittleren und hinteren Beinpaar. Die kurzen Vorderbeine schweben dicht über dem Wasser.
Beute orten mit den Beinen
Die beiden vorderen Beine dienen zum Erfassen von ins Wasser gefallenen Beuteinsekten. Auf dem Speiseplan stehen vor allem Insekten, aber auch Larven und andere kleine Wassertierchen, die zum Luftholen nach oben kommen. Doch woher weiß der Wasserläufer, wo die Beute ist, zumal dann, wenn sie in einigem Abstand hinter ihm ins Wasser fällt?
Eine Wahrnehmung mit seinen Facettenaugen scheidet aus, der Sehbereich des Insekts ist klein. Der Wasserläufer verfügt über ausgeklügelte Vibrationssensoren in den Beinen, die unterschiedliche Oberflächenwellen unterscheiden und ihren Ursprung orten können. So lassen Wellen von Wind oder Strömung oder von fallenden Blättern oder Halmen das Tier unbeeindruckt. Wenn jedoch Insekten ins Wasser fallen, fangen sie an zu zappeln und schlagen Kräuselwellen, die der Wasserläufer sofort detektiert. Aus der Zeitdifferenz, mit der die Wellen seine einzelnen Beine erreichen, bestimmt er die Richtung, aus der die Wellen kommen und kann so seine Beute blitzschnell orten.
Eigener Meniskus als Steighilfe
Doch so eine Wasseroberfläche, die uns Menschen vollkommen glatt erscheint, ist für auf dem Wasser lebende, kleine Tiere alles andere als eben. Schon der Rand der Wasseroberfläche sowie jedes eintauchende Blatt oder Stöckchen ist von einem aufstrebenden Meniskus umgeben. Die Adhäsionskräfte der Moleküle führen dazu, dass sich die Wasseroberfläche nach oben krümmt. Für den Wasserläufer türmt sich das Wasser sprichwörtlich zu Berge, ein scheinbar unüberwindliches Hindernis.
Doch wer die flinken Tiere an solchen Stellen beobachtet, wird feststellen, dass sie solch ein Hindernis scheinbar mühelos hinauf gleiten. Wasserläufer können mit ihren Beinchen die Wasseroberfläche nicht nur eindrücken, sondern auch geringfügig hochziehen. An den Enden ihrer Beine befinden sich nämlich Wasser anziehende Klauen, die normalerweise zurückgezogen sind. In der Nähe eines Meniskus, den das Tier überwinden will, werden diese Klauen am vorderen und – wenn nötig – hinteren Beinpaar ausgefahren. Vor allem mit den Vorderbeinen hebt das Tier nun die Wasseroberfläche ein ganz klein wenig an und erzeugt seinerseits einen aufwärts gekrümmten Meniskus, der es ihm ermöglicht, den Meniskus am Rand einer Flüssigkeitsoberfläche hoch zu rutschen: Dazwischen zieht sich nämlich die Wasserhaut glatt.
Wasserläufer können nicht schwimmen!
Wasserläufer meiden das Wasser! Schon ein aufschlagender Regentropfen, der die Oberflächenspannung und damit den Lebensraum des Tieres zerstört, treibt ihn in die Flucht. Mit ein paar kräftigen Ruderschlägen rettet er sich schnell auf festes Land und wartet „auf besseres Wetter“. Auch Spülmittel verringert die Oberflächenspannung, der Wasserläufer versinkt dann hilflos im Wasser: Er kann nämlich gar nicht schwimmen!