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Warum das Unperfektsein liebenswert macht

Nicht immer ist gutes Aussehen entscheidend bei der Partnerwahl. Die Massenmedien suggerieren auf verschiedene Art und Weise, wieso perfekt aussehende Menschen angeblich bessere Chancen im Beruf und in der Liebe haben.

Insbesondere in der Werbung wird mit den Ängsten der Menschen gespielt, aufgrund von äußerlichen Makeln unter Umständen nicht attraktiv genug für andere zu sein. Bei Schlankheitsmitteln werden gerne Erfahrungsberichte von ehemals übergewichtigen Personen zitiert, u. a. mit den Worten: „Seit ich schlank bin, ist mein Mann wieder richtig verliebt in mich. Er nimmt mich jetzt oft in den Arm und sagt mir, wie sehr ihm meine Figur gefällt…“

Der bekannte Rasiererhersteller Braun zitiert in einem seiner TV-Spots aus der Lifestyle-Zeitschrift Men’s Health. Demzufolge sind 90 Prozent der befragten Männer der Überzeugung, mit rasiertem Körper besser bei Frauen anzukommen.

Betonung von Äußerlichkeiten

Diese Zitate scheinen zu belegen, dass es in der Partnerschaft weniger auf gemeinsame Interessen und den Charakter eines Menschen ankommt, sondern lediglich auf seine äußere Hülle. Im Prinzip ist es jedoch eher traurig, wenn der Mann sich erst wieder in die eigene Frau verliebt, wenn sie dem gängigen Schönheits-Ideal entspricht. Warum hat er sie dann vorher trotz ihres Übergewichts geheiratet?

Das Zitat, das sich auf den rasierten Männerkörper bezieht, ist dahingehend merkwürdig, dass man sich in der Regel zunächst einmal vollständig bekleidet kennenlernt – egal, ob im Supermarkt, im Café oder am Arbeitsplatz – und die Frage nach der Körperbehaarung somit zunächst irrelevant sein dürfte.

Auch das Unperfekte macht attraktiv

Trotz dieser Suggestionen aus der Werbewelt gibt es eine Reihe von Menschen, die sich in ihren Partner oder ihre Partnerin verliebt haben, obwohl sie nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. Viele Frauen geben an, nicht etwa Männer mit gestähltem Waschbrettbauch zu bevorzugen, sondern Männer mit Bauch, weil ihnen die Rundungen etwas Liebenswertes, Bärenhaftes verleihen. Umgekehrt gibt es wiederum Männer, die Frauen mit weiblichen Rundungen bevorzugen und den Hungerhäkchen mit den vermeintlichen Model-Maßen 90 – 60 – 90 nichts abgewinnen können. Diese Menschen sagen meist auch übereinstimmend, dass innere Werte wichtiger sind als reine Äußerlichkeiten. Äußere Schönheit vergeht mit dem Alter zusehends – die innere Schönheit bleibt jedoch.

Unperfekt heißt nicht ungepflegt

Unperfekt bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dass jemand nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass ein Mann mit Bauch oder eine mollige Frau nicht trotzdem gepflegt sein können und auf ihr Äußeres (Frisur, Kleidung, ggf. Make-up) achten. Umgekehrt würde ein Mann mit Waschbrettbauch oder ein Model trotz perfekter Figur bei Weitem nicht mehr so anziehend wirken, wenn die Haare ungewaschen sind und sich Dreck unter den Fingernägeln sammelt.

Warum viele Menschen das Unperfekte bevorzugen

Niemand ist perfekt, denn selbst ein charaktervoller, gutaussehender Mensch hat irgendeinen Makel und/oder eine charakterliche Schwäche. Dies ist jedoch menschlich und macht denjenigen meist erst recht attraktiv für das andere (oder auch das eigene) Geschlecht, zumal man in dem anderen sehen kann, dass man an sich selbst zwar auch gewisse Ansprüche stellen sollte, aber keine Perfektionsansprüche. Vor allem gibt einem die Unperfektheit des Anderen das Gefühl, dass man sein kann, wie man ist, ohne bei Schönheits- oder Charakterschwächen abgewertet zu werden.

Liebe entsteht nicht aus Perfektionismus

In unterschiedlichen sozialen Zusammenhängen spielen Menschen immer wieder unterschiedliche Rollen – im Beruf, im Verein, in der Familie. Gerade in der Familie bzw. beim eigenen Partner möchte man jedoch das Gefühl haben, der sein zu können, der man ist und nicht der, den Andere gerne hätten. In der Partnerschaft sollte das Liebes- und nicht das Leistungsprinzip herrschen. Der Zwang zum äußeren und inneren Perfektionismus zerstört aufgrund der eigenen inneren Verkrampfung an die eigene Rollenerwartung jedoch fast sofort jede Harmonie und jedes noch so schöne Gefühl im Keim.