Wer Steno beherrscht, ist klar im Vorteil. Diktiergeräte und das Selbertippen am PC lösten das Stenografieren ab. Wer es noch kann, wird bewundert.
„Sie können noch Steno? Das finde ich aber toll.“ Diesen Satz bekommen Menschen, die Interessantes als Stenogramm notieren, immer wieder zu hören. Und mit einem leichten Seufzer folgt dann oft: „Ich konnte das auch mal. Aber ich habe es verlernt.“ Jammerschade, denn die geniale Kurzschrift, die oft genug zur Geheimschrift wird, weil eben die meisten Menschen sie nicht (mehr) lesen können, ist äußerst nützlich. Es lohnt sich auch noch in fortgeschrittenem Lebensalter, diese Form des Schreibens wie eine neue Fremdsprache zu lernen. Bekanntlich freut sich das Gehirn, wenn es frisches Futter bekommt.
Im Stenografenverein lernte man Kurzschrift, Eilschrift, Redeschrift und Shorthand
In den 1970er Jahren und 1980er Jahren lernten noch viele junge Leute im Stenografenverein oder anderswo Kurzschrift und Maschinenschreiben. Für Stenotypistinnen und Sekretärinnen galt schnelles Stenografieren und natürlich das einwandfreie Übertragen in die Schreibmaschine als unabdingbare Grundvoraussetzung für gute Arbeit. „Fräulein, bitte schreiben Sie.“ Diesen Satz gab es nicht nur im Film.
Ob Einkaufszettel oder Mitschrift im Studium und im Schulunterricht, ob für schnelle Tagebuchnotizen oder im Job – die deutsche Einheitskurzschrift ist eine ausgesprochen praktische Angelegenheit. Wer deren Weiterentwicklung, die Eilschrift, beherrscht, ist um so mehr im Vorteil. Noch schneller notiert man in Redeschrift. Die heißt so, weil geübte Stenografen so schnell mitschreiben können, wie Redner reden. Mehr als 240 Silben in der Minute sind damit zu schaffen. Wichtig ist allerdings das sorgfältige Stenografieren. Das funktioniert besonders gut mit weichen Bleistiften oder mit einem speziellen Füllfederhalter, der Druck erlaubt.
Zu groß sind die Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Zeichen. Wer darauf nicht achtet, wird beim Wiederlesen Probleme bekommen. Sekretärinnen, die etwas besser sein wollten als andere, lernten gleich noch „shorthand“ dazu, die englische Kurzschrift, die natürlich ihre eigenen Kürzel besitzt.
Die Logik der Stenografie am Beispiel des Buchstaben „b“
Es sieht beeindruckend aus, aber eigentlich ist alles ganz einfach – wenn man sich erst einmal dran gegeben hat. Ein Beispiel: Das B sieht im Stenogramm aus wie ein umgedrehter Spazierstock. Wird dieser Spazierstock doppelt so lang geschrieben, haben wir schon ein „br“. Steht dieses „br“ etwas höher, bedeutet es „Brief“. Nun haben wir es mit einem so genannten Kürzel zu tun. Das sind einzelne Zeichen, die die ohnehin kurze Kurzschrift praktischerweise noch weiter verkürzen und damit schneller machen. Steht das „br“ etwas tiefer und wird zudem mit Druck verstärkt, heißt das gleiche Zeichen nun „Brauch“ oder „brauchen“. Die Endsilbe „en“, die in der normaler Kurzschrift noch notiert wird, fällt in der Eilschrift weg. Ob nun Verb oder Nomen gemeint sind, ergibt sich bei der Wiedergabe des Stenogramms durch den Kontext.
Wie funktioniert die Redeschrift, mit der Stenografen im Parlament nichts entgeht
Noch spannender wird es in der Redeschrift, die vor allem die Stenografen im Parlament beherrschen müssen. Da werden gern mehrere Gesetze der Kurzschrift oder mehrere Kürzel miteinander verbunden. Um das zu verstehen, muss man wissen, wie Vokale dargestellt werden. Sie zeigen sich als Verbindungen der Konsonanten. Ein kurzer Verbindungsstrich kennzeichnet das „e“, ein langer das „o“. Wird der nächste Mitlaut nach einer kurzen Verbindung hochgestellt, haben wir das „i“, eine Tiefstellung ergibt ein „u“. Das „a“ erfordert etwas Druck. Wird der folgende Konsonant nach einer kurzen Verbindung verstärkt, weiß man: Aha, ein „a“.
Das lässt sich weiterverwenden. Beispiel „i“: Um so schnell wie möglich das Wort „Zeitschrift“ zu notieren, schreibt man das Kürzel für „Zeit“. Das ist ein langgezogener Schrägstrich. Setzt man darüber einen Punkt, weiß der Stenograf: „Aha, der Punkt kennzeichnet die Hochstellung, ist also ein „i“. Ich lese Zeit-i. Na, das kann ja nur Zeitschrift bedeuten.“ So einfach ist das. Geradezu entzückt sind Menschen, die der Kurzschrift nicht kundig sind, wenn man ihnen das Redeschrift-Kürzel für die parlamentarische Floskel „Herr Präsident, meine Damen und Herren“ auf ein Stück Papier kritzelt. Da werden ohne abzusetzen verbunden: das „h“ als Kürzel für Herr, das „pr“ als Kürzel für Präsident. Ein Aufstrich steht für das „ei“. Danach folgt ein weiteres „h“ für „Herren“, das aber verstärkt wird. Damit haben wir das „a“ gleich noch mit untergebracht und im gegebenen Kontext kann das natürlich nur „Damen“ bedeuten.
Journalisten, Schriftsteller, Schüler, Studenten, Hausfrauen – Steno kann jeder gebrauchen
Alles klar? Kurzschrift wirkt für Nichteingeweihte wie böhmische Dörfer, ist aber vollkommen logisch. Etwas Übung und die Lust, immer wieder etwas Neues zu lernen vorausgesetzt , sorgt das Beherrschen der Stenografie nicht nur für nettte Gespräche. „Wie, Sie können noch Steno …?“ Man bekommt einfach viel mehr mit. Das ist nicht nur für Journalisten und Schriftsteller, für Schüler und Studenten nützlich. Sie können zum Beispiel bei einem klassischen Konzert oder einem Langstreckenflug Ihre Eindrücke festhalten, ohne die Nachbarn mit einem Diktat in Ihr Handy zu stören. Sie können es auch noch heute lernen, mit „STENO heute“ zum Beispiel.
Steno kann viel Spaß machen, nicht nur weil es praktisch ist. Ganz nebenbei hebt es das Selbstbewusstsein, etwas zu können, was wie eine exotische Kunst bewundert wird. Sie mögen es, andere Menschen zu verblüffen? Dann lernen Sie Steno – kurzerhand.
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Wer Stenografie beherrscht ist klar im Vorteil. Ich werde immer wieder von der jüngeren Generation beneidet. (Meine Kinder und Enkel)
Ich war in der Handelsschule (heutige Wirtschaftsschule). Anschließende Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin. Mein Chef ist damals im Büro hin- und hergelaufen um ellenlange Schriftsätze zu diktieren. (Traumhaft)!!!
Gute alte Zeit wo bist du)!