Kinderwagen werden immer mehr zu Trendsportgeräten hochgerüstet. Wer mit Kind und Kinderwagen ins Gebirge will, braucht die HighTech-Ausrüstung aber auch.
Ursprünglich sollte der Kinderwagen einmal Eltern das Leben leichter machen. Der Nachwuchs konnte bequem gerollt und musste nicht umhergetragen werden. Seit einiger Zeit zeichnet sich aber bei Kinderwagenherstellern die Tendenz ab, die Gefährte zu Trendsportgeräten zu machen. Inzwischen kann man mit ihnen joggen, rollerbladen, Fahrrad fahren oder mit Kufen-Sonderzubehör langlaufen. Ihre Reifen, die man nach Art der Mountainbikereifen an der Tankstelle aufpumpen muss und bei denen man durch leichte Klicktechnik von der drögen 0815-Buggyversion auf sportliche 16 Zoll wechseln kann, weisen offroadtaugliche Profile auf, damit das Gefährt auch Waldwege problemlos meistert. Ach ja, und sie transportieren Kinder, aber das nur nebenbei.
Eltern unterschätzen eine Bergtour mit dem Kinderwagen oft
Zunächst enthusiasmiert von den sich eröffnenden Möglichkeiten, schwant vielen Eltern aber bereits bei der ersten Bergtour, dass die arbeitserleichternde Funktion des Kinderwagens inzwischen einer Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme Platz gemacht hat. Denn seitdem durch solcherart hochgerüstetes Equipment dem Erlebnisdrang junger Eltern keine Grenzen mehr gesetzt sind, gibt es keinen noch so steilen Gebirgspfad mehr, auf dem nicht wochenends Eltern schnaufend ihren Nachwuchs im Kinderwagen bergan stemmen. So ein tolles Ding, mit dem sich alles machen lässt, schafft eben die Verpflichtung, wirklich alles damit zu machen. Aber spätestens, wenn sich die Steigung gegen 15 Prozent neigt und der Schiebende selbst einen Neigungswinkel von 25 Grad aufweist, weil er sich auf dem Rollsplitt mit aller Kraft gegen den Wagen stemmen muss, spätestens dann fragt er sich: Muss das wirklich sein – eine Bergtour mit Kinderwagen?
Inzwischen gibt es Literatur zum Trend „Wandern mit Kinderwagen“
Offenbar ja. Oder würden sonst immer mehr Eltern beim Kinderwagenkauf dem dreirädrigen Modell Marke „windschnittig“ den Vorzug vor dem bräsigen Vierachser geben, mit dem man bestenfalls im Park spazierengehen kann? Eine Reihe von Sachbüchern greift diesen Trend auf und listet Wandertouren, die auch mit einem Kinderwagen zu meistern sind. Als Zielpunkt lockt dabei meist eine Alm in nicht allzu anspruchsvoller Berglage, bewirtschaftet und oft mit Spielplatz, eingedenk der Tatsache, dass auch der Kinderwageninsasse bei Laune gehalten werden muss.
Eine kleine Auswahl kinderwagenbezogener Wanderliteratur:
- „Wanderungen mit dem Kinderwagen im Münchner Umland: 33 Touren zwischen Freising und Garmisch“ von Carmen Egelhaaf,
- „Wanderungen mit Kinderwagen zwischen Füssen und Tegernsee“ von Robert Theml,
- „Wandern mit dem Kinderwagen zwischen Garmisch und Traunstein“ von Michael Kleemann,
- „Wanderungen mit Kinderwagen zwischen Schliersee und Berchtesgadener Land: Special: 12 Touren rollstuhlgeeignet“,
- „Wanderbabys: Südtirol mit dem Kinderwagen: 51 Wanderungen mit dem Baby“ von Thomas Plattner.
Die Handbremse erleichtert den Abstieg ins Tal
Gegen 16 Uhr, wenn die Familien wieder ins Tal drängen, um sich bald nahtlos in den Stau auf der Autobahn einzureihen, steht übrigens noch die letzte Bewährungsprobe an: der Abstieg mit dem Kinderwagen. Hier rächt sich Sparsamkeit an der falschen Stelle: Wer jetzt nicht auf eine leicht zu bedienende Handbremse zurückgreifen kann, wird beim Abstieg über Schotter und Geröll keine Freude haben. Der Kinderwagen sollte deshalb mit wanderwegtauglichen, stark profilierten Reifen und auf jeden Fall mit einer Scheiben- und Handbremse ausgestattet sein. Es hat wenig Zweck und ist zudem gefährlich, mit einem Stadtbuggy auf zum Teil sehr steilen Gebirgswegen unterwegs zu sein. Ein adäquates Equipment ist deshalb auch beim Wandern mit Kinderwagen nicht nur von Vorteil, sondern ein absolutes Muss. Die Neuerungen auf dem Kinderwagensektor sind nicht nur dem Trend geschuldet. Sie erfüllen ihren Zweck – jedenfalls, wenn man mit Kind im Kinderwagen wandern gehen will.