Tod und Trauer als verdrängte Themen.
Fröhlichkeit, Heiterkeit und Ausgelassenheit sind gern gesehen, ein lautes Lachen steckt die Umwelt vielfach an. Das Zeigen „positiver“ Emotionen ist somit vollkommen legitim.
Anders sieht es jedoch aus, wenn plötzlich „negative“ Gefühle in den Vordergrund treten, ausgelöst durch Trennung, schwere Krankheit, den Tod eines geliebten Menschen oder eine Fehlgeburt. Während Lachen in der Öffentlichkeit als normal empfunden wird, löst Weinen an einem öffentlichen Ort nur bei wenigen Menschen Mitgefühl oder gar Anteilnahme aus, sondern stattdessen Befremdung, eventuell auch noch wilde Spekulationen über die Ursache des Weinkrampfs. Viele schauen betreten weg, wenn ihnen ein Weinender auf der Straße begegnet.
Der Umgang mit Trauer im Todesfall
Gerade, wenn eine Trauerreaktion durch einen Todesfall ausgelöst wird, fühlen sich viele Hinterbliebene allein gelassen. Ihr direktes Umfeld geht nach relativ kurzer Zeit zur Tagesordnung über und rät in vielen Fällen sogar den nächsten Angehörigen des Verstorbenen dazu. Vielfach herrscht Unverständnis, wenn der Betroffene immer wieder über den Menschen sprechen möchte, der gestorben ist. Dabei ist dies ein Bestandteil der Trauerarbeit und gehört zur seelischen Verarbeitung des Verlustes dazu.
Nicht immer steckt Boshaftigkeit, Oberflächlichkeit oder fehlende Empathie des Umfeldes hinter Abwehrreaktionen auf die Trauer eines Menschen. Gerade bei Todesfällen wird vielen Menschen ihre eigene Vergänglichkeit in Erinnerung gerufen, zumal der Tod ein endgültiger Abschied ist. Trauerreaktionen kommen zwar ebenso bei Trennungen vor, aber in diesem Fall besteht zumindest immer noch theoretisch die Möglichkeit, denjenigen irgendwann wiederzusehen bzw. nach Verarbeitung des Trennungsschmerzes einen neutralen, eventuell freundschaftlichen Umgang mit dem Ex-Partner pflegen zu können.
Die Notwendigkeit zur Trauerarbeit
Freud definierte diese einst als einen notwendigen Prozess, nach dessen Abschluss die Seele wieder frei und ungehemmt ist. Auf der Homepage eines Aachener Bestattungshauses wird darauf hingewiesen, dass Trauer etwas ganz Natürliches ist und das Zulassen von ihr der einzige Weg ist, sie zu überwinden. Den Tod eines geliebten Menschen, den Partner, von dem man verlassen wurde oder eine Fehlgeburt kann man nicht einfach „weglachen“.
Zur Trauerarbeit gehören offene Gefühlsäußerungen wie z. B. Weinen oder die verbale Äußerung von Befürchtungen, zu Lebzeiten des Verstorbenen etwas falsch gemacht oder sich nicht intensiv genug um ihn gekümmert zu haben. Auch Wut gehört zum Trauerprozess, weil der verlassene Partner oder der Hinterbliebene oft das Gefühl hat, vor etwaigen Schwierigkeiten nun alleine zu stehen. „Wieso hast du mich allein gelassen?“ ist eine häufige Frage, die der Trauernde (laut) stellt.
Die Verarbeitung von Trauer braucht Zeit, sie ist nicht binnen weniger Stunden oder Tage abgehandelt. Sie kann nicht abgeschaltet werden wie ein Radio oder Fernseher. Bei einem CD-Player ist es möglich, nicht so gute Songs zu überspringen, bei Filmen können bestimmte Szenen vorgespult werden, wenn zu langatmig, blutrünstig etc. Bei der Trauerarbeit ist dies nicht möglich, hierbei handelt es sich um einen Prozess, der chronologisch von der Seele abgearbeitet wird.
Der Trauerprozess setzt erst nach und nach ein. Gerade bei überraschenden Todesfällen (z. B. bei Katastrophen oder Verkehrsunfällen) ist eine häufige Reaktion, dass der nächste Angehörige die Nachricht über den Tod des geliebten Menschen nicht wahrhaben will. Dies ist eine normale Schutzfunktion der Seele, die eine Todesnachricht nicht sofort verarbeiten kann. Erst nach und nach setzt ein Begreifen der veränderten Situation ein. Am Ende des Trauerprozesses ist es möglich, ein natürliches Verhältnis zum Verstorbenen sowie eine positive Einstellung zum eigenen Weiterleben zu entwickeln.
Hilfen beim Trauerprozess
Bestattungshäuser und auch einige Krankenhäuser bieten vielfach einen sogenannten Abschiedsraum, in dem sich die Angehörigen in Ruhe von dem Verstorbenen verabschieden können. Viele Hinterbliebene erhalten von wohlmeinenden Freunden oder Familienmitgliedern den Rat, sich den Verstorbenen im Sarg nicht mehr anzusehen, um dem Hinterbliebenen weitere Schmerzen zu ersparen, aber auch das bewusste Abschiednehmen von „Angesicht zu Angesicht“ erleichtert die Trauerarbeit, im Gegensatz zum anonymen Verschließen des Sarges für die Erd- oder Feuerbestattung.
Das Phänomen anonymer Urnenbestattungen ist in zunehmendem Maße in der Bestattungskultur zu beobachten. Friedhöfe weisen jedoch auf Plakaten mit dem Titel „Mutter, wo bist du?“ darauf hin, dass Angehörige ihren Platz zur Trauer brauchen. Egal, ob im Fernsehen über reale Todesfälle berichtet wird oder ob es sich um Szenen in Serien oder Spielfilmen handelt: Den meisten Hinterbliebenen tut es gut, an einem Grab zu stehen und mit dem geliebten Verstorbenen (im Geiste) sprechen zu können.
Um Trauernden die Möglichkeit zu geben, sich untereinander über ihre Gefühle auszutauschen und diesen freien Lauf zu lassen, ohne von Außenstehenden schräg angesehen zu werden, bieten der Verein Trauerarbeit Hattingen e. V. sowie eine Reihe von Bestattungshäusern Trauerbegleitung, Trauercafés u. ä. an.
Trauerprozesse verlaufen trotz aller Gemeinsamkeiten nicht immer gleich
Auch wenn die Trauerarbeit an dem Punkt beginnt, an dem der Betroffene realisiert, dass der Andere nicht mehr da ist – egal, ob durch Trennung oder Tod – und an dem Punkt abschließt, an dem die guten Erinnerungen an den Verstorbenen/Ex-Partner auftauchen und derjenige dem eigenen Leben wieder positive Seiten abgewinnen kann, so können die Phasen doch recht unterschiedlich verlaufen. Manche Trauernde bewahren zunächst alles auf, das sie an den geliebten Menschen erinnert (Fotos, Kleidung etc.), für andere hingegen gehört es zur Trauerarbeit, (zunächst) möglichst alles aus ihrem Blickfeld zu verbannen, das sie an den Verstorbenen/Ex-Partner erinnert. Dies ist sicherlich typabhängig. Aus diesem Grunde sollte die eine Variante nicht pauschal als gut und die andere als schlecht empfunden werden.