Die Welt hat immer mehr Hunger auf Energie. Um den zunehmenden Bedarf decken zu können, müsste in den kommenden 20 Jahren jede Woche ein Kraftwerk mit einer Leistung von einem Gigawatt errichtet werden (2). Da dies in der Realität nicht umzusetzen ist, muss die Kapazität an anderer Stelle aufgebaut werden: im Stromnetz selbst.
Herausforderungen an das Stromnetz der Zukunft
Je mehr Elektrizität durch die Netze fließt, desto mehr kommen diese an ihre Belastungsgrenze. Neben einer erhöhten Kapazität muss das Stromnetz der Zukunft eine höhere Zuverlässigkeit mitbringen. Nicht nur sogenannte „Rolling Blackouts“, bei denen ganze Länder von ihrer Stromversorgung abgeschnitten werden, sind gefährlich. Schon kleinere Ausfälle bringen erhebliche wirtschaftliche Einbußen mit sich, in den USA beispielsweise 80 Milliarden USD im Jahr (2).
Gleichzeitig ist die Energieerzeugung bisher größter Einzelverursacher von CO2-Emissionen; über 40 Prozent werden weltweit allein von konventionellen Kraftwerken verursacht (2). Ein zuverlässiges Stromnetz mit hoher Kapazität, welches von sich aus den Strom dahin lenkt, wo er gerade gebraucht wird und da abzieht, wo der Bedarf gerade niedrig ist, käme dem Klima zugute. Denn auf zusätzliche Kraftwerke, die derzeit allein nur dafür ständig im Betrieb sind, um Strom während der Lastspitzen zu liefern, könnte verzichtet werden.
Erneuerbare Energien im Stromnetz
Sonne, Wind und Wasser können künftig ausreichend Energie liefern, jedoch nicht konstant. Deshalb sind neue Speichertechnologien innerhalb des Netzes notwendig. Schwankende Einspeisungen müssen durch Computer in einem Netzverbund gesteuert werden.
Außerdem müssen größere Entfernungen überbrückt werden, wenn Windkraftanlagen beispielsweise vor der Küste liegen. Dabei sollte so wenig Energie wie möglich auf dem Weg verloren gehen. Bisher ging von den Primärenergieressourcen bis zur Nutzung der erzeugten Elektrizität rund 80 Prozent der Energie durch Ineffizienzen verloren (2).
Die Netze werden intelligent
Insgesamt ist ein Umbau des bestehenden Netzes nötig: im Hinblick auf Steigerung der Erzeugungskapazität, Senkung der Treibhausgasemissionen und Effizienz in Übertragung, Verteilung und Nutzung. Übernehmen sollen das in Zukunft sogenannte „Smart Grids“, zu Deutsch „Intelligente Netze“. An ihnen wird derzeit geplant, gefeilt und entworfen.
Im Gespräch ist beispielsweise ein „Supernetz“, von dem das deutsche Höchstspannungsnetz ein Teil sein soll. Die Beneluxländer, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Schweden und Deutschland planen einen Verbund aus Unterseekabeln in der Nordsee. Offshore-Windparks mit Pumpspeicherseen in Skandinavien, Gezeitenkraftwerke an der belgischen und dänischen Küste sowie Wind- und Solaranlagen auf dem Festland sollen verbunden werden.
Trassen von 6.200 Kilometer Länge müssen dafür gebaut werden (5). Später soll solarthermischer Strom des Projekts Desertec aus Nordafrika und Nahost zugeliefert werden. Zu diesem Supernetz gesellen sich sogenannte „virtuelle Kraftwerke“, bestehend aus einem Verbund kleinerer Blockheizkraftwerke, Wind-, Solar- und Biogasanlagen, die wie ein einzig großes Kraftwerk von der zentralen Netzleitwarte gesteuert werden und unter Berücksichtigung einer Software zu Verbrauchsanforderung und Wetterprognose zugeschaltet werden können. Die Informations- und Kommunikationstechnologie wird zum Großhirn des Intelligenten Netzes.
