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Ultrakalte Moleküle

Ein Gespräch mit der Berliner Quantenphysikerin Dr. Christiane Koch. Mithilfe von kalten Molekülen lassen sich Zeit und Entfernungen hochpräzise bestimmen: Basis für eine neue Generation von Navigationssystemen? Beleuchtung einer Methode.

Das „Global Positioning System“, seit 1995 offiziell in Betrieb, wird in einigen Jahren noch schneller und verlässlicher funktionieren; denkbar ist eine solche Optimierung durch den Einsatz extrem kalter Moleküle. Frau Dr. Koch, wie werden Moleküle gekühlt?

Da gibt es ganz verschiedene Systeme. Sehr tiefe Temperaturen erreicht man mittels der direkten Molekül-Kühlmethode nicht – lediglich den Bereich von Millikelvin (10 hoch minus 3). Atome hingegen lassen sich extrem effizient kühlen, vor allem durch Laserkühlung. Bei diesem Vorgang wird ein Atom mit einem Laser angeregt und ihm gezielt Energie zugeführt. Über Spontanemission verliert dann das Atom die Energie des Lasers. Da diese Anregung durch den Lasertreiber eine bestimmte Richtung hat, erstreckt sich die Spontanemission in alle Raumrichtungen zufällig. Erfolgt dieser Vorgang sehr oft, erreicht man einen effektiven Energieverlust. Dies funktioniert allerdings nur, wenn man sehr wenige dieser Energiezustände zur Verfügung hat, diese miteinander koppelt und so einen Kühltreiber schafft. Moleküle sind komplexer als Atome, sie verfügen aufgrund ihrer Freiheitsgrade über sehr viele Energiezustände und sind daher auch schwieriger zu kühlen.

Man geht also über die Hintertreppe?

Ganz genau. Direkt auf die Moleküle lässt sich die eben genannte Kühlmethode nicht anwenden. Mit wenigen Lasern gelingt es bisher nicht, alle Energiezustände eines Moleküls zu überwinden. Atome hingegen kann man beliebig tief kühlen – die Bose-Einstein-Kondensation für Atome ist erstmals 1995 realisiert, 2001 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Man muss also eine Alternative wählen und die Moleküle aus Atomen einzeln aufbauen: Sind die Atome auf Temperaturen von 10 hoch minus 9 oder 10 hoch minus 8 Kelvin gekühlt, fügt man sie zu Molekülen zusammen: Man legt ein äußeres Feld an und zwingt die Atome, ein Molekül zu werden.

Wo beginnen physikalisch die „kalten Temperaturen“?

Typischerweise bei etwa einem Kelvin. Zum Vergleich: Im Weltall – das heißt: ohne Atmosphäre und fast ohne Materie – beträgt die Temperatur 3 Kelvin. Sie wird dort lediglich von der Hintergrundstrahlung bestimmt.

Mittlerweile kann man im Labor von 1 Kelvin bis zu 10 hoch minus 9 Kelvin herunterkühlen, es stehen somit immerhin acht bis neun verschiedene Größenordnungen zur Verfügung. Wie gesagt: natürlich nicht für beliebig viele Moleküle.

Warum wird gekühlt?

Kühlen heißt, dass man den Molekülen nur soviel Energie zur Verfügung stellt, wie sie gerade brauchen – vergleichbar einer Minimumdiät also. Wir entziehen den Molekülen thermische Energie, um ihre innere Struktur besser sehen zu können. Bei diesen Temperaturen kann man beobachten und versuchen zu verstehen, wie chemische Reaktionen in der Astrophysik und der Astronomie ablaufen.

Was passiert dort konkret?

Ein Molekül kann schwingen, rotieren und durch den Raum flitzen, man spricht von Rotation, Vibration und Translation.

In jenem Regime, in dem man es nur noch mit einzelnen Quantenzuständen zu tun hat – Bereich 1 Millikelvin (10 hoch minus drei) – kann man bereits die Rotation auskühlen. Darunter erfolgt das Auskühlen der Schwingung; zur Bose-Einstein-Kondensation kommt es jedoch erst bei sehr tiefen Temperaturen von etwa 10 hoch minus 8 Kelvin.

Welche Moleküle eignen sich?

Das sind zunächst einmal die allereinfachsten, die man sich vorstellen kann, zweiatomige Moleküle, die noch dazu aus identischen Atomen bestehen. Man kühlt je zwei identische Atome und fügt sie zu einem Molekül zusammen. Theoretisch gibt es keine Bedenken, dieses Verfahren auf komplexere Moleküle zu erweitern, experimentell wäre dies momentan mit sehr viel mehr Aufwand verbunden. Natürlich werden zunächst einmal Atome, die man am leichtesten erzeugen kann, bevorzugt eingesetzt. Am besten kühlen lassen sich Alkali-Atome der ersten Hauptgruppe, die wasserstoffähnlich sind. Bei diesen funktionieren Standardlaser. Aus diesem Grund übrigens waren auch die ersten Bose-Einstein-Kondensate für genau diese Spezies.

Wie lange dauert das Herunterkühlen der Atome beziehungsweise das Herstellen eines ultrakalten Moleküls? Muss der Physiker selbst Hand anlegen?

Das dauert ein paar Millisekunden – die Experimentatoren laufen übrigens am liebsten nachts. Im Prinzip werden diese Experimente mittlerweile alle computergestützt durchgeführt – da steht niemand mehr und dreht per Hand an irgendwelchen Knöpfen.

Wie schnell lassen sich die Errungenschaften auf diesem Gebiet realisieren und wann könnte ein ultrakaltes Navigationssystem Wirklichkeit werden?

In den nächsten fünfzig Jahren wird sich auf diesem Gebiet sicherlich viel getan haben.