Neue Wege zur Fusion von Atomkernen werden erprobt. Superschwere Elemente werden erzeugt und untersucht. Forscher der TU München berichteten über neue Wege zur Fusion von Atomkernen.
Die Kernphysik sucht nach neuen Elementen. Superschwere Atome mit über 100 Protonen im Kern werden erzeugt. Diese Kerne sind durch die abstoßende Kraft der Protonen nicht sehr stabil und zerfallen meist in wenigen Millisekunden.
Doch die theoretischen Vorstellungen vom Atomkern führen zu der Erwartung, dass einige der superschweren Atome stabiler sind. Vielleicht sogar so stabil, dass neue Werkstoffe gefunden werden. Denn nach den Modellen des Atomkerns ordnen sich Neutronen und Protonen nicht beliebig im Kern an. Ähnlich wie für die Elektronen in der Atomhülle gibt es auch im Atomkern eine Schalenstruktur. Wenn Schalen vollständig mit Protonen oder Neutronen besetzt sind, dann kann solch ein „magischer“ Atomkern besonders stabil sein. Es wird intensiv nach immer schwereren Kernen gesucht, um in einen magischen Bereich zu gelangen.
Erzeugung superschwerer Elemente
Drei Institutionen auf der Welt verfügen über die Hexenküchen zur Erzeugung und zum Nachweis superschwerer Elemente. Dies sind:
- Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien
- Institut für kernphysikalische Forschung in Dubna bei Moskau
- Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt
Die Wissenschaftler am GSI erzeugten in den letzten Jahren sechs neue Atome. Darunter war das Element 112, das bis vor Kurzem den Rekord als schwerster Beitrag zum Periodensystem hielt.
Im Jahr 2005 war eine Schweizer Forschungsgruppe maßgebend an der Entdeckung der beiden superschweren Elemente mit den Ordnungszahlen 115 und 113 im russischen Kernforschungszentrum Dubna beteiligt. Das Paul Scherrer Institut (PSI) lieferte einen eleganten radiochemischen Nachweis für die dortigen Untersuchungen anhand von Zerfallsketten. Und 2006 wurde in Dubna das Element 118 mit dem vorläufigen Namen Ununoctium erzeugt.
In einem Beschleuniger werden relativ leichte Atomkerne auf eine dünne und meistens aus Blei bestehende Folie geschossen. Fast alle Geschosse passieren diese Folie. Nur vereinzelt stoßen die leichten Kerne direkt mit einem Bleikern zusammen. Nur dann können sich beide Kerne zu einem größeren Kern verbinden. Mit Glück entsteht ein neues Element. Eine solche Fusion von Atomkernen klappt nur in einem engen Geschwindigkeitsfenster der anfliegenden Teilchen. Sind sie zu langsam, dann kommen sie nicht dicht genug an die Bleikerne heran. Mit zu hohem Tempo platzt der Kernverbund sofort auseinander.
Ein anderer Weg schießt etwa gleich schwere Kerne aufeinander. Das hat den Vorteil, dass die Fusionskerne nicht so „heiß“ sind. Sie geben nach der Fusion weniger Neutronen ab und versprechen höhere Stabilität.
Die Ausbeute an neuen Atomen ist ausgesprochen gering. Nach einer Woche intensiven Beschusses der Bleifolie entsteht vielleicht gerade einer der gesuchten Kerne. Und der zerfällt meist in Bruchteilen einer Sekunde in leichtere Teilchen. Diese Zerfallsprodukte werden mit Detektoren registriert. Die Kaskade der Teilchen erlaubt dann einen Schluss auf das gebildete Teilchen.
Neue Wege aus München
Radiochemiker der Technischen Universität München haben bei Experimenten am Schwerionen-Beschleuniger in Darmstadt auf einem neuen Weg relativ kalte schwere Kerne erzeugt. Sie wählten das relativ leichte Magnesium (26Mg) zum Projektil. Mit einer sehr niedrigen Strahlenergie gingen sie daran, relativ kalte Verbundkerne zu erzeugen. Nach gängiger Theorie reicht diese niedrige Energie nicht aus, um eine Fusion der Kerne zu erreichen.
Es konnte nun gezeigt werden, dass die Atomkerne nicht so rund sind wie in erster Näherung angenommen wird. Sie sind im Gegenteil im Vergleich zur Kugel deutlich deformiert. Die Stärke der Abstoßung hängt daher sehr stark von der Orientierung der kollidierenden Kerne ab.
Mit ihrer eigenen kernchemischen Separationsmethode konnten die Wissenschaftler von der Technischen Universität München belegen, dass superschwere Kerne bei Bestrahlungsenergien unterhalb der klassischen Fusionsbarriere gebildet werden können. So erreichten sie durch das Bestrahlen von Curium (248Cm) mit Magnesium-Kernen (26Mg) die Bildung des Hassium-Isotops 271Hs. Die gemessene Wahrscheinlichkeit zur Bildung dieses Isotops war überraschend hoch. Sie sei vergleichbar zu derjenigen von 270Hs und 269Hs, welche bei höheren Strahlenergien produziert werden.
Das Münchener Team um Professor Andreas Türler will den gefunden Reaktionsweg mit weiteren Kombinationen von Atomen testen. Das Ziel ist die Synthese der ganz schweren Elemente jenseits von Hassium.