Bube, Ritter, Königin und König bilden die klassischen Hofkarten. Wie werden sie gedeutet?
Das kleine Arkanum des Tarot weist vier Symbolgruppen zu je vierzehn Karten auf:
- Schwerter für Luft (Geist),
- Stäbe für Feuer (Dynamik),
- Kelche für Wasser (Gefühl),
- Münzen für Erde (Materie).
Die letzten vier Karten einer jeden Gruppe bilden die Hofkarten, die im Allgemeinen ausschließlich einzelne Figuren abbilden. Die klassische Abfolge besteht aus Bube (auch: Page), Ritter, Königin und König.
Werden nun diese Figuren auch als Personen gedeutet? Ist der Bezug zum Adel, zum Höfischen mit zu berücksichtigen? Inwiefern spielt die Abstufung der höfischen Ränge eine Rolle? Oder handelt es sich um Allegorien, die Entwicklungsstufen und -wege anzeigen?
Hofkarten als Personen
Eine gängige Deutungsvariante ist die alleinige Deutung in Form real existierender Menschen, mögen diese der Vergangenheit oder der Gegenwart entstammen oder auch erst in der Zukunft in das Leben des Ratsuchenden treten. Hier korrespondiert das symbolisch dargestellte Kartenelement mit dem Naturell eines real existierenden Menschen.
Zudem werden auch bildhafte äußere Entsprechungen zur Klärung der jeweiligen Person herangezogen. So kann der Bube der Münzen (Symbol für das Element Erde) einen jungen, standfesten Mensch mit dunklen Haaren und dunklen Augen darstellen.
Hofkarten nach Hajo Banzhaf
Eine differenziertere Deutungsweise bietet Hajo Banzhaf (1949-2009) an. Ausschließlich Könige und Königinnen werden hier als reale Personen gedeutet. Die Königin gilt als weibliches Prinzip passiver Bereitschaft und der König als aktives, ins Außen vordringende Prinzip. Eine entsprechende Deutung muss nicht zwangsläufig geschlechtsspezifisch erfolgen: Beide Prinzipien können sowohl Männer als auch Frauen betreffen.
Ritter dienen als Indikatoren für die an der hinterfragten Situation beteiligten Atmosphäre. Auch Stimmungslagen – die letztlich wesentlich zur entsprechenden Atmosphäre beitragen – können angezeigt sein. Eine liebevolle, harmonische Umgebung drückt zum Beispiel der Ritter der Kelche aus.
Buben bedeuten Chancen, die dem Ratsuchenden ohne sein bewusstes Zutun begegnen. Das jeweilige Kartenelement zeigt die Art der Chance an. In diesem Sinne kann der Bube der Stäbe, also der Bube des Feuers (Dynamik) anzeigen, dass ein im Aufbau befindliches Projekt tatkräftige Unterstützung erhält.
Hofkarten als Adelsränge
Generell ist es natürlich auch möglich, die Hofkarten im Rahmen adeliger Hierarchie zu deuten und die Abstufung der Ränge als Unterscheidungsmerkmale zu wählen. Dabei sollte aber berücksichtigt werden, dass diese Abstufung beim „Thron-Paar“ (König und Königin) aufgehoben ist. Während Bube und Ritter einen deutlichen Unterschied zum jeweils nachfolgenden Hofstatus aufweisen, sind König und Königin hier symbolisch gleichgestellt und verfügen über denselben höfischen Rang. Am Deuter ist es dann, innerhalb des Deutungsrahmens die Ausprägung und Ausübung dieses Ranges zu unterscheiden.
Häufig finden sich höfische Entsprechungen in Einstellung und Verhalten. So kann ein stolzer, edler Mensch, der sich stets ritterlich zeigt und seine Überzeugung von Tugend und Ehre in seinem ganz gewöhnlichen Alltag lebt, beim Tarot als Ritter dargestellt sein. Das Tarot beleuchtet in diesem Fall zwar einen wesentlichen Verhaltensaspekt (hier: ritterlich), bezieht sich aber nicht auf die Person in ihrer Gesamtheit. In diesem Fall stünde ein Ritter für „ritterliches Gebaren“, unabhängig davon, wer dieses Gebaren ausübt: Mann oder Frau, Kind oder Greis, Bettler oder König. Der Bube lässt sich als Laufbursche, als hilfreicher Begleiter, Diener, als unterstützender Aspekt verstehen.
Hofkarten als Persönlichkeitsentwicklung
Eine Deutungsart mit psychologisch-spiritueller Ausrichtung in Hinblick auf das eigene geistig-seelische Wachstum liegt in der Interpretation der Positionen und Rangunterschiede der Hofkarten als Entwicklungsabschnitte. In welchen Bereichen sich die einzelnen Phasen abspielen, zeigt das jeweilige dem Symbol zugeordnete Element. In dieser Hinsicht können die Hofkarten wie folgt verstanden werden:
Der Bube zeigt die ihm innewohnende, noch unverwirklichte Anlage. Er zeigt das Naturell, das erst noch zu einem persönlichen Charakter geformt werden will. Der Ritter ist mal „auf dem Weg“, mal auf Abwegen, hat aber schon eine größere Strecke seiner Entwicklung hinter sich. Wesen und Wille haben Form angenommen, sind aber noch nicht gefestigt.
Die Königin stellt das gänzlich entfaltete weibliche Prinzip dar. Dazu gehören eine hohe Wahrnehmungsfähigkeit und ausgeprägtes Einfühlungsvermögen. Die Königin regiert über die seelischen Welten. Sie steht für die innere Entwicklung. Ist diese Karte nicht durch andere Aspekte oder Karten geschwächt, so bildet das königlich-weibliche Prinzip eine ausgezeichnete Basis für die nächste Entwicklungsstufe: mit den Möglichkeiten und Fähigkeiten des Inneren die Welt im Außen tatkräftig zu verändern.
Dies ist dargestellt durch den König, der das gänzlich entfaltete männliche Prinzip darstellt. Dazu gehören eine hohe Gestaltungsfähigkeit und ausgeprägtes rationales Erkenntnisvermögen. Der König regiert über die physischen Welten. Er steht für die äußere Entwicklung.
Zu beachten ist auch bei dieser Art der Deutung, dass Könige und Königinnen hier weder Mann noch Frau, sondern königlich-weibliches wie königlich-männliches Prinzip darstellen. Eine Königskarte kann also durchaus die hohe äußere Gestaltungskraft einer Frau anzeigen und eine Königin das ausgeprägte Einfühlungsvermögen eines Mannes.
Generell existieren zahlreiche Deutungsvarianten. So sind zum Beispiel Zuordnungen auf der Basis einer esoterischen oder philosophischen Lehre möglich. Es sollte aber – nach einer ersten Experimentierphase – nicht mehr zwischen den einzelnen Systemen gewechselt werden. Unabhängig von der Wahl des Systems führt auch hier eine klare, gleichbleibende Vorgehensweise in Verbindung mit einer reflektierten Intuition zu den genaueren Ergebnissen.