Ein stummer Riese begrüßt die Besucher des Luftwaffenmuseums in Berlin-Gatow: eine Breguet Atlantic der Marineflieger. Dieses Flugzeug ist für seine Größe sehr leise und wird deshalb auch „flüsternder Riese“ genannt. Und das hatte mit seiner Aufgabe zu tun. Die Breguet Atlantic ist ein Langstreckenflugzeug, dass speziell für die Aufklärung über dem Meer und die Bekämpfung von Unterseebooten entwickelt wurde. Bis zu 18 Stunden am Stück kann dieses Flugzeug in der Luft bleiben.
Die Geschichte der Breguet Atlantic
Der NATO-Rat beschloss 1956 den Bau eines gemeinsamen Flugzeuges für die Seeaufklärung und Bekämpfung von U-Booten. Es sollte die Lockheed P2V-7 ablösen. Die USA, das Vereinigte Königreich und Belgien verabschiedeten sich sehr schnell aus dem Projekt, für das ein Konsortium SECBAT, das steht für Société Européenne pour la Construction du Breguet ATLANTIC, aus vielen Unternehmen gebildet wurde. Beteiligt waren:
- Société Nationale de Construction Aéronautiques Sud Aviation
- Société Nationale de Constructions Aéronautics d´Aviation Louis Breguet
- Fokker
- Dornier, später in der Arbeitsgemeinschaft Seeflug gemeinsam mit Siebel
- Kooperation Abap, bestehend aus Sabca, Fairey und FN
Dessen Entwurf unter dem Namen BR 1150 Atlantic wurde zur Realisierung ausgewählt. Die Geschäftsführung des Konsortiums Secbat lag bei dem Unternehmen Breguet. Auf der Auftraggeberseite hatte ein Lenkungsausschuss mit aus je einem Mitglied der beteiligten Staaten, einem Vertreter der NATO- und einem Sekretär die Aufsicht über das Projekt.
Ein weiteres Konsortium aus
- Fabrique Nationale d’Armes de Guerre (FN) in Belgien
- MTU in Deutschland
- Hispano Suiza in Frankreich
baute die Rolls-Royce-Triebwerke für das Flugzeug in Lizenz. Die Endmontage führte Hispano Suiza durch. Die Propeller stellte Ratier in Frankreich in Lizenz von Hawker-Siddley her. Die Ausrüstung für die eigentliche Aufgabe wurde weitgehend in den USA beschafft. Die Montage des Flugzeuges erfolgte bei Breguet, heute Dassault, bei Toulouse.
Die Organisationen SECBAT samt Lenkungsausschuss besteht weiter und sorgt sich um die Wartung und Instandhaltung der Maschinen. Ansonsten wurde die Projektorganisation ein Vorbild für die Steuerung vieler weiterer multinationaler Beschaffungsprojekte wie dem Panavia Tornado, dem NH-90 oder dem Eurofighter.
Die Technik der Breguet Atlantic
In der Version als Marineaufklärer (MPA) kann das Flugzeug mit Torpedos für die U-Boot-Jagd und mit Raketen zur Bekämpfung von Überwasserschiffen bestückt werden. Mit Sonarbojen abwerfen und einer Ortungstechnik, die erdmagnetische Anomalien erfasst, werden U-Boote geortet.
Der Rumpf hat den Querschnitt einer Acht. Zwei Drittel des vorderen oberen Teils des Rumpfes sind als Druckkabine gebaut. Der mittlere untere Teil des Rumpfes ist durch zwei große Schiebetore zu öffnen. Hier sind die Torpedos und sonstige Waffen untergebracht. Im Bug ist der Radom mit der Radarantenne untergebracht. Der Bug unter dem Cockpit ist rundum verglast und mit einem Sitz für einen Beobachter ausgestattet.
Es sind neben den beiden Piloten noch weitere zehn Personen an Bord, die sich um die Aufklärungs- und Waffensysteme kümmern. Darunter ein Navigator und der Kommandant, der die Mission führt. In der Kabine gibt es einen kleinen Aufenthalts- und Ruhebereich mit kleiner Küche und Toilette. Denn die Einsätze dauern bis zu 18 Stunden.
Produktion und Einsatz der Breguet Atlantic
1963 wurden die ersten Breguet Atlantic an Frankreich und Deutschland ausgeliefert. Weitere Abnehmer waren die Niederlande und Italien sowie Pakistan. Bis 1974 wurden Flugzeuge der ersten Generation gebaut. Die meisten Maschinen wurden als Maritime Patrol Aircraft (MPA) ausgerüstet. Eine Sigint-Variante BR 1150 M für die elektronische Aufklärung wurde nur für die Bundesmarine gebaut.
An die französische Marine gingen 20 Stück in der MPA Version. Davon wurden 3 an Pakistan weiter gegeben. Die Bundesmarine orderte 20 Stück. Sie nahm aber nur 15 Stück der MPA Version ab. 5 Stück wurden in der SIGINT-Variante BR 1150 M geliefert. Italien erhielt 18 Maschinen in der Ausführung MPA. 9 Flugzeuge der Variante MPA gingen an die Niederlande Von der weiterentwickelten Baureihe Atlantic 2 wurden nur 28 Maschinen von der französischen Marine beschafft.
Die Breguet Atlantic bei der Bundesmarine
Alle Breguet Atlantic wurden dem Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz zugeordnet. Nach der Wende 1990 wurde das Thema Seeaufklärung für weniger wichtig eingestuft und die Flotte der BR 1150 wurde reduziert. Die inzwischen betagten Maschinen hatten auch zunehmende Ausfälle. Im Juni 2006 wurden die letzten MPA-Versionen ausgemustert und durch gebrauchte P-3 Orion aus den Niederlanden ersetzt.
Für die Maschinen der Sigint-Version wurden als Ersatz die hoch fliegenden Drohen Eurohawk beschafft. Die BR 1150 M flog am 20. Juni 2010 ihren letzten Einsatz.
Erhaltene Maschinen
Einige Exemplare der Bundesmarine blieben komplett erhalten:
- 61+04 erwarb das Dornier-Museum in Friedrichshafen,
- 61+05 ist im Luftfahrtmuseum Rechlin-Lärz an der Müritz
- 61+06 steht mit einem Portrait des Grafen Zeppelin am Leitwerk vor dem Haupttor des Marinefliegergeschwaders „Graf Zeppelin“ in Nordholz
- 61+12 steht im Museum „Flugwelt Altenburg-Nobitz“ in Thüringen
- 61+14 blieb in Nordholz und steht dort im Aeronauticum
- 64+17 steht am Eingang des Luftwaffenmuseums der Bundeswehr in Berlin-Gatow
- 61+19 steht im Bettenmuseum in Peenemünde
- 61+20 ging an das niederländische Militärluftfahrt-Museum in Soesterberg bei Utrecht
Die Daten der Breguet Atlantic
- Besatzung: 12
- Höhe: 11,35 Meter
- Länge: 31,62 Meter
- Spannweite: 36,3 Meter
- Triebwerke: 2 x Rolls Royce Motoren mit je 3700 kW
- Höchstgeschwindigkeit: 355 Knoten bzw. 658 km/h
- Leergewicht: ca. 23 Tonnen
- Max. Startgewicht: ca. 44 Tonnen
- Gipfelhöhe: ca. 9.000 Meter
- Reichweite: ca. 8.000 km
- Einsatzdauer: bis 18 Std.
- Bewaffnung: 8 Torpedos Mk 46, Wasserbomben,