Tagträume müssen uns beruflich nicht schaden, sondern können sogar unterstützen: Sie steigern die Motivation und reduzieren den Stress.
Bei Kindern ist das Phänomen noch sehr häufig zu beobachten: Sie schauen entspannt vor sich hin und scheinen mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein. Vielleicht träumen sie mit offenen Augen von Elfen, spannenden Abenteuern oder Dingen, die sie sich wünschen. Was bei Kindern noch normal scheint, ist für Erwachsene hinderlich. Tagträume haben im Erwachsenenleben und vor allem im Beruf nichts zu suchen. Und das, obwohl sie doch ein Gewinn für den Job sein können.
Fast die Hälfe des Tages verbringen wir mit Tagträumen
Die Psychologen Daniel T. Gilbert und Matthew Killingsworth stellten im Jahre 2010 fest, dass der Mensch 46 Prozent seiner Wachzeit in eine Fantasiewelt abtaucht. Mit Hilfe einer iPhone-Applikation und Kameras sammelten sie 250.000 Datensätze, die zeigten, dass in fast der Hälfte der Fälle die Probanden nicht bei der Sache waren, sondern sich gedanklich mit etwas ganz anderem beschäftigten. So lasen sie Texte nicht genau, sondern ließen oft nur den Blick darüber wandern. Im Berufsleben kann das natürlich negative Folgen haben, da möglicherweise wichtige Informationen nicht verarbeitet werden. Ist das geistige Abschweifen in Tagträume somit berufsschädigend? So einfach kann man das nicht sagen.
Tagträume minimieren den Stress
Fluglotsen und ähnliche Berufe können es sich natürlich nicht leisten, ihre Gedanken einfach mal abschweifen zu lassen. Von ihrer Konzentration hängen schließlich Menschenleben ab. Doch in der Mehrzahl der Berufe haben Tagträume keine solch gefährlichen Wirkungen. Im Gegenteil. Es zeigt sich, dass die Fantasiereisen dem Geist helfen, eine kurze Auszeit zu nehmen. Der Mensch ist nicht nur auf seinen nächtlichen Schlaf angewiesen, sondern braucht auch während des Tages kurze Erholungsphasen, für sie sich ein langer Schlafzyklus nicht wirklich lohnt. Die Alternative ist hier neben dem Power-Napping der Tagtraum. In Tagträumen verreisen die Menschen meist in Welten, die ihnen ein positives Gefühl vermitteln: Karibische Strände, duftende Blumenwiesen oder auch die Möglichkeit wie ein Vogel zu fliegen. Im Gegensatz zu den nächtlichen Träumen können wir Tagträume bezüglich ihres Inhalts kontrollieren. Nach einer kurzen Auszeit in die Fantasiewelt, sind die meisten Träumer entspannter als zuvor und können wieder motivierter an die Arbeit gehen. Durch regelmäßige kurze Tagträume kann somit der stressige Arbeitsalltag als weniger belastend empfunden werden. Somit wird auch die Daueranspannung minimiert.
Tagträume motivieren den Menschen
In unseren Fantasien schaffen wir meist ein positiveres Bild von uns als in der Realität. Das Individuum ist der Hauptdarsteller des Traums und beschäftigt sich darin mit seinen eigenen Wünschen, die bisher noch unerfüllt blieben. Man träumt von Dingen, die man gern hätte, aber noch nicht erreicht hat. Dies kann sich auf Urlaubsreisen ebenso beziehen wie auf die berufliche Situation.
Da der Mensch dazu neigt, seinem inneren Selbstbild gerecht werden zu wollen, steigt mit dem Tagtraum auch die Motivation, diesen Wunsch endlich zu erfüllen. Und dies ist auch auf Umwegen möglich. Träumt jemand von einer Karibikreise, wird er zum Beispiel eine passende gut bezahlte Arbeitsstelle anstreben, um sich diesen Traum zu erfüllen. Und natürlich möchte er diesen Job dann auch behalten, um sich durch die finanzielle Absicherung weitere geldabhängige Träume erfüllen zu können. Dafür muss er gute Arbeit leisten. So gesehen haben also auch arbeitsfremde Tagträume einen positiven Einfluss auf die Arbeitsmotivation.
Das Prinzip funktioniert aber nicht bei jedem Menschen. Auf weniger motivierte Menschen wirken Erfolgsträume eher noch demotivierender. Für sie ist ein Erfolg, den sie schon im Traum erreichten, nicht mehr erstrebenswert.
Tagträume im Beruf
Die wenigsten Menschen können sich bewusst und ständig dagegen wehren, dass ihre Gedanken einmal abschweifen. Jeder Geist braucht einmal eine Auszeit. In Berufen, in denen dies logischerweise verboten ist, etwa bei Piloten, hat die ununterbrochene erzwungene Aufmerksamkeit auf längere Sicht negative Folgen. Da der aktuelle Stress nicht kurzfristig abgebaut werden kann, staut er sich immer weiter auf. Krankheiten können die Folge sein. Schon aus diesem Grund sollte den Arbeitgebern daran gelegen sein, dass sich ihre Mitarbeiter ab und an mal in ihre Traumwelt verabschieden. Auf lange Sicht bleiben sie dadurch nämlich gesünder und belastbarer und sparen der Firma Geld.
In der Praxis lässt sich dies bewerkstelligen, indem kurze Sequenzen des Arbeitstages für geistige Erholungen reserviert werden. Man kann sich einen Kaffee holen und einige Minuten entspannt aus dem Fenster schauen. Dagegen sollte auch kein Unternehmen etwas einzuwenden haben, solange dies nicht alle zehn Minuten geschieht. Schulen haben das teilweise schon umgesetzt, indem sie Tagträume aktiv in den Unterricht einbauen. So werden Kinder gebeten, sich ganz genau vorzustellen, wie Rotkäppchens Zuhause vielleicht ausgesehen haben könnte. Die Verknüpfung zwischen Tagtraum und Lernstoff führt ihre zu einem besseren Lernerfolg.