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Von südlichen Ländern leben lernen

In romanischen Ländern weiss man, wie man geniesst. Gegenden,in denen Wein wächst, Karneval gefeiert wird und man lösungsorientiert handelt, können als Beispiel fürs „Savoir-Vivre“ dienen.

„Ihr Deutschen lebt, um zu arbeiten, wir arbeiten, um zu leben“- das sagte erst neulich im Urlaub ein Andalusier in die Runde. Und es stimmt: Von den Andalusiern kann man leben lernen ! Trotz 18 Prozent Arbeitslosigkeit mit steigender Tendenz, trotz zehn Fällen Schweine-Grippe inzwischen in Spanien gibt es keine Panik, keine sozialen Unruhen. Außerdem nimmt der Spanier laut Umfragen in der Mehrheit an, dass die Krise sich ab Herbst 2017 wieder in einen Aufschwung verwandelt.

Ob dieser unerschütterliche Das-Glas-ist-halbvoll-Optimismus damit zusammenhängt, dass sich so ein bisschen Fatalismus aus den sieben Jahrhundert maurischer Besatzung vom Mittelalter in die Neuzeit herübergerettet hat ? Oder auch, dass man im südwestlichen Zipfel Europas nicht Vorschriften orientiert, sondern lösungsorientiert handelt ?

Lösungsorientiert- nicht vorschriftenorientiert handeln

Ein Beispiel für diese pragmatische Lebensphilosophie: In Estepona an der Costa del Sol stieß man beim Autobahnbau auf archäologisch wertvolle Dolmen aus der Keltiberer-Zeit – man male sich so etwas in Deutschland aus: Baustopp bis in alle Ewigkeiten, die Autobahn gäbe es heute noch nicht ! Wie aber löste der Gemeinderat von Estepona dies seinerzeit: Er ließ die Dolmen behutsam versetzen, und baute auch noch ein beachtenswertes Museums-Informationszentrum drumherum, und der Autobahnbau konnte weitergehen! Stört es die Dolmen oder die längst verwesten Keltiberer oder die Besucher, die gar nichts von dem ursprünglichen Platz wissen ?

Das Gesetzeshüter-Süd-Nord-Gefälle

Übrigens kann man dort auch, wie in Italien, noch mit den Polizisten etwas diplomatisch verhandeln – allerdings außerhalb der touristischen Hochsaison sowie gute Sprachkenntnisse vorausgesetzt und nicht bei Übertreten der Alkohol-Grenze. Selbst erlebt ist die Begebenheit, dass man auch die als einzige bei dem Parkplatzmangel freie Feuerwehrzufahrt belegen darf, vorausgesetzt, man hat den davor stehenden Dorf-Polizisten höflich gefragt, ob man nur schnell eine Minute in das Postamt rennen dürfe. Und man sollte es nicht übertreiben und länger als 10 Minuten weg bleiben für die noch zur besorgenden frischen Brötchen und die deutsche Tageszeitung vom Kiosk.

Oder Parken in zweiter Reihe – kein Problem! Nur in dritter Reihe macht es Kopfzerbrechen, aber wozu gibt es den „Freund und Helfer“ ? Überliefert ist auch eine Freundinnen-Story von wiederholten verzweifelten Runden vorbei am immer selben Ordnungshüter und Beinahe-Verkehrsstauen in dritter Reihe, als der Uniformträger freundlich an die Auto-Scheibe klopfte und sich nach den charmanten Erklärungen der (blonden) Fahrerin erbot, den Wagen so lange um die Häuser zu fahren, bis das Kostüm aus der Reinigung geholt war. Man diskutiere das mal mit einer Politesse in Rostock oder Frankfurt !

Aber es soll auch schon Leuten in Köln, Leipzig und Augsburg gelungen sein, erfolgreich Polizisten von einem Knöllchen abgebracht zu haben. Auch in Deutschland gibt es nämlich ein Süd-Nord-Gefälle an Augen-Zudrücken. Und wer weiß schon, dass die Bayern mit 14 dieselbe Anzahl an Feiertagen begehen wie die Andalusier?

Dr. Gabriel Steinschulte, der in Sachen Cultural Awareness international berät, definierte es einmal so: Man lasse sich dort nieder, wo Wein wächst und Karneval gefeiert wird, das wäre der kleinste gemeinsame Nenner für gutes Leben. Dr. Steinschulte ist übrigens überzeugter Kölner.

Viva la Siesta!

Warum nicht umgekehrt mal mehr Einflüsse der südlichen Länder auf den Rest der Europäischen Union ? Vielfach wird bedauert, dass die EU nicht nach dem Traum einfacher Bürger das Beste jeder Nation übernommen hat – also beispielsweise das Reinheitsgebot bayerischen Bieres, die Hartweizengries-Verordnung ohne Küken-Reste der italienischen Spaghetti, die strengen Vorschriften des französischen Weines ohne Gummi-Abrieb und Siesta in allen Ländern eben.

Mediziner stellen immer häufiger fest, wie gesund doch ein Nickerchen nach dem Mittagessen ist . Vielleicht steigt dann auch wieder die Geburtenrate an.