Frankreich baut die sichersten Atommeiler der Welt. Kernkraftwerke erleben ein Comeback. 53 neue befinden sich im Bau, Hunderte weitere sind geplant. Frankreich spielt eine führende Rolle.
Der französische Konzern Areva, an dessen Spitze mit Anne Lauvergeon (50) eine Physikerin steht, setzt voll und ganz auf die Kernkraft. Unter der Bezeichnung EPR (Evolutionary Pressurized Reactor) werden dort die modernsten und sichersten Atommeiler der Welt produziert – sie sind mit Sicherheitsvorkehrungen „geradezu gespickt“, schreibt das angesehene US-Wirtschaftsmagazin „Business Week“. So wurde der Betonschutz um den Reaktor so dick und stabil entworfen, dass er dem direkten Aufprall eines Düsenflugzeugs etwa vom Typ Boeing 747 widerstehen kann. Eine dieser hochmodernen Anlagen wird gerade an der französischen Kanalküste errichtet, eine andere in Finnland. Dort allerdings liegt man drei Jahre hinter der ursprünglichen Planung zurück. Mit dem Stahl, der für die Sicherheit eines EPR-Mantels verbaut wird, könnte ein halber Eiffelturm errichtet werden, und die Betonmenge, die den modernen Reaktor schützt und abschirmt, ist mehr als doppelt so groß wie bei existierenden Kernkraftwerken.
Die nukleare Renaissance
Kernkraftwerke verzeichnen ein sensationelles Comeback, 53 befinden sich derzeit im Bau, Hunderte sind geplant. Zwei schwere Unfälle mit Reaktoren spielen kaum noch eine Rolle: Seit der Katastrophe von Three Mile Island 1979 war in den USA kein Kernkraftwerk gebaut worden, doch jetzt genehmigte Präsident Obama einen Kredit in Höhe von 54 Milliarden Dollar, denn er fordert von der US-Industrie die Entwicklung einer neuen Generation von Kernkraftwerken – vielleicht wäre es billiger, Frankreichs EPR zu importieren. Die Katastrophe von Tschernobyl (1986) hält Russland nicht davon ab, derzeit an neun neuen Anlagen zu bauen. Three Mile Island und Tschernobyl hatten die Atomindustrie zweifellos in eine Rezession geführt. Das geht allein aus der Tatsache hervor, dass es mit derzeit 436 weltweit arbeitenden Kernkraftwerken nur 20 mehr gibt als im Jahr 1990. Doch jetzt steht eine wahre „Nukleare Renaissance“ bevor, so nennt „Business Week“ das entsprechende Phänomen.
„Kernkraft wird ihren Platz behaupten“
Areva-Cheffin Anne Lauvergeon glaubt fest daran, dass ihr Unternehmen für die kommenden Jahre die führende Rolle beim Bau neuer Kernkraftwerke spielen wird – „weltweit ein Drittel aller Kernkraftneubauten werden wir ausführen“, sagte sie, um zu ergänzen: „Ich habe immer an die Zukunft der Nuklearkraftwerke geglaubt, die Kernkraft wird ihren Platz neben der Energiegewinnung aus Sonne und Wind oder anderen Alternativen behaupten“. Auch andere Nationen arbeiten an neuen Kernkrafttechnologien, aber Frankreich hat zweifelsohne die Nase vorn: In den USA sind Westinghouse Electric und General Electric/Hitachi zwei Konkurrenten, in Russland ist es Rosatom, in Südkorea KEPCO, aber auch China und Indien „basteln“ an den Kernkraftwerken der Zukunft.
Kostensteigerung von vier auf sieben Milliarden
Frankreichs Areva hat im Gegensatz zu allen Konkurrenten den unschätzbaren Vorteil, dass das Unternehmen vorwiegend im Atomgeschäft aktiv ist – von Uranminen in Afrika bis zur Reaktorfertigung. China, das drei französische EPR-Anlagen bestellt hat, wie auch Indien, fertigt bisher Kernkraftwerke, die nicht den modernsten und sichersten Standards entsprechen. Sie werden deshalb auch viel preiswerter als die französischen angeboten. Das finnische EPR-Werk sollte 4,1 Millionen Dollar kosten, es wird heutzutage aber schon mit über sieben Milliarden Dollar veranschlagt. Den Schaden allerdings haben nicht die Finnen, sondern die Franzosen – weil sie einen Fixpreis angeboten und unterzeichnet hatten.
Weltweit die meisten Kernkraftwerke sind in China im Bau – nämlich 20. In Südkorea werden gegenwärtig sechs gebaut, in Indien vier, je zwei in der Slowakei und auf Taiwan. Neue Atommeiler entstehen auch in Kanada, Argentinien und Japan. Hunderte neue Kernkraftwerke sind zudem geplant – so eine Statistik der UNO.