Spermien müssen für die Befruchtung zuerst zur Eizelle gelangen. Sie orientieren sich mittels Riechrezeptor und folgen dem Maiglöckchenduft ihres Ziels.
In Bochum wurden von Prof. Hanns Hatt und seinem Team einige menschliche Riechrezeptoren beliebig ausgewählt und analysiert. Einer davon, der Maiglöckchenduft detektieren kann, wurde im menschlichen Hodengewebe gefunden. Auf der Suche nach einer Erklärung für diese seltsam anmutende Tatsache stellte Prof. Hatt fest, dass dieser Rezeptor sich ebenfalls in den Spermien befindet.
Die zielgerichtete Bewegung der Spermien
Die Düfte selbst gehen von der Follikelflüssigkeit rund um die Eizelle aus. In Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass die Rezeptoren der Spermien diese Flüssigkeit stimuliert werden und sie mit zielgerichteter Bewegung reagieren.Prof. Hatt vergleicht ein Spermium mit einer Riechzelle mit langem Schwanz. Bei Wahrnehmung der Locksubstanz schwimmt es geradewegs auf das Ziel zu und verdoppelt dabei seine Geschwindigkeit. Hierbei sorgt das Andocken des Duftmoleküls an den Rezeptor für eine Erhöhung der Kalziumkonzentration im Spermium, wodurch die Schlagkraft des Schwanzes erhöht wird.
Dieses „Richtungsschwimmen“ ist notwendig, da ein Spermium einen vergleichsweise weiten und gefährlichen Weg antreten muss. Von geschätzten 200 bis 300 Millionen tauben und blinden Spermien erreichen nur etwa 200 bis 300 an ihr Ziel. Prof. Hatt stellt den Vergleich mit einer Erbse in einem 30 Kilometer langen verwinkelten vierspurigen Autobahntunnel an. Dies entspricht ungefähr dem Größenverhältnis einer Samenzelle zu seinem Weg zur Eizelle. Bei all den Hindernissen glauben Forscher nicht, dass ein zufälliges Aufeinandertreffen von Spermium und Ei möglich wäre: ein chemischer Botenstoff und ein entsprechender Rezeptor am Spermium müssen beteiligt sein.
Die Wegweiser zur Eizelle
Es scheint sich jedoch nicht nur um einen einzelnen Duft zu handeln, der den Weg weist, sondern um viele verschiedene. Nah- und Ferndüfte werden vermutet. Dies könnte so funktionieren, dass es bereits Ferndüfte im Vaginalbereich gibt, die die Spermien zum Muttermund dirigieren. Prof. Hatt geht von etwa fünf bis zehn verschiedenen Duftstoffen aus.
Die wirksamsten Substanzen in Experimenten waren Bourgeonal und Zyklamal – zwei Wirkstoffe, mit denen industriell der Duft von Maiglöckchen imitiert wird.
Bedeutung dieser Erkenntnisse für die künstliche Befruchtung und die Empfängnisverhütung
Bisher liegt die Befruchtungswahrscheinlichkeit bei künstlichen Befruchtungen trotz 100 000 Spermien, die zur Eizelle gegeben werden, bei nur etwa 50 Prozent. Die Verwendung eines Lockstoffes könnte diese Quote deutlich erhöhen.
Umgekehrt könnte man aus der Tatsache, dass Spermien im weiblichen Körper ohne diesen Lockstoff wahrscheinlich nicht zur Eizelle finden, mit Hilfe von Duftblockern eine neuartige Verhütungsmethode erschaffen. Erste Versuche mit dem Blocker Undekanal ergaben, dass dieser die Spermien für Maiglöckchenduft unsensibel macht, und sie daher langsam und ziellos herumschwammen.