Gesprächserfolg hängt davon ab, ob sie die gleiche Sprache sprechen. Es geht um Übergewicht + Abnehmen: Ärzte und Patienten haben ein grundlegendes Problem, sie reden aneinander vorbei. Die Lösung: „ressourcenorientierte Gesprächsführung“.
Ein Beispiel für „Nicht-Verstehen-(Wollen)“ aus dem Ehealltag:
Die Frau sagt: …geh einkaufen, bring dann die Kinder zu Bett und besorg mir noch Tabletten für gesunden Schlaf.
Der Mann hört: …geh….zu Bett und….schlaf.
Nicht viel anders läuft es bei Arzt/Patientengesprächen – vor allem, wenn es ums Abnehmen bei stark Übergewichtigen geht. Die Quote der (gewollten oder ungewollten) Missverständnisse ist relativ hoch!
Dr. Susanne Wiesner, leitende Ärztin für Innere Medizin am Adipositaszentrum Lindberg Klinik in Winterthur (Schweiz) und ihr Studienpartner Norbert Seeger haben ein Papier verfasst und bereits dutzende Male in der Praxis umgesetzt. Kernaussage: Ein Arzt/Patienten-Gespräch kann nur von Erfolg gekrönt sein, wenn beiderseitiger Respekt besteht, konkrete Aussagen gemacht und realistische Zielvereinbarungen getroffen werden.
Für den Arzt heißt das:
- Das eigene Ego rausnehmen
- Die Rolle als Begleiter annehmen
Der Patient muss im Laufe eines Gespräches:
- Selbst Entscheidungen treffen
- Diese selbst aussprechen
Die Gesprächseröffnung: Gegenseitige Wahrnehmung
Die Situation bei der Patientenansprache bietet oft genug ein nur allzu gut bekanntes Szenario: Auf der einen Seite der Arzt – der ausgewiesene Experte, der weiß wie der Hase läuft. Wer sonst, wenn nicht er/sie. Auf der anderen Seite der Patient – er/sie hat ein Problem, dessen Lösung dem Experten anvertraut wird. Aus einer Position der Unsicherheit des Patienten bedeutet das: Unterwürfigkeit und blindes Vertrauen – selbst wenn man nichts von dem versteht, was einem vorgekaut wird. Wiesner: „Die Gesprächspartner müssen sich nicht nur gegenseitig wahrnehmen, auch die Atmosphäre ist von entscheidender Bedeutung.“ Im Klartext: Direkte persönliche Ansprache, Blickkontakt, Namensnennung, ungestörter Platz.
Der Gesprächsverlauf: Begleiter statt Gebieter
Wie kommunziere ich meinem Gegenüber verständlich, was für ihn am besten ist, ohne ihn zu überfordern und gleichzeitig ihn zu etwas zu überreden, was er im Endeffekt gar nicht möchte?
Der erste Schritt: Schlüpfen Sie in die Rolle eines Begleiters! Wichtig ist: Sie bieten Sicherheit durch Ihre Kompetenz und Präsenz – aber der Patient entscheidet, wohin die Reise geht… Menschen, die einen Begleiter haben, erreichen ihre Ziele leichter. Wiesner: „Ich muss so lange kommunizieren und auf ihn eingehen, bis der Patient das alles auch selbst wiedergeben kann – und somit versteht!“ Das bedeutet aber auch: Aktives Zuhören! Was hat der Patient zu sagen? Wie hoch ist die Aufnahmebereitschaft bzw. die Fähigkeit dazu? Geben Sie dem Patienten das Gefühl „Ich bin wichtig, ich werde verstanden“ und widerstehen Sie der Versuchung, aus Ihrer Position und fachlichen Überlegenheit Ihrem Gegenüber etwas aufschwatzen zu wollen. Der Arzt hat die Möglichkeit, das Gespräch in eine Richtung zu führen, dass der Patient selbstständig Entscheidungen trifft und diese auch ausspricht.
Das Gesprächsende: Realistische Zielvereinbarungen
Am Ende eines jeden erfolgreichen Gespräches müssen realistische Zielvereinbarungen stehen. Und zwar nicht vom Arzt auf dem Rezeptblock verordnet, sondern gemeinsam erarbeitet und – wichtig – vom Patienten auch selbst formuliert und ausgesprochen: „Das will und das kann ich auch erreichen!“
Ein Zitat von Antoine de Saint Exupéry dürfte in keinem Arzt-Notizblock fehlen: „Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer!“ Statt den bewegungswilligen Patienten mit Details zur Mühsal des Trainings zu belasten, gilt es, die positiven Auswirkungen am Horizont sichtbar zu machen: Gewichtsreduktion, körperliches Wohlbefinden, gesundheitliche Benefits, geistige Befreiung.
Zusammenfassung: Gesprächsführung zwischen Arzt und Patient
Das Gespräch zwischen Arzt und Patient ist ein Rollenspiel mit klarer Aufgabenverteilung und Sprachregelung:
- Ganz klar, der Arzt muss die Experten-Ebene verlassen und lernen, sich in den Patienten hineinzuversetzen, dessen möglicherweise andere Sicht der Dinge zu verstehen suchen – im Idealfall sprechen beide die selbe Sprache.
- Begleiten statt belehren: So muss das Motto eines guten Gesprächspartners lauten. Legen Sie Ihrem Patienten die Hand auf die Schulter und stehen Sie ihm mit Rat und Tat zur Seite – mit dieser Sicherheit kann sie/er selbst Entscheidungen treffen.
- Der Weg ist das Ziel: Zuhören statt vollquatschen und dann die richtigen Schlüsse ziehen… Haben Sie Ihren Patienten einmal verstanden, dann liegt es an Ihnen, ihr/ihm den Weg zur richtigen Entscheidung zu zeigen.