Das schwache Geschlecht der Knaben
Männliche Destruktivität und Zerstörungswut sind nicht angeboren. Die Väter werden gebraucht, um das aggressive Verhalten der Knaben in die Schranken zu weisen.
Jungen sind aggressiver als Mädchen, aber auch ängstlicher als sie. Darüber waren sich Ärzte, Psychologen und Biologen einig, die auf einer Tagung in München zusammenkamen, um über die Beziehung von Angst, Aggression und frühkindlicher Bindung zu diskutieren. 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die unter Hyperaktivität und einem Aufmerksamkeitsdefizit leiden, sind Knaben. In Förderschulen sind die Jungen in der Überzahl, in den Abiturklassen dagegen dominieren die Mädchen. Selbst biologisch sind die jungen Herren der Schöpfung empfindlicher, ihrer Säuglingssterblichkeit ist höher als bei Mädchen. Außerdem sind die Jungs in ihrer frühkindlichen Zeit stärker auf emotionale Nähe angewiesen als ihr weiblicher Widerpart.
Kinder bekämpfen ihre Änste mit aggressivem Verhalten
Frank Dammasch, in Frankfurt Professor für psychosoziale Störungen von Kindern und Jugendlichen erklärt, dass Kinder ihre frühen Ängste durch aggressives Verhalten abwehren und so ihre Ängste bekämpfen. Dammasch vertritt die These, dass es unruhigen und aggressiven Jungs nicht gut tut, wenn sie zu früh in die Selbstständigkeit entlassen werden. Sie versuchen sich dann zu Herren einer Situation aufzuschwingen, der sie vorher ohne Schutz ausgeliefert waren, wodurch Aggression entstehen kann. Was diese Knaben seiner Meinung nach brauchen, sind raue Spielerfahrungen mit dem von der Mutter geliebten Vater.
Wenn Kinder ihre Eltern hassen
Eltern reagieren zumeist verwirrt, wenn sich die Wut ihrer eigenen Kinder gegen sie richtet. Schon im Alter von einem Jahr können Kinder ihre Eltern hassen. Henri Parens, ein Psychiater aus Philadelphia sieht in dem frühen Hass auch eine Grundlage für destruktives Verhalten und Vorurteile. Ein Kind, das wütend aus seine Mutter ist, wirft Gegenstände nicht nach ihr, sondern nach demjenigen, der neben ihr sitzt. So lernen die Menschen früh, ihren Zorn nicht auf den Verursacher zu richten, sondern sich ein anderes, nahe liegendes Opfer zu suchen. Alle Bindungsforscher sind sich allerdings darin einig, dass Destruktivität und Vorurteile auf keinen Fall angeboren sind.
Aggression und Zerstörungswut wird durch menschliches Leid aktiviert
Die Grundlagen zur Bildung von Aggressivität und Zerstörungswut sind zwar in jedem Menschen angelegt, werden jedoch nur durch psychisches Leid aktiviert. Wer Kinder beschämt oder gar demütigt, fügt ihnen immenses Leid zu, wie der Psychiater Parens betont. Werden Kinder von ihren Eltern oder Angehörigen vernachlässigt oder emotional missbraucht, ist das noch mit einem stärkeren Trauma verbunden, als wenn Fremde die Täter sind oder ein Unfall die traumatische Reaktion in Gang setzt.
Jungen ohne Väter neigen zur Aggression
Viele prägende Erfahrungen werden in der frühen Kindheit vermittelt, in der die jungen Männer besonders verletzlich sind. Für den Psychologen Nick Allen von der Universität Melbourne besteht bei ihnen im Alter zwischen 14 und 19 die größte Differenz zwischen ihren intellektuellen und ihren emotionalen Fähigkeiten. Ganz wichtig ist für die Jungs neben der emotionalen Zuwendung der Mutter auch das männliche Vorbild des Vaters. Die Väter werden gebraucht, um das aggressive Verhalten der Knaben einzuschränken, wie Professor Dammasch erklärt. Im gleichen Atemzug beklagt er aber, dass viele Kinder bis zum zehnten Lebensjahr nur von Frauen umgeben sind. Ohne Väter kann sich die Aggression der Knaben ungehemmt entwickeln.