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Sprache und Denken: Wie ist der Zusammenhang?

Linguisten liefern sich eine hitzige Diskussion darüber, inwiefern die Sprache unser Denken beeinflusst. Beeinflusst es unser Denken, wenn wir verschiedene Sprachen sprechen? Lernen wir, anders zu denken, wenn wir auswandern?

Yucatec Maya und Englisch: Sprachliche Unterschiede

Unzählige Experimente versuchen, einen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken zu beweisen. Beispielsweise untersuchte der Linguist John Lucy sprachliche Unterschiede zwischen Yucatec Maya und Englischsprachlern. Wenn beide Probanden eine Anzahl Dinge kategorisieren sollten, beriefen sich Englischsprachler auf die Form und auf die Anzahl, Yucatec Maya teilten nach dem Material, nicht nach der Anzahl ein. Als Erklärung meinte Lucy dann, dass es im Yucatec keine Anzahl für Singular und Plural gibt, im Englischen schon. Dies erklärt die Kategorisierung nach Anzahl. Andererseits wird in der englischen Sprache mehr Wert gelegt auf Form, im Yucatec Maya mehr auf das Material. Sprachliche Unterschiede werden also festgestellt und Studien beobachten dann, ob diese sprachlichen Unterschiede einen Einfluss auf das Denken haben.

Aboriginie-Indianer und die räumliche Orientierung

Andere Studien beginnen in der Beobachtung einer unterschiedlichen Realität und suchen dann nach sprachlichen Unterschieden. Beispielsweise realisierte Lucy, dass gewisse Aboriginie-Kulturen in Australien keine Wörter für links oder rechts haben, sondern die Richtung absolut zu den Himmelsrichtungen angeben. In Experimenten untersuchte er, ob solche Menschen als Folge davon auch einen besseren Orientierungssinn haben. Tatsächlich konnten sich Sprecher einer solchen sogenannten absoluten Sprache besser orientieren als beispielsweise englischsprechende Vergleichspersonen, wenn beide in einer fremden Umgebung waren. Es wäre natürlich falsch, einem solchen Experiment zu viel Bedeutung beizumessen. Es zeigt nicht mehr – aber auch nicht weniger –, als dass unsere Sprache uns trainiert, auf gewisse Dinge mehr oder weniger zu achten.

Grammatikalisches Geschlecht: denken wir bei „die Sonne“ an das gleiche wie bei „le soleil“?

Einige Studien betreffen auch das gramatikalische Geschlecht. Das Deutsche kennt das grammatikalische Geschlecht: der Löffel, die Gabel, das Messer. Beim Englischen hätten diese Dinge alle das gleiche Geschlecht: the spoon, the fork, the knife. Haben deutschsprachige und englischsprachige Menschen nun unterschiedliche Assoziationen zu Messer, Gabel und Löffel? Vor allem interessant wird dieser Aspekt, wenn es Gegensätze gibt, beispielsweise heißt es „die Sonne“ im Deutschen, aber „le soleil“ im Französischen, also die männliche Form. Die Linguistin Lara Boroditsky findet das grammatische Geschlecht besonders interessant, weil es semantisch willkürlich ist – es gibt keinen zwingenden Grund, weshalb „die Gabel“ weiblich ist. Genauso gut könnte es „der Gabel“ heißen. Dies ist lediglich durch unsere sprachliche Übereinkunft im Deutschen so definiert. Doch durch die alltägliche Repetition könnten männliche bzw. weibliche Qualitäten mehr hervorstechen.

Sprachliche Unterschiede zwischen Spanisch und Deutsch

Nun machte Boroditsky Experimente in Englisch, mit Spanisch- und Deutschsprachigen Probanden. Die Resultate stimmten mit der Hypothese überein. Beispielsweise mussten sich die Testpersonen Personennamen für Objekte merken. Sie sahen zum Beispiel einen Löffel und mussten sich dazu den Namen Lara merken. In den Resultaten kam heraus, dass sich Probanden Personennamen für Objekte leichter merkten, wenn das Geschlecht mit ihrer Muttersprache übereinstimmte. Das heißt, dass Spanischsprechende sich bei einem Bild einer Brücke (el ponte, gramamtikalisch männlich) leichter merkten, wenn sie sich dazu „Marco“ merken mussten, als wenn die Brücke mit „Sonja“ betitelt war. Bei den Deutschsprachigen war es umgekehrt, da „die Brücke“ grammatikalisch weiblich ist.

Sprache beeinflusst, wie wir denken

Das Fazit dieser Studien ist also, dass grammatikalische Unterschiede das Gedächtnis, die Beschreibungen von Objekten und die Beurteilung von Ähnlichkeiten zwischen Bildern beeinflussen, auch wenn Experimente in Englisch waren und auch bei nicht-sprachlichen Aufgaben (Bildern). Das Denken beinhaltet also eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen sprachlichen und nicht-sprachlichen Repräsentationen und Prozessen. All die genannten Studien sprechen für einen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken. Allerdings ist die Frage eigentlich nochmals viel komplexer, denn wie wird Denken überhaupt definiert? Ist es nur die sprachliche Form des Denkens, sind es Kategorisierungen, ist es von der vagen Ahnung, bevor wir überhaupt genau wissen, wie wir dies formulieren können? Dies müssten wir zuerst definieren, um wirklich von einem Zusammenhang zwischen Sprache und Denken wirklich feststellen zu können.