Nachtschattengewächse sind weltweit verbreitet. Kartoffeln und Tabak sind z.B. Lebens- und Genussmittel. Tropische Arten nutzt man auch als Heilpflanzen.
Schon seit prähistorischer Zeit haben die Menschen natürliche Substanzen für medizinische Zwecke wie zum Beispiel Hautinfektionen verwendet. Die traditionelle Medizin nutzt eine Vielzahl unterschiedlicher Pflanzen zur Behandlung von Pilzinfektionen, die teilweise in wissenschaftlichen, meist in vitro (Labor-) Studien auf antimykotische Wirksamkeit untersucht wurden. Einige standardisierte Extrakte (u.a. aus Nachtschattengewächsen) wurden bereits placebokontrollierten klinischen Tests im Vergleich mit bewährten Anti-Pilz-Mitteln unterzogen.
Nachtschattengewächse – Nahrungs-, Genuss-, Heil- und Giftpflanzen
Die Pflanzenfamilie der Nachtschattengewächse (Solanaceae) umfasst 90 Gattungen mit mehr als 3.500 Spezies. Darunter sind uns vor allem die essbaren Vertreter Kartoffeln, Tomaten, Auberginen, Paprika und Peperoni sowie die Arten Tabak, Tollkirsche, Stechapfel, Petunie und Engelstrompete bekannt, die auch hierzulande wild oder kultiviert wachsen. Wer Nachtschattengewächse kennt, weiß, dass sie wirksame Substanzen enthalten, die sie vor Fraß- und anderen Feinden wie Bakterien, Pilzen und Viren schützen.
Maya-Kraut Sosa – Solanum chrysotrichum
Der Nachtschatten Solanum chrysotrichum ist heimisch im tropischen Zentralamerika und wird dort auch als Riesen-Teufels-Feige (Giant devil´s fig) oder Sosa bezeichnet. In der mexikanischen traditionellen Medizin werden alkoholische Extrakte aus den Blättern von S. chrysotrichum zur Behandlung von Haut- und Schleimhauterkrankungen eingesetzt, die durch Pilze verursacht werden. In zahlreichen mikrobiologischen Studien wurden sechs verschiedene aktive Moleküle gegen Hefen und Dermatopyhten (Hautpilze) identifiziert. Diese Pflanzeninhaltsstoffe sind chemisch gesehen Steroid-Saponine.
Allgemein gebräuchlich als mikrobielles Testverfahren ist der Agardiffusions-Test. Hier verwendet man Mikroorganismen, die auf Nährmedien (Agar) fein verteilt sind. Die Platten werden bebrütet und nach Zugabe von wachstumshemmenden Substanzen die Hemmhöfe um die Mikroorganismen beurteilt: Je größer der wachstumsfreie Bereich um den Testorganismus, desto wirksamer ist die Substanz.
Wirksamkeit gegen Kopfschuppen, Fuß- und Scheidenpilz
Erste klinische Studien haben die therapeutische Wirksamkeit von standardisierten S. chrysotrichum-Saponinen bei der Behandlung von Fußpilz (Tinea pedis) und Kopfschuppen (Pityriasis capitis) – verursacht durch den oberflächlichen Befall mit Dermatophyten wie Trichophyton– und Malassezia-Pilzen – gezeigt. Das Saponin SC-2 erwies sich dabei als ähnlich wirksam wie das Standard-Pilzmittel Ketoconazol – auch bei der Anwendung in Zäpfchen bei vaginalen Candida-Infektionen.
Kartoffeln enthalten antimikrobiellen Substanzen
Selbst in Kartoffelknollen stecken Substanzen (so genannte Protease-Inhibitatoren), die eine Anti-Pilz-Wirkung zeigten. Die hitzestabilen Peptide Potid-G, AFP-J und Potamin 1 wurden von koreanischen Wissenschaftlern isoliert und zeigten in Laborversuchen pilzhemmende Wirkungen auch auf Candida albicans-Kulturen.
Bittersüßer und schwarzer Nachtschatten
Bittersüßer (Solanum dulcamara) und Schwarzer Nachtschatten (Solanum nigrum Linn.) gehörten zu den Bestandteilen von Hexensalben und -getränken. Die Stängel des Solanum dulcamara, der auch hierzulande als Kletterpflanze mit violetten Blüten und roten Beeren vorkommt, sind als Kräuterdroge mit unter anderem Wirkungen gegen Bakterien und Pilze beschrieben. Sie kommen unter anderem zur äußerlichen Anwendung bei Ekzemen und Juckreiz.
Schwarzer Nachtschatten-Extrakt wird ebenfalls zur Behandlung chronischer Hauterkrankungen wie Psoriasis angewendet. Pakistanische Wissenschaftler testeten ethanolische Extrakte aus getrockneten Beeren von S. nigrum im Labor auf Wirkungen gegen Hauptpilze (meist Trichophyton-Arten) und Candida-Hefen. Da bereits in geringster Konzentration (1:500) eine starke Hemmwirkung auf die Pilze festgestellt wurden, ist man zuversichtlich geeignete Pflanzenextrakte für den therapeutischen Einsatz in Salben, Cremes oder Lotionen zu entwickeln.
In Indien wurde die antimikrobielle Wirksamkeit von Solanum trilobatum-Wurzelextrakt nicht nur gegen hartnäckige bakterielle Keime wie Staphylococcus aureus und E. coli, sondern auch gegen Candida albicans im Labor untersucht. Im Platten-Test mit Konzentrationen von 100 und 200 mg/ml wurden Coli-Bakterien und Candida-Pilze durch den Solanum-Extrakt ebenso wirksam bekämpft wie mit den Standardmedikamenten, bei St. aureus war die Wirksamkeit gegenüber Neomycin geringer.
Wildsammlungen gefährden Bestand – Laborkulturen mit erhöhtem Wirkstoffgehalt
Der Bekanntheitsgrad einer Heilpflanze weist jedoch auch negative Begleiterscheinungen auf. Am Beispiel Sosa werden Alternativen zum Pflanzenschutz entwickelt. Da S. chrysotrichum in einem eng begrenzten Bereich in der von Maya-Stämmen bewohnten Region Chiapas in Mexiko wächst, ist der Pflanzenbestand durch Wildsammlungen gefährdet. Da auch der Wirkstoffgehalt der Pflanzen nach Standort und Erntezeit stark variiert, werden seit zwanzig Jahren Kulturverfahren im Labor entwickelt. Mittels biotechnologischer Verfahren (herkömmliche Zellkulturzüchtungen und gentechnischen Veränderungen) steht man kurz davor, eine dauerhafte, kostenoptimierte und kontrollierte Produktion an Anti-Pilz-Wirkstoffen zu erzielen. Der Gehalt an SC-2 in Biorektoren mit Zell- oder Wurzelkulturen von S. chrysotrichum konnte gegenüber den Blättern um ein Vielfaches erhöht werden.
Bisher sind Nachtschatten-Zubereitungen in Deutschland nicht erhältlich. Die ermutigenden Resultate mit Solanum-Saponinen müssen in weiteren Studien bestätigt werden, bevor ein Einsatz als neuartiges Anti-Pilz-Medikament erfolgen soll.