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Was die Formulierungen in einem Arbeitszeugnis bedeuten

In Arbeitszeugnissen werden oft gewisse Floskeln oder Redewendungen verwendet. Was bedeuten diese Ausdrücke im Einzelnen?

Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat man grundsätzlich das Recht auf die Ausstellung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses. In der Formulierung von Zeugnissen hat sich eine gewisse Zeugnissprache entwickelt, die oft für den Leser einen irreführenden Charakter hat, da die Wortwahl oft vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht und dadurch schwer verständlich ist. Meist werden wohlklingende Formulierungen verwendet. Oft wirken einige Ausdrücke schöner als sie eigentlich gemeint sind. Viele Ausdrücke sind zweideutig formuliert, mit Absicht. Oft wird ein Sachverhalt gelobt und meint damit genau das Gegenteil. Wie kann man in diesem Sprachdschungel dann durchblicken? Welche Ausdrücke haben welche Bedeutung in einem Arbeitszeugnis?

Leistungsbeurteilungen in Zeugnissen und ihre Bedeutung

  • Eine sehr gute Leistung wird mit der Zeugnisfloskel „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ oder „jederzeit zu unserer außerordentlichen Zufriedenheit“ ausgedrückt.
  • Eine Standardfloskel ist die Redewendung „stets zur vollen Zufriedenheit“, die bedeutet, dass man mit der Leistung des Betreffenden voll zufrieden war. Diese Beurteilung kommt dann der Schulnote „gut“ gleich.
  • Fehlt allerdings das Wort „stets“ oder „jederzeit“ heißt das bereits, dass man mit dem Betreffenden nicht immer voll zufrieden war, dass also bereits etwas an ihm auszusetzen war. Das wäre als Schulnote dann die Note „befriedigend“.
  • Sind nur „zufriedenstellende Leistungen“ im Zeugnis bescheinigt worden, dann wäre das wie die Schulnote „ausreichend“ zu werten.
  • Steht im Zeugnis nur „war bemüht“, „zeigte Interesse“, „hat unseren Erwartungen entsprochen“, „zeigte Verständnis für seine Arbeit“, dann wurde die Leistung als unzureichend eingestuft.
  • Wenn es in einer Leistungsbeurteilung heißt „verstand es, mit Erfolg zu delegieren“, soll das heißen, dass dieser dann lieber andere für sich arbeiten ließ.
  • Wem bescheinigt wird „verfügt über Fachwissen und zeigt gesundes Selbstvertrauen“, der wird indirekt als Aufschneider bezeichnet.
  • Heißt es in einem Zeugnis „hat alle Aufgaben vorschriftsmäßig erledigt“, dann machte er bürokratisch Dienst nach Vorschrift.
  • Folgende Floskel „war allem Neuen gegenüber sehr aufgeschlossen“ meint eigentlich: der Betreffende hatte Schwierigkeiten, sich in neue Aufgaben einzuarbeiten.

Verhaltensbeurteilungen in Zeugnissen und ihre Bedeutung

  • Eine sehr gute Verhaltensbeurteilung wird durch die Formulierungen „Sein persönliches Verhalten war stets vorbildlich“ oder „Herr/Frau … ist allseits anerkannt und geschätzt“ ausgedrückt.
  • Eine gute Beurteilung im Verhalten zeigt die folgende Floskel auf: „Sein/Ihr persönliches Verhalten war stets einwandfrei“.
  • Eine befriedigende Beurteilung für das persönliche Verhalten wird ausgedrückt durch: „Sein/Ihr persönliches Verhalten war einwandfrei“.
  • Eine ausreichende Beurteilung drückt die Floskel „Sein/Ihr Verhalten war höflich und korrekt“ aus.
  • Und eine unzureichende Beurteilung im Verhalten zeigt folgender Satz auf: „Das persönliche Verhalten war nicht frei von Beanstandungen.“
  • Besonderheiten im Ausdruck sind folgende Formulierungen: „Sein/Ihr persönliches Verhalten gegenüber Kollegen war stets einwandfrei.“ Dies soll indirekt heißen, dass das persönliche Verhalten gegenüber den Vorgesetzten und Geschäftspartnern zu beanstanden war, weil diese Personengruppen nicht im Satz erwähnt werden!
  • Ein weiterer versteckter Mangel im Verhalten ist in folgender Formulierung zu finden: „Sein/Ihr Verhalten gegenüber Kollegen, Geschäftspartnern und Vorgesetzten war stets einwandfrei.“ Hier soll versteckt ausgedrückt werden, dass das Verhalten gegenüber den Vorgesetzten nicht einwandfrei war und dem Arbeitnehmer der Umgang mit seinen Kollegen und Geschäftspartnern wichtiger war als das einwandfreie Verhalten gegenüber seinen Vorgesetzten. Dies wird durch die falsche Reihenfolge im Wortlaut deutlich (zuerst werden die Kollegen genannt, dann die Geschäftspartner und dann erst die Chefs – man beachte also auch immer die Reihenfolge in einer Formulierung!)
  • Folgender Ausdruck geht dann schon unter die Gürtellinie: „Er war wegen seiner Pünktlichkeit stets ein gutes Vorbild“, was heißen soll, dass der Betreffende eigentlich total unpünktlich war.
  • Auch bei folgendem Ausdruck ist Vorsicht geboten: „sie war schnell beliebt“ will heißen, sie hat sich angebiedert.
  • Der Ausdruck „sie war eine anspruchsvolle und kritische Mitarbeiterin“ meint eigentlich, sie war eine Nörglerin.
  • Ganz schlimm für den Betreffenden ist auch folgender Ausdruck: „Seine umfangreiche Bildung machte ihn zu einem gesuchten Gesprächspartner“, was heißen soll, dass der Betreffende privat ein Schwätzer war.

Dies waren nur die wichtigsten Floskeln der „Geheimsprache“ in Arbeitszeugnissen. Es gibt noch viele weitere. Kennt man diese Floskeln, hat man einen besseren Überblick über seine Bewertungen in Zeugnissen und kann sich besser einschätzen.