Ein Unterschied, der einen Unterschied macht
Ein systemisch orientierter Überblick über das Problem des Begriffs „Information“ – Information als doppelter Unterschied.
Seit einigen Jahren, genauer: seit der Strukturwandel der westlichen Gesellschaften eine neue Ära des Informationszeitalters ausgerufen und Begrifflichkeiten wie Wissensgesellschaft oder Lebenslanges Lernen hervorgebracht hat, erschauern wir in Ehrfurcht vor den Digitalmaschinen namens Computern, die in augenblinzelnden Intervallen komplizierte Berechnungen anstellen und mit Inputs nur so jonglieren. Wie selbstverständlich reden wir heute von Informationen – seien es Neuigkeiten, die uns unser Nachbar oder eine Nachrichtensprecherin kundtun oder die wir selbst an der Wursttheke per Handy von uns geben.
Wie kommt eine Information zustande?
Doch was ist eine Information? Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten, denn über kurz oder lang kommt hier eine Instanz ins Spiel, die der herkömmliche Informationsbegriff so elegant ausklammert. Ein Blick auf systemische Ansätze könnte hier weiterhelfen.
Ein Unterschied, der einen Unterschied macht
Systemisch betrachtet, beruht eine Information auf einem Unterschied, einer Differenz, die zwischen zwei Systemzuständen besteht und etwa zeitlich erfasst werden kann. Aus Systemzustand 1 wird Systemzustand 2. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Ebenso wichtig wie dieser Unterschied ist der Umstand, dass jemand diese Differenz wahrnimmt, beobachtet. Dieser Jemand kann ein Mensch, also ein physisches und/oder psychisches System, oder eine Gruppe, beispielsweise eine Organisation oder die Gesellschaft, sein. Entscheidend ist nun, dass dieser beobachtete Unterschied Anschlussoperationen des beobachtenden Systems nach sich zieht. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich also, dass man es mit zwei Unterschieden zu tun hat: dem des beobachteten und dem des beobachtenden Systems.
Der Anthropologe und Ethnologe Gregory Bateson definiert daher eine Information recht lapidar als „einen Unterschied, der einen Unterschied macht“. Macht ein Unterschied dagegen keinen Unterschied für ein beobachtendes System, hat man es bestenfalls mit einem Rauschen im Kanal zu tun – Datenmüll also.
Daten sind nicht gleich Informationen
Dass man das beobachtende System nicht einfach ausklammern kann, zeigt sich beispielsweise daran, dass ein und dieselbe Datenmenge für unterschiedliche Beobachter verschiedene Informationszustände erzeugt. Ein Beispiel: Angenommen, ein Kind verliert sein Lieblingsspielzeug. Die Differenz zwischen Spielzeug da – Spielzeug weg stellt als Datum für das Kind eine bestimmte, hier traurige Information dar, die die gestressten Eltern wiederum informiert, dass nun eine breit angelegte Suchaktion in Angriff zu nehmen ist. Für den Nachbarn hingegen fungiert der Spielzeugverlust als Information, dass es angeraten ist, das Fenster zu schließen, während für einen völlig unbeteiligten Beobachter das Datum keinerlei Informationswert erlangt.
Es ist daher irreführend, wenn man über die Informationsflut stöhnt, die den heutigen Erdbewohner tagtäglich heimsucht. Ein Großteil dessen, was es überhaupt über die Aufmerksamkeitsschwelle schafft, wird so rasch wie möglich wieder vergessen und nicht weiter behandelt. Es sind rein einwertige, nicht zweiwertige Unterschiede, Daten; nur wenn diese Daten dem verarbeitenden System auf irgendeine Weise interessant oder wichtig vorkommen, wird es sich intensiver mit ihnen beschäftigen – und genau in diesem Moment sind aus Daten Informationen geworden. Daten sind also potenzielle Informationen; ob sie als solche aber auch verarbeitet, aktualisiert, werden, bleibt fürs erste ungewiss.
Informationen im Wartestand
Die umfangreichen Datensammlungen der Bürger, die derzeit so umstritten sind, sind so gesehen reine, einfache Unterschiede, die allein zu dem Zweck erhoben werden, sie vielleicht eines Tages jemandem zur Verfügung zu stellen, für den diese Datenunterschiede einen Informationsunterschied machen. Bis dahin warten sie auf den Festplatten oder in den Archiven auf ihren informatorischen Wert.