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Schmerzmanagement in der Pflege – Schmerzen systematisch wahrnehmen und effektiv therapieren

Qualitätsorientierte Pflege braucht systematisches Schmerzmanagement und Umsetzung des Expertenstandards in allen beteiligten Einrichtungen des Gesundheitswesens.

Schmerzen entstehen als natürliche Reaktion des Körpers bei schweren Verletzungen, nach Operationen oder können chronischer Natur sein. Etwa 20 Millionen Menschen leiden nach Aussage von Fachgesellschaften an chronischen oder immer wiederkehrenden Schmerzen. Sechs bis acht Millionen, so informiert das Forum Schmerz im Deutschen Grünen Kreuz e.V., sind stark beeinträchtigt. Etwa 600.000 Patienten benötigen eine spezielle Schmerztherapie. Allein 70 Prozent der Tumorpatienten klagen im Verlauf der Krankheit über starke Schmerzen.

Der professionelle Umgang mit Schmerz ist Zeichen von Pflegequalität

„Dem professionellen Umgang mit Schmerz kommt für die Qualitätsentwicklung in unserem Gesundheitswesen eine zentrale Bedeutung zu“, so die Einschätzung von Barbara Jung, Fachkinderkrankenschwester, Gesundheitswissenschaftlerin und Pflegedirektorin an der Berliner Charité. Gemeinsam mit anderen Spezialisten erarbeitete sie 2003-2005 im Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) den Expertenstandard zum Thema Schmerzmanagement in der Pflege.

Systematische Schmerzerkennung und –einschätzung ist eine der Herausforderungen in der Pflege. In speziellen Schulungen lernen Pflegekräfte und Ärzte, Schmerzen nach vorgegebenen Kriterien zu erfassen und detailliert zu beurteilen. Wo entstehen Schmerzen und welcher Art – zum Beispiel stechend, ziehend oder brennend – sind sie, wird etwa erfragt. Wie oft und wann wird der Schmerz spürbar? Ist er Folge einer Operation oder macht er sich bei bestimmten Maßnahmen wie Verbandwechsel bemerkbar?

Subjektive Schmerzwahrnehmung des Patienten zählt

Anhand vorgegebener Skalen können Patienten etwa die Stärke ihres Schmerzes mit Ziffern zwischen eins und zehn einstufen. Bilder mit Gesichtern, die Schmerz mimisch unterschiedlich stark ausdrücken, sind besonders im Umgang mit Kindern oder auch Personen, die sich nicht oder nur eingeschränkt verbal äußern können oder die deutsche Sprache nicht beherrschen, eine Hilfe. Umfangreiche Bewertungsbögen unterstützen Pflegekräfte anhand der Beurteilung von Mimik, Körperhaltung oder Hautfarbe, aber auch mittels Herzfrequenz und Blutdruck Schlüsse zu ziehen. „Allen Beteiligten muss dabei bewusst sein, dass es eine objektive Wahrheit nicht gibt, sondern die Beurteilung immer gefärbt ist von der individuellen Schmerzwahrnehmung des Patienten oder der Interpretation der Pflegekraft“, so Barbara Jung. Dabei ist das, was der Patient als Schmerz angibt , ausschlaggebend.

Vorurteile entkräften

Schmerztherapie hat unter anderem zum Ziel, akute und chronische Schmerzen dauerhaft zu mildern oder sogar einen schmerzfreien Zustand zu erreichen. Hierfür werden Schmerzmedikamente in festen Zeitabständen regelmäßig gegeben, so dass der Wirkstoffspiegel gleichmäßig erhalten bleibt. „Leider besteht noch immer das Vorurteil, dass Schmerzmittel süchtig machen und dass die Notwendigkeit immer höherer Dosen gefährlich ist. Studien haben bewiesen, dass bei korrekter Gabe von Opiaten die Gefahr der psychischen Abhängigkeit bei unter 0,01 Prozent liegt“, so die Pflegedirektorin. „Die Entstehung einer körperlichen Abhängigkeit ist bei Opiaten unumgänglich, so dass die Medikamente nur langsam abgesetzt werden dürfen.“

Unter fachlicher Anleitung können Patienten lernen, ihre Schmerzen einzuschätzen, detailliert zu erläutern und eventuell sogar selbst zu beeinflussen. „Hier lohnt sich die Überlegung, ob Pflegekräfte mit entsprechend umfassender Schulung zukünftig mehr Verantwortung übernehmen und den Patienten im Umgang mit Schmerz beraten sollen“, so Barbara Jung.

Laut Meinung der Schmerzexpertin gibt es zukünftig noch viel zu tun: „Kinder und Senioren werden beispielsweise beim systematischen Schmerzmanagement bislang noch zu wenig berücksichtigt. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf für die Praxis.“