Eine gute Rückenschule kann eine Wohltat sein; eine schlechte bringt nichts oder schadet sogar.
Flughafen Frankfurt: 13.000 Menschen sorgen dafür, dass die unzähligen Maschine, die hier landen, ordentlich geputzt, gewartet und aufgetankt werden. Erledigt wird das von den Mitarbeitern des lokalen „Hausherren“, der Fraport AG, die auch dafür sorgen, dass Millionen von Gepäckstücken im richtigen Flugzeugbauch landen. Eine ganz schön anstrengende Arbeit! Die nötige Kraft dafür gibt es auf Wunsch im firmeneigenen Rückenzentrum. Und weil die Wege weit sind auf so einem großen Flughafen, hat Fraport die Rückenschule gleich neben ein Rollfeld geparkt.
Neben dieser kleinen „Rückenschule“ direkt vor Ort gibt es bei Fraport noch ein großes Zentrum, in dem zwei Sportlehrer im Schnitt rund 150 Mitarbeiter betreuen: Hier werden Muskeln aufgebaut und das richtiges Heben und Tragen schwerer Lasten eingeübt. Der Erfolg dieser Maßnahmen kann sich sehen lassen: Laut Arbeitsdirektorat ließ sich damit der Krankenstand innerhalb eines Jahres nach Einführung von acht auf 5,7 Prozent senken. In barer Münze sparten die gesünderen Rücken der Mitarbeiter dem Konzern rund 12 Mill. Euro!
So ein Erfolg ist beeindruckend. Der Normalfall ist das aber nicht. Zwar schickt jeder sechste Deutsche seinen Rücken mindestens einmal in seinem Leben in die Schule. 20 Milliarden Euro investieren die Krankenkassen jährlich in die Behandlung von Rückenschmerzen. Doch was dabei herauskommt, ist oft mager, zumindest was den Vorsorgeeffekt angeht.
Bringen Rückenschulen zu wenig?
Deutschlands Rückenschulen sind in die Kritik geraten. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat herausgefunden, dass viele Standard-Schulen nichts bringen oder das Leiden sogar verlängern können. Eine große Untersuchung an der Medizinischen Universität in Lübeck im Auftrag des deutschen Gesundheitsministeriums ergab Ähnliches. Die untersuchten Rückenschulen konnten Rückenschmerzen weder spürbar lindern noch konnten den lästigen Beschwerden wirksam vorbeugen.
Starker Rücken
Vor allem Negativbotschaften können schaden. Denn die Art und Weise wie man seinen Rücken selbst wahrnimmt, entscheidet darüber, wie krank man sich tatsächlich fühlt. Das wurde z.B. bei einer Untersuchung in Großbritannien eindrucksvoll bestätigt. Mitarbeiter eines Betriebes erhielten Broschüren, die darüber aufklärten, dass unser Rücken stärker ist, als wir oft glauben und dass wir selbst die Kontrolle über die Beschwerden haben. Nach dieser Aufklärungsaktion gingen im Betrieb die rückenschmerzbedingten Krankschreibungen um bis zu 70 Prozent (!) zurück. Wie derartige Positivbotschaften an die Mitarbeiter aussehen könnten, zeigt z.B. die Rücken-Informationsbroschüre „Locker bleiben!“ der Bertelsmann-Stiftung finden.
Nicht nur ein optimistisches oder pessimistisches „Rücken-Selbstbild“ ist wichtig. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass das nur einer von vielen, bislang kaum beachteten Ursachen für den Schmerz ist. Wenn jemand ständig schwere Lasten heben und tragen muss, spielt das natürlich eine Rolle. Aber genauso wichtig und oft ausschlaggebend ist z.B., ob jemand raucht oder wie zufrieden er mit seiner Arbeit ist. Die Psyche geht offenbar mitunter mehr auf´s Kreuz als ein abgenützter Wirbel.
Daher helfen Positivbotschaften und Entspannung dem Kreuz ebenso gut, wenn nicht besser wie eine ordentliche Körperhaltung. Vor allem Aktivität ist wichtig, um aus dem Schmerz- und Schonungskreislauf rauszukommen. Die Kritiker der klassischen Rückenschulen fordern Bewegung, bei der sich die Rückengeplagten zwar nicht überfordern, aber auch nicht zu viel schonen!
„Wer mit unspezifischen, leichten Rückenschmerzen wie ein Kranker behandelt wird, wird sich wie ein Kranker verhalten“, erklärt Prof. Hans-Heiner Raspe vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Offenbar tut es gut, bei einem wehen Rücken so schnell wie möglich in den normalen Alltag und auch zur Arbeit zurückzukehren.
Was wird sich ändern?
Die Wissenschaft hat herausgefunden, was unser Rücken wirklich braucht und mahnt die Umsetzung dieses Wissens bei den rund 200.000 Rückenschullehrern ein, die es in Deutschland gibt. Offenbar gerät in den Rückenschulen tatsächlich etwas in Bewegung. Die Rückenschulverbände basteln derzeit an neuen Richtlinien. Die aktive Bewegung soll in Zukunft wichtiger werden, ebenso die Änderung der Einstellung des Patienten in Richtung „Mein Rücken ist stark!“. Und vor allem soll der Erziehungsstil in den Rückenschulen ein wenig lockerer werden. „Wir wollen weniger Dogmen“, erklärt Kempf. „Es sollte einfach kein Problem sein, wenn jemand mal ein Blatt Papier mit krummen Rücken aufhebt, solange er das nicht ständig und mit schweren Lasten macht.“
Bis die „Rückenschule neu“ auf breiter Basis kommt, wird es wohl noch ein einige Zeit dauern. Solange die Qualitätsrichtlinien nicht stehen, muss man sich nach einer guten Schule umsehen. Die Arbeitsmediziner der Berufsgenossenschaften helfen gerne weiter – sie haben schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass „Brust raus, gerade sitzen“ nicht der Weisheit letzter Schluss ist, wenn es um einen gesunden Rücken geht!