Tourette-Syndrom ist nur die bekannteste Erkrankung. Tic-Störungen sind vielfältig. Das Tourette-Syndrom ist davon das bekannteste. Doch kaum jemand weiß, was die Erkrankung ist und wie sich die Teenager fühlen.
Eine typische Situation: Der Lehrer erklärt gerade einen Sachverhalt an der Tafel. Die Klasse ist ruhig und hört zu. Plötzlich beginnt ein Schüler Grimassen zu schneiden und schimpft: „Arschloch“. Niemand von den anderen Jugendlichen achtet auf dieses bizarre Verhalten, denn sie wissen mittlerweile – unser Mitschüler hat eine Tic-Störung und will mit seinem Verhalten niemanden wirklich ärgern.
Was sind Tics?
Man kann bei den Tics zwei Arten unterscheiden. Zum einen gibt es die motorischen Tics, bei denen Handlungen ausgeführt werden, die nicht beabsichtigt und nur schwer kontrollierbar sind. Einfache Tics sind Blinzeln oder Kopfwerfen. Hier werden nur wenige Muskelgruppen angeregt. Komplexer wird der Vorgang bei Tics wie Sich-Selbst-Schlagen oder unvermittelt in die Luft zu springen.
Verbale Tics sind die zweite Art. Wörter oder Laute werden einfach in die Welt gerufen, ohne dass der Jugendliche dies beabsichtigt. Oftmals sind die Wörter „erfunden“ und werden ständig wiederholt. Besonders bekannt sind beim Gilles-de-la-Tourette-Syndrom obszöne Ausrufe, die mitten im Satz gesagt werden (wobei sie nicht automatisch nur Obszönes auf Lager haben, entgegen der landläufigen Meinung).
Wie ergeht es dem Jugendlichen?
Die erkrankten Jugendlichen bekommen oftmals Probleme gesellschaftlicher Natur. Wenn mitten in der Stadt obszöne Worte oder unverständliches Gemurmel herausgeschrien wird, neigen die Menschen dazu, den Kopf zu schütteln oder auch unangemessen zu reagieren. „Bist du bescheuert einfach zu schreien?“, ist ein gängiger Satz, den betroffene Jugendliche immer wieder hören. Schnell wird der Teenager als geistig behindert bezeichnet und das, obwohl der Verstand funktioniert. Nicht selten sieht sich der Jugendliche in der Defensive und muss sich entschuldigen, obwohl er nichts zu seinem Verhalten kann.
Erfahrungsgemäß gewöhnen sich Jugendliche schneller an die Tic-Störung des Freundes als Erwachsene. Einen Freundeskreis aufzubauen, fällt zunächst zwar schwerer, aber dafür sind Freundschaften oftmals dauerhafter als bei anderen „normalen“ Jugendlichen.
Viele der Jugendlichen bemerken einen Tic bevor er tatsächlich da ist. Sie berichten oftmals von einem Kribbeln kurz bevor er schließlich ausbricht. In diesem Fall können sie die Tics dann unterbinden, auch wenn es schwer fällt. Das Problem, dem sich die Teenager gegenübersehen ist, dass die Handlungen, wenn sie sie wieder „laufen lassen“, häufiger und oft heftiger auftreten. Auch wird es in vielen Fällen immer schwieriger, die Tics zu unterdrücken. Es bringt also nichts, dauernd Kontrolle über die Tics behalten zu wollen.
Tics können gefährlich sein
Viele Jugendliche, die am Tourette-Syndrom leiden, entwickeln Tics, die sie selbst schädigen. So können Schläge auf die Augen erfolgen, was Blindheit zur Folge haben kann. Andere schlagen plötzlich ihren Kopf gegen eine harte Unterlage. Dies kann zu ernsthaften Verletzungen führen, die dann einen Krankenhausaufenthalt notwendig werden lassen. Auch dauerhafte Beeinträchtigungen können hierdurch entstehen, die eine lebenslange Konsequenz nach sich ziehen.
Arten von Ticstörungen
Beim Tourette-Syndrom kommt es zur Kombination von verbalen und motorischen Tics, die nicht zeitgleich auftreten müssen. Spricht man von Ticstörungen, so meint die Öffentlichkeit gerade diese Erkrankung.
Es gibt aber auch Störungen, die nicht unter diese Kategorie fallen und nur aus motorischen oder verbalen Tics bestehen. Viele Erkrankte haben Tics, die häufig kaum zu bemerken sind und daher haben diese Teenager auch keine Nachteile dadurch.
Auffällig ist, dass die Symptome bei Entspannung in vielen Fällen nachlassen und für die Dauer der Entspannung komplett verschwunden sein können. Gerade im Schlaf treten Tics für gewöhnlich nicht auf.
Viele Jugendlichen haben während ihrer Krankengeschichte das Glück eine Tätigkeit zu finden, die dafür sorgt, dass während der Tätigkeit keine Tics auftreten. So gibt es Sprösslinge, die beim Klavierspielen anfallsfrei sind, andere haben keine Zuckungen, wenn sie Fahrrad fahren.
Die Ursachen
Eine genetische Disposition ist nicht von der Hand zu weisen. Die Erkrankung tritt familiär gehäuft auf. Bei Jungen ist die Wahrscheinlichkeit daran zu erkranken höher als bei Mädchen. Auf 4 erkrankte Jungs kommt ein einziges Mädchen.
Einfache Tics können auch die Vorläufer des Tourette-Syndroms sein. Die Häufigkeit liegt hier bei 5 Betroffenen von 10000 Einwohnern. Meistens ist das Syndrom bereits vor der Pubertät vorhanden und diagnostiziert.
Was kann den Erkrankten helfen?
Gute Erfolge haben Entspannungsverfahren gezeigt, wie beispielsweise autogenes Training. Möglich ist auch, sich eine Beschäftigung zu suchen, die die Tics für die Dauer der Beschäftigung abstellt. Ergänzend können Psychotherapien angewendet werden und eine Medikamententherapie ist die Regel.
Eltern müssen die Störung als Krankheit akzeptieren und als solche Verstehen. Schuldzuweisungen sollten nicht gemacht werden, denn dafür gibt es keinen Grund. Aber die Erwachsenen sollten sich vor einer Überbehütung hüten, denn dadurch kann es zur Tyrannisierung durch die Jugendlichen kommen (zweites Krankheitsbild kann entstehen). Es darf keine Ermahnung geben wie: „Jetzt hör endlich auf“. Und vor allem sollte der Teenager so normal wie möglich behandelt werden.