Es ist noch gar nicht so lange her, da waren offensichtlich verliebte und Händchen haltende Paare im Alter von 50, 60 oder 70 Jahren im Straßenbild die absolute Ausnahme. Dies lag einerseits an der eigenen Erziehung, in der man gelernt hatte, dass Zärtlichkeit nicht in die Öffentlichkeit gehört, zum anderen ließ ein solches Verhalten aber auch vermuten, dass diese Paare noch Sex haben könnten. Für jüngere Menschen war dies undenkbar. Spätestens ab einem Alter von 50 Jahren passte Sex nicht in das Bild, was man sich von reiferen Menschen machte. Zum Glück hat sich dieses Bild heute gewandelt und die reifere Generation geht selbstbewusster mit sich und der Liebe um. Wie kommt es zu diesem Wandel und was bringt er mit sich? Was ist anders als in jüngeren Jahren? Wie werden Liebe und Sexualität empfunden?
Die Zeiten ändern sich – ein Vorteil für die Liebe
Bereits in den 1960er Jahren änderte sich mit der Antibabypille einiges im Liebesleben. Abgesehen von den damals noch recht hohen Hormondosen konnten Paare ihre Liebe endlich nahezu sicher ohne Angst vor einer unerwünschten Schwangerschaft leben. Das Modell Ehe geriet trotzdem ins Wanken. Dies wiederum lag nicht an der Pille, sondern an der immer größer werdenden Selbstständigkeit der Frauen. Durch eigene Berufstätigkeit waren sie finanziell nicht mehr von ihren Ehemännern abhängig. Ehen, die auch früher schon zum Scheitern verurteilt gewesen waren, wurden nun immer häufiger geschieden. Neue Partnerschaften wurden eingegangen und das nicht unbedingt nur einmal. Und so kam es dazu, dass Menschen, die sowieso auf Verhütung nicht mehr zu achten brauchten, die Generation 50 plus, sich immer öfter in neuen Partnerschaften wieder fanden. Das öffentliche Bild wandelte sich gleichermaßen und heute empfinden die Meisten es als normal, dass auch diese Menschen sich verlieben können.
Was ist an späteren Partnerschaften anders, besser oder schlechter?
Diese Frage ist sicher besser individuell zu beantworten. Dennoch finden sich einige Kriterien, die vielfach zutreffend sind. Beim Kennen lernen im reiferen Alter sind die Voraussetzungen anders. Die Bereiche Familienplanung und Existenzaufbau sind abgeschlossen. Damit können diese Paare sich auf ganz andere Dinge konzentrieren. Durch vorherige Beziehungen konnte man Erfahrungen sammeln, gute wie schlechte. In Partnerschaftsanzeigen werden diese vorherigen Beziehungen oftmals als Altlasten bezeichnet. Doch sind es wirklich immer Lasten? Ist es nicht vielmehr so, dass man aus einem Erfahrungsschatz schöpfen kann, den andere gar nicht haben? Allein das Wissen um das, was man nicht will und was man garantiert will bedeutet, mit mehr Selbstbewusstsein in eine neue Beziehung zu starten. Natürlich bergen die vorherigen Beziehungen auch unschöne Erfahrungen. Verletztheit und Ängste beispielsweise können eine neue Partnerschaft negativ beeinflussen. Das Vertrauen, mit dem neuen Partner nicht wieder das Gleiche erleben zu müssen, muss erst aufgebaut werden und wachsen.
Erwartungen an die neue Liebe
Wer mit zu hohen Erwartungen in eine neue Partnerschaft geht, kann unter Umständen Schiffbruch erleiden. Der neue Partner soll all die Fehler, die vorherige Partner gemacht haben, natürlich nicht machen. Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Ecken und Kanten, die jeder Mensch hat, mit zunehmendem Alter nicht weniger werden. Und ändern lässt ein Mensch sich auch nicht unbedingt. Es ist wichtig, von Beginn an über Dinge zu reden, die wichtig sind, die man mag oder gar nicht mag. Trotz anfänglich rosaroter Brille ist ein wenig Realitätsbewusstsein nicht verkehrt. Die Realität sieht bei reiferen Paaren meist so aus, dass sie endlich ihren Ruhepunkt gefunden haben möchten. Das ist nicht gleichbedeutend mit Langeweile, sondern bezieht sich auf den Wunsch, endlich angekommen sein zu wollen. Je älter Paare sind, desto größer ist der Wunsch, mit diesem einen Menschen für den Rest des Lebens zusammen zu bleiben.
Zusammen leben im Alter
Ob ältere Paare zusammen leben wollen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Je länger sie vorher allein gelebt haben, desto schwieriger kann es sein, eine Wohnung mit einem anderen Menschen zu teilen. Jeder hat seine Gewohnheiten, die aber vielleicht mit den Gewohnheiten des Partners nicht harmonieren. Da mag es durchaus besser sein, die eigene Wohnung zu behalten und einen Rückzugsort zu haben. Gemeinsam zu leben bedeutet, tolerant und kompromissbereit sein zu müssen. Ideal ist es, wenn die Möglichkeit besteht, dass in einer neuen gemeinsamen Wohnung jeder noch ein eigenes Zimmer haben kann. Dann fallen Zugeständnisse im gemeinsam genutzten Teil der Wohnung leichter. Das Zusammenleben hat aber auch Vorteile, die umso bewusster wahrgenommen werden, je älter die Menschen sind. Gegenseitige Hilfen bei Dingen, die allein nur schwer zu bewältigen sind, Unterstützung, wenn es einem Partner nicht gut geht oder auch einfach nur die Tatsache, sich nicht allein zu fühlen, gehören dazu.
Körperliche Liebe im Alter
Der Sex bekommt mit zunehmenden Jahren eine andere Qualität. Zum großen Teil mag es daran liegen, dass die Menschen sich quasi ausgetobt haben. Ein weiterer Grund liegt in einem anderen Körperbewusstsein. Jüngere Menschen beobachten ihren Körper noch sehr viel kritischer. Bei den Älteren ist die Akzeptanz sich selbst gegenüber größer. Hier ein Fältchen, da ein Pfund zuviel, das stört nicht mehr so. Erfahrungen wurden in der Regel ebenfalls genügend gemacht, so dass Experimente nicht mehr notwendig sind, um zu wissen, was man möchte oder auch nicht. An die Stelle der Experimente treten nun oft Phantasie und Zärtlichkeit. Gefördert wird dies nicht nur durch gemachte Erfahrungen, sondern auch durch den Wegfall der Angst vor einer unerwünschten Schwangerschaft, die vorher auch mit Pille und Kondom nicht gänzlich ausgeschlossen war. Man könnte von einer gewissen Ruhe in der körperlichen Liebe sprechen, was keinesfalls etwas mit Langeweile oder Tristesse zu tun hat.