Das Intelligente Netz zu Hause
Bisher sieht unsere Stromversorgung wie folgt aus: Morgens zwischen 6 und 7 Uhr, wenn alle aufstehen und sich im Bad föhnen, steigt die Verbrauchskurve steil an. Nach einem leichten Abstieg folgt zur Mittagszeit dann die erste Lastspitze. Zwischen 18 und 20 Uhr, wenn das Abendessen zubereitet wird und die Nachrichten laufen, wird die zweite Lastspitze erreicht. Der Mindestbedarf wird von Kraftwerken gedeckt, die ständig lauf Hochtouren laufen. Steigt der Verbrauch an, werden Kohle-, Kernkraftwerke oder andere hinzugeschaltet. Und da sie nicht innerhalb von Sekunden von Null auf Hundert sind, laufen auch sie ständig in einer Art Ruhe-Modus, was vollkommen ineffizient ist.
Die Stromeinspeisung wird derzeit noch dem Verbrauch angepasst. Dies soll sich ändern: man möchte in Zukunft, dass sich die Stromnachfrage über Preissignale dem Angebot anpasst und sich Lastspitzen dadurch glätten. Beispielsweise könnten Waschmaschinen zukünftig nachts laufen, wenn günstigere Tarife angeboten werden. Der aktuelle Verbrauch wird jeweils durch neue Messtechnologien ermittelt und die Daten dem Stromversorger unmittelbar in sein Computerprogramm übertragen, damit dieser nur so viel Strom schickt, wie gerade benötigt wird.
Erste netzfähige Geräte werden entwickelt. Miele präsentierte letztes Jahr die ersten Waschmaschinen und Trockner, die innerhalb eines Intelligenten Netzes kommunizieren können und mit dem Stromanbieter verbunden sind. Die Maschine kann man so einstellen, dass sie nachts anspringt, wenn der Strom am günstigsten ist. Die Geräte erkennt man an dem Zeichen „SG ready“ (smart-grid-bereit).
Was macht ein Smart Meter?
Auch die Smart Meter befinden sich noch in der Erprobungs- und Entwicklungsphase. Dennoch sind sie seit 2010 in Neubauten vorgeschrieben. Sie messen den genauen Stromverbrauch und die eingespeiste Strommenge. Darüber hinaus protokollieren sie Spannungsausfälle und sorgen für zeitgenaue Erzeugung, Netzbelastung und Verbrauch. Die Steuerung von Verbrauchs- und Speicheranlagen wird durch sie möglich. Dem Verbraucher zeigen sie sein Verbrauchsverhalten auf und identifizieren für ihn Stromfresser.
Die digitalen Stromzähler kommunizieren mit SG ready-Geräten und sorgen für das An- und Abschalten von Haushaltsgeräten je nach Stromangebot. Die Intelliekon-Studie ermittelte bei zeitvariablen Tarifen eine Einsparung von 9,5 Prozent für einen Haushalt (3). Kritiker sehen Schwierigkeiten mit dem Datenschutz, denn die Energieversorger erhalten durch die Smart Meter Informationen über die Lebensgewohnheiten der Verbraucher.
Was kostet die Intelligenz?
Die Intelligenten Netze haben einen klaren Umweltvorteil und ermöglichen in Zukunft, dass wir überhaupt noch mit ausreichend Energie versorgt werden können. Zum finanziellen Einsparpotential auf Seiten der Verbraucher gibt es verschiedene Meinungen und noch keine klaren Aussagen. Das Wissenschaftliche Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste in Bad Honnef errechnete Einsparungen von 9 bis 50 Euro im Jahr (5). Hingegen fürchten Verbraucherorganisationen, dass der Kunde wegen hoher Anschaffungs- und Dienstleistungsgebühren innerhalb der intelligenten Netze draufzahlen könnte (5).
Noch entfaltet sich der Markt für intelligente Energieprodukte nicht wirklich. Nur 50 von den 800 Anbietern bieten Produkte mit variablen Tarifen und intelligenten Zählern an. Sie scheuen die Milliardeninvestitionen, die zur Verarbeitung der Daten nötig wären. Hemmende politische Rahmenbedingungen und das schwache Kundeninteresse tun ihr Übriges. Noch ist das Intelligente Netz der Zukunft Zukunftsmusik.