Kritik an den neuen Bachelor- und Masterstudiengängen. Es geht nicht darum, neu geschaffene Hochschulabschlüsse wieder rückgängig zu machen. Die ersten Erfahrungen müssen genutzt werden, um die Studiengänge zu optimieren.
Im Rahmen der Europäisierung zielen die Mitgliedsstaaten auf eine Durchlässigkeit in der Bildung ab. Somit sollen Bildungsabschlüsse den Menschen größere Möglichkeiten bieten, sich in allen Ländern Europas bewegen zu können und zwar auf die Art und Weise, dass sie ihren Wohnort selbst bestimmen können und in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt dort auch verdienen zu können. Dazu war es notwendig, universitäre Abschlüsse zu schaffen, die diesen Anforderungen genügen. Bereits 1998 haben die vier größten Mitgliedsstaaten der EU in Sorbonne eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Zu diesen Staaten gehörte auch Deutschland.
Diplom heute noch konkurrenzfähig?
Verteidiger des Diplomabschlusses heben immer wieder hervor, dass die Studenten in den fünf Jahren Regelstudienzeit ihr Studium besser bewältigen können und die Belastung sich in Grenzen hält. Das schwankt jedoch von Studienrichtung zu Studienrichtung. Außerdem gab und gibt es eine große Anzahl von Dauerstudenten. Weniger voll gepackte Diplomabschlüsse sind also ein völlig unzureichendes und nicht überzeugendes Argument.
Ebenso überzeugt die Aussage über die Möglichkeit von Auslandspraktika, die nur während des 5-jährigen Studiums möglich sind, nicht.
Umsetzung zeitgemäßer Ausbildung
Ob in den Medien oder auch in der Wirtschaft, überall werden Fachkräfte gefordert. Um den Anforderungen der Wirtschaft Rechnung zu tragen, ist es notwendig, dass junge und gut ausgebildete Fachkräfte schnell in die Wirtschaft einsteigen können. Zeitgemäße Ausbildung bedeutet doch nicht, dass jährlich eine Unzahl von Studenten immatrikuliert werden, um diese dann immer weiter zu dezimieren. Das kann nicht das Ziel sein.
Dabei kann die Bundesregierung durchaus fördernd eingreifen, indem sie jenen Universitäten finanziell größere Zuwendungen zukommen lässt, denen es gelingt, die Abbrecherquote zu verringern. Qualität einer Universität stellt sich nicht in der Höhe der Abbrecherquote, sondern in der Zahl ihrer Absolventen dar.
Bei aller Kritik, die sicher gerechtfertigt ist, muss dennoch auch gesehen werden, dass die Bachelor-Studiengänge noch mehr spezialisiert werden können. Die straffe Durchplanung der einzelnen Semester mit festgefassten Studienplänen sollte nicht nur einseitig als Nachteil gesehen werden. Auch die Arbeitsweise der Studenten wird eher positiv beeinflusst.
Kritiker des Bologna-Prozesses führen einen Bruch mit dem Humboldtschen Bildungsideal an. Zeitgemäß ist eine Verbindung von beidem: Wahrung der Tradition im Sinne von Humboldt, aber auch Erfüllung der Forderungen von Arbeitsmarktqualifikation und ökonomischen Interessen des Marktes.
Konkurrenzfähige Universitäten
Gibt man auf der einen Seite den Kritikern von Bologna recht, so muss man aber auch auf der andern Seite die Verstaubtheit und teilweise akademische Enge an manchen Universitäten unseres Landes in Betracht ziehen. Sehen Professoren die Anerkennung von Abschlüssen als ein Problem, so sollte man sich die Frage stellen, ob nicht auch sie entstaubt werden müssen. Ziel des Bologna-Prozesses ist es, den Studenten ein Studium in verschiedenen Ländern zu ermöglichen, ihre Abschlüsse anerkannt zu bekommen. Auslandsaufenthalte sollen der Ausbildung dienen und nicht der Erholung.
Die Universität Freiburg zeigt, wie eine richtige Umsetzung von Auslandsaufenthalten aussehen kann. Das 5. Semester steht den Studierenden für einen Auslandsaufenthalt zur Verfügung. Der Studienplan wurde entsprechend gestaltet. Eine Optimierung dieses Prozesses wird auch dadurch erreicht, dass zwischen den Universitäten im Wirkungsgebiet Partnerschaften entstehen, die geprägt sind von gemeinsamen Absprachen über Inhalte, Anerkennungsmodalitäten und gegenseitiger Akzeptanz.
Überbelastung als Folge von Bologna
„Die Zeit“ kritisiert in ihrer Ausgabe vom 3. Dezember die wieder eingeführte Anwesenheitspflicht in einigen Lehrveranstaltungen und fordert die Abschaffung. Warum? Ist dies nicht eigentlich die Abkehr von Bummelei und Hinwendung zum Pflichtbewusstsein?
Die Durchführung von Modulen ist von vielen Seiten kritisiert worden, da sie zu mehr Prüfungsstress führen würden. Hier sollten sich die Verantwortlichen zusammensetzen und bisher gemachte Erfahrungen von allen Seiten nutzen, um die die Gestaltung von Modulen zu optimieren. Eine Rückkehr zum alten System wäre nur ein Rückschritt in der Umgestaltung der Bildungslandschaft Deutschland. Auch in Deutschland gibt es genügend Beispiele, die belegen, dass eine gelungene Gestaltung der Studiengänge dazu führt, dass ein Bachelorstudium durchaus machbar ist, wie das an der Uni Düsseldorf zu sehen ist.
Zugang zu Mastergängen
Die Ausgestaltung der Mastergänge ist in Deutschland noch immer in der Kinderschuhen. Hier müssen eindeutige Zugangsvoraussetzungen geschaffen werden. Feste Normen aber auch Flexibilität werden von den Universitäten abverlangt.
Diskussion über Bologna oder lieber Verbesserung der Umsetzung
Das Bologna-Programm muss Richtlinie bleiben. Deutschland darf sich nicht von diesem Programm abwenden, wenn es seine Bildungslandschaft erfolgreich umgestalten will. Hilfreich sollte zwar zum einen die Konkurrenzfähigkeit der einzelnen Universitäten sein. Andererseits sollten sie von einander profitieren und Gelungenes adaptieren.
Auch ein Blick in die Nachbarländer sollte den Ideenreichtum vorantreiben. Auch Studenten und Professoren sollten an diesem Prozess beteiligt werden, jedoch nur jene, die eine Umsetzung vorantreiben. An dieser Stelle setzt die Pflicht der Bundesregierung ein. Durch Kontrolle der Umsetzungsentwicklung und entsprechende Honorierung lassen sich auch schwerfällige Menschen von den positiven Seiten des Prozesses überzeugen.
Anstatt über die Rückkehr von Bologna zu diskutieren, sollte man die Zeit nutzen, um Ansatzpunkte zu finden, die Schwächen, die unbestritten in der bisherigen Umsetzung noch existieren, zu beseitigen.