Der Ostseeschnäpel ist eine beliebte Delikatesse. Aber das war nicht immer so. Als Katzenfutter fristete die Edelmaräne lange ein Schattendasein.
Die Karriere dieses Fisches ist eine Sensation: er mauserte sich vom Katzenfutter zur kulinarischen Avantgarde, vom gefährdeten Meeresbewohner zum Symbol für wirtschaftlichen Erfolg. Nachdem sich der Ostseeschnäpel in den 90er Jahren nur noch sehr selten in die Netze der vorpommerschen Fischer verirrte, ist er heute bei Gourmets in ganz Deutschland begehrt. An der Ostsee gilt er aber nicht nur als beliebte Delikatesse in den Pfannen von Hausfrauen und Sterneköchen; sein Comeback ist auch der Beweis für eine gelungene Symbiose aus Fischereiwirtschaft und Umweltschutz.
Ostseeschnäpel begeistert Spitzenköche
„Er ist würzig und aromatisch, vor allem nicht zu weich, sondern kommt vom Biss her an einen Atlantikfisch heran.“ Wenn Sascha Fehrenbach über den Ostseeschnäpel spricht, gerät er leicht ins Schwärmen. Der Küchenchef des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Gutshaus Stolpe in der Nähe der Hansestadt Anklam ist mit seiner Begeisterung für den ungewöhnlichen Gast in der Pfanne nicht allein. Auch andere Mecklenburg-Vorpommernsche Spitzenköche vertrauen der verführerischen Wirkung des Schnäpels auf die Gaumen ihrer Gäste.
Kaviar der besonderen Art
Die Speisekarten der Region präsentieren ihn im Pancettamantel auf Balsamicocreme oder mit Käse überbacken in einer Hummersoße. Jürgen-Uwe Kreisler verfeinert den aromatischen Fisch gerne mit Dill und Petersilie oder verhüllt ihn mit Schinken, den eine Weinschaumsoße umwogt. Der Küchenchef des Rankwitzer Hof hält außerdem eine äußerst seltene Spezialität bereit: Schnäpel-Kaviar. Die orange-gelben etwa zwei Millimeter dicken Eier des einer Forelle ähnelnden Fisches sind noch unreif, wenn sie entnommen werden. „So bleibt der Rogen knusprig und knackig“, erklärt Kreisler. Er serviert die einzigartige Delikatesse mit Dillspitzen und Schmand, zu Kartoffelpuffern oder einfach als Krönung des Frühstückseis.
Schnäpel – vom Katzenfutter zur Delikatesse
Noch Anfang der 90er Jahre hatten es die Magier an den Kochtöpfen nicht so leicht, an Ostseeschnäpel heranzukommen. Die Bestände in der Pommerschen Bucht und in den Bodden genannten Lagunen an der Küste waren stark geschrumpft. Nur etwa zweieinhalb Tonnen der zur Gattung der Salmoniden, also lachsartigen Fische zählenden Meeresbewohner erbeuteten die einheimischen Fischer pro Jahr auf ihren Ausfahrten – weniger als ein Zehntel der Fangmengen aus den sechziger Jahren. So geriet der Schnäpel als Speisefisch fast in Vergessenheit. Wenn er sich doch einmal in die Netze der Fischer verirrte, verfütterten sie den Beifang gerne an ihre Katzen.
Entwicklungshilfe für den Schnäpel
Sein Schattendasein konnte der oft auch als Steinlachs bezeichnete Wanderfisch erst beenden, als sich engagierte Biologen, Umweltschützer und Fischer seines Schicksals annahmen. Mit Geldern der Europäischen Union und des Landwirtschaftsministeriums in Schwerin begann der Verein Fisch und Umwelt in Rostock Mitte der Neunziger Jahre mit so genanntem „sea ranching“. Dazu züchteten seine Mitarbeiter Jungfische des Schnäpels in speziellen geschützten Kinderstuben, um sie anschließend wieder ins offene Meer zu entlassen. Die jungen Fische ernährten sich dabei ausschließlich von natürlichem Plankton, das ihre Pflegeeltern mit künstlichen Lichtquellen anlockten.
Reizker und Edelfisch
Dass sich der Bestand an dem delikaten Fisch auf diese Weise in den letzten Jahren vervielfacht hat, ist für das Ökosystem Ostsee bereits ein Erfolg – doch die Nachfrage hungriger Fisch-Gourmets nach der regionalen Spezialität stieg noch rasanter an und ist gerade im Sommer schwer zu befriedigen. Denn Steinlachse leben während der meisten Zeit des Jahres als Einzelgänger in den Tiefen der Ostsee. Nur in den Wintermonaten sammeln sie sich zum Laichen in den Brackwassergebieten nahe der Küste und lassen sich im großen Stil aus dem Greifswalder Bodden oder dem Peenestrom ziehen. Die Schnäpel-Fans wollen das erfolgreiche Aufzuchtprojekt daher noch erweitern. Bis zu 1,7 Millionen Jungfische sollen künftig jährlich in der Ostsee ausgesetzt werden.
Tipps vom Sternekoch
Und einige von ihnen finden sich Jahre später vielleicht auf einem Teller im Restaurant des Kempinski Grand Hotels in Heiligendamm wieder – zum Beispiel in Gesellschaft von frischen Reizkern. Der mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Chefkoch Tillmann Hahn unterstreicht mit diesem eher seltenen Pilz gerne den ungewöhnlichen Charakter des Ostseeschnäpels. Denn bei aller Popularität soll der Schnäpel seinem Ruf als regionaler Exot auf schmackhafte Weise gerecht werden.
Schnäpel-Fakten
alternative Namen: Steinlachs, Renke, Edelmaräne
Profil: silbrige forellenartige Exemplare mit einer Länge von 40 Zentimetern bis 1,20 Metern. Sie werden zwischen Dezember und Februar gefischt.
Ein einfaches Schnäpel-Rezept
Sternekoch Tillmann Hahn empfiehlt:
Schnäpel-Filets mit Knoblauch und etwas Thymian braten. Dazu Pfifferlinge in einer Weißwein-Sahnesauce und Kartoffeln als Beilage reichen.