Oft finden wir im hektischen Alltag weder Zeit noch einen ruhigen Platz, um längere Entspannungsübungen durchzuführen. Ein kurzes bewusstes Atemholen geht jedoch immer.
Kann man Spannungen einfach „wegatmen“? Ist vielleicht doch etwas dran an dem guten alten Rat, erst einmal Luft zu holen, bevor man sich aufregt oder ärgert? Wer von uns erinnert sich nicht an einen Urlaub in den Bergen oder am Meer oder einen Waldspaziergang, wo tiefes Durchatmen wie Balsam auf die Seele wirkte und alle Anspannung wie durch Zauberhand von einem abfiel. Diese positive Wirkung erfolgt leider im hektischen Alltag nicht immer derart schlagartig. Doch jeder kann durch bewusstes Atmen sehr viel tun, um den unvermeidbaren Stress zu bewältigen und Spannungen rechtzeitig abzubauen. Denn die Atmung ist die einzige unserer Vitalfunktionen, auf die wir bewusst Einfluss nehmen können.
Einfache Atemübungen
Generell soll die Ausatmung länger sein, als das Einatmen und vor dem nächsten Atemzug eine kurze Atempause erfolgen. Oftmals wird in Gedanken mitgezählt. Dieser Atemrhythmus wirkt entspannend. Wer dagegen wach und frisch werden möchte, betont die Einatmung. Man atmet länger ein, als aus und setzt die Atempause nach dem Luftholen. Ausgeatmet wird durch den Mund, eingeatmet jedoch durch die Nase, denn deren Flimmerhärchen reinigen die Luft und wärmen sie an.
Bauchatmung mit sanfter Bauchmassage
Geübt wird im Liegen. Die Handflächen ruhen leicht auf dem Bauch, ohne Druck auszuüben. Beim tiefen Einatmen wölbt sich der Bauch, die Fingerspitzen werden leicht angehoben, um Platz für die einströmende Luft zu machen. Beim Ausatmen den Bauch so langsam wie möglich einziehen. Dabei mit den Fingerspitzen ganz sanft über die Körpermitte zur Seite streichen, als wollte man die verbrauchte Luft ausstreifen. Vorm nächsten Einatmen gönnt man sich eine kurze Atempause. Am besten über sieben Atemzyklen hinweg auf diese Weise den Bauch massieren. Zur Vertiefung der Entspannung stellt man sich vor, wie der Atem durch den Körper strömt, dabei jede Zelle mit Sauerstoff versorgt und beim Ausatmen mit der verbrauchten Luft auch alle Anspannung restlos aus dem Körper verschwindet.
Balance halten
In der Ausgangsposition stehen wir mit beiden Füßen fest auf dem Boden, die Beine etwa hüftbreit auseinander:
- Mit dem Einatmen auf die Zehenspitzen stellen und gleichzeitig die Arme über dem Kopf zusammenbringen. Die Fingerspitzen berühren sich wie zum Gebet. Mit dem Ausatmen Arme und Füße absenken (Rückkehr zur Ausgangsposition). Diese Übung wird dreimal hintereinander durchgeführt.
- Bei der nächsten Übungsserie kehren wir erst beim zweiten Ausatmen in die Grundposition zurück, das bedeutet die Balance über zwei Atemzüge hinweg zu halten. Diese Übung macht man zweimal hintereinander.
- Die dritte Übung wird nur einmal durchgeführt, die Balance jedoch drei Atemzüge lang gehalten.
Atemübungen sind am wirksamsten, wenn sie im Freien oder am offenen Fenster durchgeführt werden. Mit der Zeit wird auch der Gleichgewichtssinn durch diese Übungen gestärkt. Beginnt man zu „wackeln“, hilft es einen festen Punkt im Raum oder in der Ferne zu fixieren. Sollte einem schwindlig werden, die Übungen sofort beenden.
Yoga-Wechselatmung
- Zuerst durch das rechte Nasenloch einatmen, das andere dabei mit dem Zeigefinger zuhalten. Danach durch das linke ausatmen und die rechte Seite mit dem Daumen zuhalten. Die Übung dreimal durchführen.
- Nasenloch „wechseln“: rechts zuhalten und links einatmen. Anschließend rechts ausatmen, links zuhalten und das Ganze wie oben beschrieben dreimal.
- Zum Abschluss durch beide Nasenlöcher ein- und ausatmen – ebenfalls dreimal
Die fernöstliche Medizin geht davon aus, dass in bestimmtem Rhythmus jeweils ein Nasenloch dominiert. Damit verbunden ist die Dominanz der gegengleichen Gehirnhälfte, das heißt linkes Nasenloch/rechte Hemisphäre und umgekehrt. Der Wechsel erfolgt zehn- bis zwölfmal innerhalb von vierundzwanzig Stunden. Diesen Zusammenhang können wir nutzen und mit dem Atem auch den Energiestrom im Körper lenken. Abwechselnd ein Nasenloch zuhalten und durch das andere einatmen stärkt das Gleichgewicht zwischen Jin und Yang und hilft ganz praktisch, Erkältungen zu vermeiden oder deren Symptome wie eine verstopfte Nase zu lindern.
Der Psychologe und Bioenergetiker John Selby entwickelte eine Reihe von Übungen zur Atemerweiterung, die man zum Beispiel in seinem Buch „Atmen und leben“ nachlesen kann. Dort findet sich auch eine Variante der oben vorgestellten klassischen Wechselatmung.