Parallel zur offiziellen Einführung von Telefonkarten wurde ein Sammel-Boom entfacht, der letztlich nur Händlern nützte – Rückblick und Resümee.
Als 1986 die Testphase der Nutzung von Telefonkarten erfolgreich beendet wurde und die flächendeckende Einführung in Deutschland beschlossene Sache war, begann der Siegeszug des Chipkartensystems. Schnell regte sich das Interesse von Sammlern, die häufig aus dem Lager der Philatelisten kamen, aber auch das von Spekulanten. Die zuerst unbeachteten Telefonkarten der ersten Serien wurden zu gesuchten Sammelobjekten mit explosionsartig steigenden Preisen.
Nur für kurze Zeit überschaubares Angebot
Das Angebot blieb nur für kurze Zeit überschaubar. Die Einführung von Kategorien führte zumindest kurzfristig zur besseren Einschätzung, welches Gebiet nachhaltig interessant bleiben könnte. Seriosität schien gegeben zu sein, als die Deutsche Bundespost (Telekom) ausschließlich über ihren Sammlerservice zu erwerbende „A-Karten“ heraus gab. Dass ein nicht zum Telefonieren nutzbarer Preisaufschlag zu zahlen war, erinnerte an die Wohlfahrts- und Jugendmarken, die in der Philatelie zumeist wertstabil blieben.
Anfangs ernst genommen wurden die Karten der Serien „P“ mit Werbung für die Telekom und „S“ mit Fremdwerbung. Wahre Renner waren die „K“-Karten, die entweder von den werbenden Firmen verteilt oder über den Sammlerservice der Deutschen Postreklame GmbH vertrieben wurden. Auf diesem Sektor wurden enorme Gewinnzuwächse verzeichnet, bevor der Boom duch Übersättigung des Angebots radikal zusammenbrach.
Madonna und Co.
Zur Verdeutlichung bietet sich das Beispiel der Karte „K643 01.92“ an. Als attraktives Werbegeschenk für Neuabonnenten bot das Lifestyle Magazin „max“ eine Telefonkarte an, die auf der einen Seite ein freizügiges Foto der Sängerin Madonna zeigte, auf der anderen lediglich den Schriftzug „max“ und die Wertangabe. Die clevere Marketing-Idee ging auf, innerhalb kurzer Zeit war die Auflage von 3000 Stück vergriffen. Der Sammlerwert wurde im „TKJ Telefonkarten Katalog“ von 1993/94 im Neuzustand bereits mit 400 DM notiert, selbst die gebrauchte bzw. abtelefonierte Karte brachte es noch auf stolze 200 DM.
Die Kombination eines sich über das Werbegeschenk selbst bezahlenden Magazin-Abonnements mit zusätzlichem Spekulationsgewinn zum Kundenfang anzuwenden, wurde von anderen Unternehmen aufgegriffen. Solange die Sammlerschaft wuchs und die Jagd nach seltenen Exemplaren fast schon einem legendären Goldrausch nahe kam, konnte das System funktionieren. Spätestens jedoch als fast täglich neue Emissionen auf den Markt kamen, begann das Gebäude zu wanken – kein Sammler war mehr in der Lage, komplette Sammlungen aufzubauen, der finanzielle Aufwand wäre ins Unermessliche gestiegen.
Zwischen Katalogwert und Realität klaffen Welten
Auf dem Höhepunkt des Booms erschienen diverse Telefonkarten-Fachmagazine, die über die aktuellen Entwicklungen berichteten und mit spekulativen Berichten für reichlich heiße Luft sorgten. Gut gemachte Kataloge mit Abbildungen aller Karten mit Angaben zu Auflagenhöhen, Herstellerfirma, Chipart und vielem mehr ließen nicht lange auf sich warten. Analog zu den Bewertungen in Briefmarkenkatalogen wurden auch hier Preisnotierungen fixiert, die manchen unbedarften Sammler glauben ließen, seine gehorteten Schätze würden einen großen finanziellen Wert darstellen. Dass eine Wertangabe von beispielsweise 20 Euro für eine Telefonkarte mit einer Auflage von 80.000 Exemplaren lediglich dem professionellen Verkäufer dienlich war, musste so mancher Neueinsteiger teuer bezahlen. Realistisch erzielt werden können beim Privatverkauf von Einzelstücken maximal 10 Prozent des Katalogwerts. Zurück zur „max Madonna“: Diese Karte ist heute bei Auktionshäusern für einen einstelligen Eurobetrag zu ersteigern.