Hat man als Lehrer ein hochbegabtes Kind in der Klasse, so gibt es verschiedene Maßnahmen, dieses Kind entsprechend einzubringen und zu fördern.
Hat man als Lehrer in seiner Klasse ein oder mehrere hochbegabte Kinder identifiziert, so gilt es nun, diese Schüler ihrer Begabung nach zu fordern und zu fördern. Je nach Anzahl der Hochbegabten, Grad der Begabung und der vorhandenen Mittel kommen dabei verschiedene Maßnahmen in Frage.
Maßnahmen der Förderung
1. Anreicherung
Bei diesem Modell werden Schüler verschiedener Begabungsstufen in einer Klasse unterrichtet. Sie erhalten jedoch, so weit als möglich, Aufgabenstellungen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad (z. B. Arbeitsblätter mit verschiedenen Aufgaben). Um keinen Neid aufkommen zu lassen, kann es angebracht sein, die Kinder nicht wissen zu lassen, dass sie unterschiedlich schwierige Aufgaben bekommen – den Kindern selbst ist es meist nicht bewusst und auch egal.
Da hochbegabte Kinder ihre Arbeiten auch meist schneller erledigen als ihre Klassenkameraden, kann man ihnen auch anbieten, interessante zusätzliche Themen, Aufgaben etc. zu bearbeiten.
2. Akzeleration/Beschleunigung
Hierunter fallen vor allem die vorzeitige Einschulung und das Überspringen von Klassen. In vielen Bundesländern muss die Einschulung vor dem eigentlichen Termin vom Schularzt abgesegnet werden, was oft ein Problem darstellt – Ärzte sind sich der Probleme der Hochbegabung meist nicht bewusst und lehnen nicht selten die vorzeitige Einschulung aufgrund körperlicher (Un-)Reife ab.
Ähnlich gibt es Lehrer, Direktoren etc., die das Überspringen von Klassen mit Begründungen wie „Das wird an unserer Schule nicht gemacht“ zurückweisen.
Generell gilt jedoch für beides: Man muss jeweils das einzelne Kind sehen. Ist das Kind in (fast) allen Fächern der Klasse weit voraus, so macht es wenig Sinn, es in dieser Jahrgangsstufe zu belassen und/oder nur in einigen Fächern am Unterricht höherer Klassen teilnehmen zu lassen. Die allermeisten „Springer“ fügen sich problemlos in die höhere Klasse ein, sowohl intellektuell als auch sozial (beachte: die meisten hochbegabten Kinder haben ohnehin ältere Freunde).
3. Teilweise Akzeleration
Ist das Kind nicht universal begabt (d. h. in fast allen Fächern – was ohnehin selten ist), so kann es sich anbieten, das Kind in der eigenen Jahrgangsstufe zu belassen, und nur in den Fächern der Begabung im Unterricht höherer Klasen zu integrieren. Liegt in dem Fach/den Fächern eine (seltene) Spitzenbegabung vor, und/oder ist das Kind in der Jahrgangsstufe neun bis zwölf , so kann es sogar angebracht sein, das Kind zeitweise an Vorlesungen der Universität im jeweiligen Fach teilnehmen zu lassen.
4. Separation/Grouping
Hat man vor, hochbegabte Kinder innerhalb der Schule in der selben Klasse zusammenzufassen, so stößt man auf zwei Varianten: der Separation und dem „Grouping“. Der Unterschied hierbei besteht darin, dass bei der Separation sich (meist) nur hochbegabte Kinder in der Klasse befinden, während beim Grouping sich verschiedene Begabungsstufen in der selben Klasse finden.
Separation – Hochbegabtenklassen/-schulen
Gerade für hochbegabte Kinder, die lange nicht als solche identifiziert wurden und problematisches Verhalten entwickelt haben, kann es angebracht sein, eine Schule zu besuchen, die sich ausgesucht mit dem Thema Hochbegabung befasst und die damit zusammenhängenden Problematiken gut kennt. Pionier war und ist die Jugenddorf-Christopherus Schule Braunschweig – leider sind die Wartelisten dort entsprechend lang. Hochbegabte- oder sog. D-Zug-Klassen werden zur Zeit aber schon in vielen Bundesländern eingeführt; eine Nachfrage beim zuständigen Schulamt oder der Deutschen Gesellschaft für das Hochbegabte Kind kann Aufschluss geben, wo es diese Klassen schon gibt.
Grouping – Zusammenfassen Hochbegabter in einer Klasse
Das so genannte „Grouping“ fasst alle hochbegabten Kinder einer Jahrgangsstufe in einer Klasse zusammen; der Rest der Klasse ist hinsichtlich Begabung gemischt, wobei es vermieden werden sollte, auch die langsamsten Schüler in diese Klasse einzuteilen. Dieses Grouping hat mehrere Vorteile:
· Der Lehrer, der Differenzierungsmaßnahmen entwickelt, tut dies nicht nur für ein, sondern für mehrere Kinder – damit ist die Effizienz größer.
· Die hochbegabten Kinder fühlen sich weniger als Außenseiter, sie finden Gleichgesinnte (aber Vorsicht: auch bei Hochbegabten gibt es große Unterschiede – zwei Kinder mit IQ 130 und IQ 180 sind zwar hochbegabt, leben aber in komplett verschiedenen Welten).
· Die nicht-hochbegabten Kinder profitieren ebenfalls: zum einen von den Differenzierungsmaßnahmen, zum anderen haben Studien gezeigt, dass in einer solchen Klassengemeinschaft auch ihre Leistungen steigen.
In der Klassengemeinschaft
Innerhalb der Klassengemeinschaft gilt: Ist es offensichtlich, dass einige Kinder andere Aufgaben oder Ausnahmen (z. B. Besuch des Unterrichts höherer Klassen) erhalten, so empfiehlt es sich, der ganzen Klasse zu erklären, dass es Aufgabe des Lehrers ist, jeden entsprechend seiner Fähigkeiten zu unterrichten – und nicht unbedingt jeden gleich.
Einbeziehen aller Beteiligten
In jedem Fall gilt: Die Förderung hochbegabter Kinder im Unterricht muss immer mit den Eltern, dem Schulleiter, ggf. dem zuständigen Schulamt und den Lehrern, die das Kind in den nächsthöheren Klassen unterrichten werden, abgesprochen werden. Die Kollegen müssen informiert werden, um die Fördermaßnahmen ggf. weiterzuführen und andere begabte Kinder im selben Jahrgang ebenfalls davon profitieren zu lassen.
Hochbegabte haben der Gesellschaft viel zu geben, allerdings nur, wenn diese ihnen auch zur Seite steht. Wie es ein hochbegabter Schüler der 8. Klasse formulierte: „Warum sollte ich meine Gabe für eine Gesellschaft nutzen, die mich mit meinen Bedürfnissen alleine lässt?“